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»Was für eine Nase? Welchem Deutschen?« fragte ich verständnislos.

»Na dem, den ich mir habe schicken lassen, der seiner Landsmännin die Hand küßt, während sie sich mit dem Taschentuch eine Träne abwischt. Mein Jewdokim hat den Schaden noch gestern repariert; ich habe vorhin, als wir von der Verfolgung zurückgekehrt waren, einen Reitenden abgeschickt, um das Spielzeug zu holen... Es wird bald gebracht werden. Ein ganz vorzügliches Ding!«

»Foma!« rief mein Onkel, ganz außer sich vor Entzücken, »du bist der Urheber unseres Glückes! Womit kann ich dir das vergelten?«

»Mit nichts, Oberst«, antwortete Foma mit scheinheiliger Miene. »Fahren Sie fort, mich unbeachtet zu lassen, und seien Sie glücklich ohne Foma!«

Er war offenbar pikiert darüber, daß man ihn während der allgemeinen Freudenausbrüche vergessen zu haben schien.

»Das kommt nur von unserem Entzücken, Foma!« rief mein Onkel. »Ich weiß gar nicht mehr, wo ich stehe, lieber Freund. Hör mal, Foma: Ich habe dich beleidigt. Mein ganzes Leben, mein ganzes Blut ist nicht ausreichend, um diese Beleidigung wiedergutzumachen, und daher schweige ich, ja, ich entschuldige mich nicht einmal. Aber wenn du jemals meinen Kopf und mein Leben brauchst, wenn du jemanden nötig hast, der sich für dich in einen gähnenden Abgrund stürzt, dann befiehl, und du wirst sehen... weiter sage ich nichts, Foma.«

Der Onkel machte eine resignierte Handbewegung, als sei er sich völlig der Unmöglichkeit bewußt, noch etwas hinzuzufügen, was seine Empfindung stärker zum Ausdruck bringen könnte. Er sah Foma nur mit dankbaren Augen an, in denen Tränen standen.

»Ach, was ist er für ein Engel!« winselte Fräulein Perepelizyna ihrerseits zum Lobe Fomas.

»Ja, ja!« fiel Alexandra ein. »Ich habe gar nicht gewußt, daß Sie ein so guter Mensch sind, Foma Fomitsch, und habe Sie respektlos behandelt. Verzeihen Sie mir, Foma Fomitsch, und seien Sie überzeugt, daß ich Sie von nun an von ganzem Herzen lieben werde! Wenn Sie wüßten, welche Hochachtung ich jetzt für Sie empfinde!«

»Ja, Foma!« nahm auch Bachtschejew das Wort. »Verzeihen auch Sie mir dummem Menschen! Ich habe Sie nicht gekannt, Sie einfach nicht gekannt! Sie sind nicht nur ein Gelehrter, Foma Fomitsch, sondern geradezu ein Held! Mein ganzes Haus steht Ihnen zu Diensten. Wissen Sie, was das beste ist, lieber Freund? Kommen Sie übermorgen zu mir, mit der Frau Generalin und auch mit dem Bräutigam und der Braut – was rede ich: mit dem ganzen Haus! Dann wollen wir einmal zu Mittag essen! Ich will mich nicht im voraus rühmen; ich sage nur sovieclass="underline" Außer Vogelmilch kann ich Ihnen alle kulinarischen Genüsse bieten! Darauf gebe ich Ihnen mein Wort!«

Während dieser Gefühlsergüsse trat auch Nastasja auf Foma Fomitsch zu, umarmte ihn ohne weitere Worte herzlich und küßte ihn.

»Foma Fomitsch«, sagte sie, »Sie sind unser Wohltäter; Sie haben soviel für uns getan, daß ich nicht weiß, wie ich Ihnen das alles vergelten soll; ich weiß nur, daß ich Ihnen die zärtlichste, respektvollste Schwester sein werde...«

Sie konnte nicht zu Ende sprechen: Tränen erstickten ihre Stimme. Foma küßte sie auf den Scheitel; er war selbst bis zu Tränen gerührt.

»Meine Kinder, ihr Kinder meines Herzens!« sagte er. »Lebet und gedeihet und denkt in den Augenblicken des Glückes mitunter an den armen Vertriebenen! Von mir aber sage ich, daß das Unglück vielleicht die Mutter der Tugend ist. Das hat, glaube ich, Gogol gesagt, ein leichtfertiger Schriftsteller, bei dem sich aber manchmal treffende Gedanken finden. Aus dem Haus gejagt zu werden, das ist ein Unglück! Unstet werde ich jetzt an meinem Stabe auf der Erde umherwandern, und wer weiß – vielleicht werde ich durch das Unglück noch tugendhafter werden! Dieser Gedanke ist der einzige Trost, der mir noch geblieben ist!«

»Aber... wohin willst du denn gehen, Foma?« rief der Onkel erschrocken.

Alle waren zusammengefahren und hatten ihre Blicke auf Foma gerichtet.

»Aber kann ich denn etwa in Ihrem Haus bleiben, nachdem Sie mich vorhin so behandelt haben, Oberst?« fragte Foma Fomitsch mit ganz besonderer Würde.

