»Hurra!« rief Foma zum zweitenmal, »Hurra! Und nun fallt auf die Knie, ihr Kinder meines Herzens, fallt auf die Knie vor der zärtlichsten aller Mütter! Bittet sie um ihren Segen, und wenn es nötig sein sollte, werde ich selbst mit euch zusammen vor ihr meine Knie beugen...«
Mein Onkel und Nastasja, die einander noch nicht angesehen hatten, ganz erschrocken waren und anscheinend nicht verstanden, was mit ihnen geschah, fielen vor der Generalin auf die Knie; alle drängten sich um diese Gruppe herum; aber die Alte stand wie betäubt da und begriff gar nicht, was sie nun tun sollte. Foma griff auch hier hilfreich ein: Er warf sich selbst seiner Gönnerin zu Füßen. Dies behob mit einem Mal alle ihre Bedenken. In Tränen ausbrechend, erklärte sie sich endlich einverstanden. Mein Onkel sprang auf und preßte Foma fest an seine Brust.
»Foma, Foma!...«, sagte er; aber die Stimme versagte ihm, und er konnte nicht weiterreden.
»Champagner!« brüllte Stepan Alexejewitsch. »Hurra!«
»Nein, keinen Champagner«! fiel Fräulein Perepelizyna ein, die sich bereits gefaßt und alle Umstände sowie alle möglichen Folgen erwogen hatte. »Sondern wir müssen Gott eine Kerze anzünden und vor dem Heiligenbild beten und die Verlobten mit dem Heiligenbild segnen, wie das alle gottesfürchtigen Menschen tun...«
Sogleich beeilten sich alle, den vernünftigen Rat zur Ausführung zu bringen, und es begann ein geschäftiges Treiben. Es sollte eine Kerze angezündet werden, und Stepan Alexejewitsch stellte einen Stuhl zurecht und stieg hinauf, um die Kerze vor dem Heiligenbilde aufzustellen, aber der Stuhl knackte unter seinem Gewicht sogleich bedrohlich, und er sprang schwerfällig wieder auf den Fußboden, hielt sich jedoch dabei noch auf den Beinen. Ohne sich darüber zu ärgern, trat er seinen Platz sofort höflich Fräulein Perepelizyna ab. Diese schmächtige Dame erledigte das Geschäft im Nu: Die Kerze brannte. Die Nonne und die armen Klientinnen begannen sich zu bekreuzigen und Verbeugungen bis zum Fußboden zu machen. Das Bild des Erlösers wurde heruntergenommen und der Generalin gebracht. Der Onkel und Nastasja knieten von neuem nieder, und die Zeremonie ging nach den gottesfürchtigen Anweisungen Fräulein Perepelizynas vor sich, die alle Augenblicke kommandierte: »Verneigen Sie sich bis zur Erde! Küssen Sie das Heiligenbild! Küssen Sie Ihrer Mutter die Hand!« Nach dem Bräutigam und der Braut hielt sich auch Herr Bachtschejew für verpflichtet, das Heiligenbild zu küssen, wobei auch er der Generalin die Hand küßte. Er war unbeschreiblich entzückt.
»Hurra!« schrie er wieder. »Aber jetzt wollen wir Champagner trinken!«
Übrigens waren auch alle andern entzückt. Die Generalin weinte, aber jetzt Tränen der Freude: Diese Verbindung war dadurch, daß Foma sie gesegnet hatte, in ihren Augen sogleich eine wohlanständige und gottgefällige geworden, und vor allem fühlte sie, daß Foma Fomitsch sich mit Ruhm bedeckt hatte und nun ganz sicher für immer bei ihr bleiben werde. Die Klientinnen nahmen, wenigstens äußerlich, an dem allgemeinen Entzücken teil. Mein Onkel kniete bald vor seiner Mutter nieder und küßte ihr die Hände, bald stürzte er auf mich, Bachtschejew, Misintschikow und Jeshewikin los, um uns zu umarmen. Den kleinen Ilja hätte er in seiner Umarmung beinahe erstickt. Alexandra lief auf Nastasja zu, um sie zu umarmen und zu küssen. Praskowja Iljinitschna zerfloß in Tränen. Als Herr Bachtschejew dies bemerkte, trat er zu ihr und küßte ihr die Hand. Der alte Jeshewikin war ganz weich geworden und weinte in einer Ecke, wobei er sich mit seinem karierten Taschentuch von gestern die Augen wischte. In einer andern Ecke blinzelte Gawrila und blickte voll andächtiger Verehrung zu Foma Fomitsch herüber; Falalej aber schluchzte aus vollem Hals, ging zu allen hin und küßte ebenfalls allen die Hände. Alle waren von ihrem Gefühl überwältigt. Noch begann niemand zu reden und sich über das Geschehene auszusprechen; es schien, daß schon alles gesagt sei; nur freudige Ausrufe ertönten. Noch begriff niemand, wie das alles so schnell geschehen konnte. Man wußte nur das eine, daß es Foma Fomitsch gewesen war, der das alles getan hatte, und daß es nun eine wirkliche, unabänderliche Tatsache war.
Aber es waren noch keine fünf Minuten seit Beginn der allgemeinen Glückseligkeit vergangen, als auf einmal Tatjana Iwanowna unter uns erschien. Auf welche Weise, durch welchen geheimen Spürsinn hatte sie, während sie oben in ihrem Zimmer saß, so schnell von dem Liebesverhältnis und von der Verlobung Kenntnis erhalten können? Mit strahlendem Gesicht, mit Freudentränen in den Augen kam sie in einer entzückenden, eleganten Toilette (sie hatte die Zeit nach ihrer Rückkehr dazu benutzt, sich umzukleiden) hereingeflattert und eilte laut aufschreiend auf Nastasja zu, um sie zu umarmen.
»Nastasja, Nastasja! Du hast ihn geliebt, und ich habe nichts davon gewußt!« rief sie. »O Gott! Sie haben einander geliebt; sie haben im stillen, im geheimen gelitten! Sie sind verfolgt worden! Was für ein Roman! Nastasja, mein Täubchen, sag mir die ganze Wahrheit: liebst du diesen verdrehten Menschen wirklich?«
Statt aller Antwort umarmte Nastasja sie und küßte sie.
»O Gott, was für ein reizender Roman!« Tatjana Iwanowna klatschte vor Entzücken in die Hände. »Hör mal, Nastasja, hör mal, mein Engeclass="underline" alle diese Männer, alle ohne Ausnahme, sind undankbar und schändlich und unserer Liebe unwert. Aber vielleicht ist er noch der beste von ihnen. Komm mal her zu mir, du verdrehter Mensch!« rief sie, indem sie sich meinem Onkel zuwandte und ihn bei der Hand faßte. »Bist du wirklich verliebt? Bist du wirklich fähig zu lieben? Sieh mich mal an: Ich will dir in die Augen sehen; ich will sehen, ob diese Augen lügen. Nein, nein, sie lügen nicht; in ihnen glänzt Liebe, Liebe! Oh, wie glücklich bin ich! Liebe Nastasja, hör mal, du bist nicht reich, ich schenke dir dreißigtausend Rubel. Nimm sie an, ich bitte dich inständig! Ich brauche sie nicht, wirklich nicht; mir bleibt auch so noch genug. Nein, nein, nein!« schrie sie und wehrte heftig mit den Händen ab, als sie sah, daß Nastasja das Geschenk ablehnen wollte. »Seien auch Sie ganz still, Jegor Iljitsch; das geht Sie gar nichts an. Nein, Nastasja, ich bin fest entschlossen, dir ein Geschenk zu machen; ich wollte es schon längst tun und wartete nur auf deine erste Liebe... Ich werde mich an dem Anblick eures Glückes weiden. Du kränkst mich, wenn du es nicht annimmst; ich werde weinen, Nastasja... Nein, nein, nein und nochmals nein!«
Tatjana Iwanowna war so entzückt, daß es, wenigstens in diesem Augenblick, ein Ding der Unmöglichkeit, ja eine Grausamkeit gewesen wäre, ihr zu widersprechen. Das unternahmen die Verlobten denn auch nicht, sondern verschoben es auf eine andere Zeit. Dann stürzte sie auf die Generalin zu, um sie zu küssen, dann auf Fräulein Perepelizyna und auf uns alle. Bachtschejew drängte sich respektvoll an sie heran und bat um die Erlaubnis, ihr die Hand küssen zu dürfen.
»Liebes, verehrtes Fräulein! Verzeihen Sie mir Dummkopf mein Betragen von vorhin; ich kannte Ihr goldenes Herz noch nicht!«
»Sie verdrehter Mensch! Ich kenne Sie schon lange«, flüsterte Tatjana Iwanowna mit schwärmerischer Koketterie, schlug ihm mit ihrem Handschuh auf die Nase und flatterte wie ein Zephir hinweg, wobei sie ihn mit ihrem prächtigen Kleide streifte.
Der Dicke trat respektvoll zur Seite.
»Eine höchst achtbare junge Dame!« sagte er gerührt. »Aber dem Deutschen ist die Nase wieder angeleimt!« flüsterte er mir vertraulich zu und sah mir vergnügt in die Augen.