Aber man ließ ihn nicht zu Ende reden: Ein allgemeines Geschrei übertönte seine Worte. Man zwang ihn, sich in seinen Lehnstuhl zu setzen, man bat ihn, man flehte ihn unter Tränen an, und ich weiß nicht, was man sonst noch alles mit ihm anfing. Natürlich lag es gar nicht in seiner Absicht, ›dieses Haus‹ zu verlassen, ebensowenig wie vorhin und ebensowenig wie am vorhergehenden Tag und ebensowenig wie damals, als er im Gemüsegarten gegraben hatte. Er wußte, daß sie ihn jetzt pietätvoll zurückhalten und sich mit Gewalt an ihn klammern würden, namentlich da er alle glücklich gemacht hatte und da alle von neuem an ihn glaubten und bereit waren, ihn auf den Händen zu tragen und dies für eine Ehre und für ein Glück zu halten. Aber der Umstand, daß er vorhin aus Furcht vor dem Gewitter so kleinmütig zurückgekehrt war, stachelte wahrscheinlich seinen Ehrgeiz an und trieb ihn dazu, noch eine Weile die Rolle eines Helden zu spielen; besonders aber bot sich jetzt eine so gute Gelegenheit, großzutun; er hatte die Möglichkeit, von sich selbst in schönen Wendungen zu reden, sein Seelenleben zu schildern, sich zu loben – dieser Versuchung konnte er nicht widerstehen. Und er widerstand ihr auch nicht; er riß sich aus den Händen der ihn Festhaltenden los; er verlangte, man solle ihm seinen Wanderstab geben; er bat, man möge ihn freilassen, damit er in die weite Welt hinausziehe; er sei ›in diesem Hause‹ entehrt und mißhandelt worden und sei nur zurückgekehrt, um das allgemeine Glück zu schaffen; könne er denn etwa ›in dem Hause des Undanks bleiben und eine zwar nahrhafte, aber mit Mißhandlungen gewürzte Kohlsuppe essen‹? Endlich aber hörte er mit den Versuchen, sich loszureißen, doch auf. Er wurde von neuem in seinen Lehnstuhl gesetzt; aber seine rednerischen Ergüsse erlitten keine Unterbrechung.

»Hat man mich hier etwa nicht beleidigt?« rief er. »Hat man mir nicht die Zunge herausgestreckt? Haben nicht Sie, Sie selbst, Oberst, nach Art der unnützen Gassenbuben in der Stadt, mir allstündlich eine lange Nase gemacht? Jawohl, Oberst! Ich halte an diesem Vergleich fest; denn wenn Sie mir auch nicht körperlich eine lange Nase gemacht haben, so haben Sie es doch im geistigen Sinn getan, und die geistigen langen Nasen sind in manchen Fällen sogar noch beleidigender als die körperlichen. Ich will gar nicht einmal von den Mißhandlungen reden...«

»Foma, Foma!« rief der Onkel. »Töte mich nicht mit der Erinnerung daran! Ich habe dir schon gesagt, daß all mein Blut nicht dazu ausreicht, diese Beleidigung wegzuwaschen. Sei doch großmütig! Vergiß, verzeih und bleib hier, um ein Zeuge unseres Glückes zu sein, das dein Werk ist, Foma!...«

»... Ich will den Menschen lieben, will den Menschen lieben«, schrie Foma; »aber man gibt mir den Menschen nicht; man verbietet mir, ihn zu lieben; man nimmt mir den Menschen weg! Gebt mir den Menschen, gebt ihn mir, damit ich ihn lieben kann! Wo ist dieser Mensch? Wo hat sich dieser Mensch versteckt? Wie Diogenes mit der Laterne suche ich ihn mein ganzes Leben lang und kann ihn nicht finden; und ich kann niemanden lieben, bevor ich nicht diesen Menschen gefunden habe. Wehe dem, der mich zu einem Menschenhasser gemacht hat! Ich rufe: ›Gebt mir den Menschen, damit ich ihn lieben kann!‹ und man schiebt mir Falalej zu! Werde ich etwa Falalej liebgewinnen? Will ich denn Falalej liebgewinnen? Und endlich: kann ich denn Falalej lieben, selbst wenn ich es wollte? Nein. Warum nicht? Weil er Falalej ist. Warum liebe ich die Menschheit nicht? Weil alles, was auf der Welt lebt, Falalej ist oder etwas ihm Ähnliches. Ich kann Falalej nicht leiden; ich hasse Falalej; ich verabscheue Falalej; ich zertrete Falalej, und wenn ich wählen müßte, so würde ich mich lieber in Beelzebub verlieben als in Falalej! Komm einmal her, komm einmal her, du mein ewiger Peiniger, komm einmal her!« rief er, sich plötzlich an Falalej wendend, der in der harmlosesten Weise, auf den Zehen stehend, von hinten über die Schar hinwegspähte, die sich um Foma Fomitsch herum drängte. »Komm einmal her! Ich werde Ihnen zeigen, Oberst«, rief Foma, indem er den vor Angst fast bewußtlosen Falalej mit der Hand zu sich heranzog, »ich werde Ihnen die Wahrheit dessen, was ich von den steten Verhöhnungen und langen Nasen gesagt habe, beweisen! Sprich, Falalej, und sprich die Wahrheit: wovon hast du heute nacht geträumt? Sie werden die Früchte Ihrer Behandlung sehen, Oberst; Sie werden sie sofort sehen! Nun, Falalej, rede!«