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Foma Fomitsch liegt jetzt im Grab, neben der Generalin; über ihm erhebt sich ein kostbares Denkmal von weißem Marmor, ganz mit Ausdrücken der Trauer und mit Lobpreisungen bedeckt. Manchmal gehen Jegor Iljitsch und Nastasja auf einem Spaziergang pietätvoll zum Kirchhof, um an Fomas Grab zu beten. Noch jetzt können sie von ihm nicht ohne tiefe Empfindung reden; sie erinnern sich an jedes Wort von ihm, an seine Lieblingsgerichte, an alles, was er gern hatte. Seine Sachen werden wie ein kostbarer Schatz aufbewahrt. Da sie sich nun völlig verwaist fühlten, schlossen sich mein Onkel und Nastasja noch enger aneinander an. Kinder hat ihnen Gott nicht gegeben; sie grämen sich sehr darüber, wagen aber nicht zu murren. Alexandra hat schon vor längerer Zeit einen netten jungen Mann geheiratet. Ilja studiert in Moskau. So leben denn der Onkel und Nastasja ganz allein und können sich aneinander gar nicht satt sehen. Die Art, wie sie einer für den andern sorgen, ist beinahe krankhaft geworden. Nastasja betet fortwährend für ihren Mann. Wenn einer von ihnen zuerst stirbt, so wird ihn, glaube ich, der andere keine Woche überleben. Aber möge Gott ihnen ein langes Leben schenken! Jeden Gast, der zu ihnen kommt, empfangen sie voller Freude und teilen bereitwillig mit sämtlichen Unglücklichen alles, was sie haben. Nastasja liest gern die Lebensbeschreibungen der Heiligen und sagt ganz zerknirscht, die gewöhnlichen guten Werke seien nicht ausreichend; man müsse alles den Bedürftigen geben und in seiner Armut glücklich sein. Wenn sie nicht für Ilja und Alexandra zu sorgen hätten, so würde der Onkel das auch längst getan haben; denn er ist in allen Stücken mit seiner Frau vollständig einer Meinung. Bei ihnen lebt Praskowja Iljinitschna und tut ihnen mit Freuden alles zu Gefallen; sie führt ihnen auch die Wirtschaft. Herr Bachtschejew machte ihr bald nach der Hochzeit des Onkels einen Heiratsantrag; aber sie lehnte denselben rundweg ab. Man schloß daraus, daß sie ins Kloster gehen wolle; aber auch das tat sie nicht. In ihrem Wesen liegt eine merkwürdige Eigenheit: sich vor denen, die sie liebhat, ganz klein zu machen, fortwährend die eigene Persönlichkeit gegen sie ganz zurücktreten zu lassen, ihnen jeden Wunsch an den Augen abzusehen, sich all ihren Launen unterzuordnen, sie zu hegen und zu pflegen und ihnen zu dienen. Jetzt nach dem Tod der Generalin, ihrer Mutter, hält sie es für ihre Pflicht, bei ihrem Bruder zu bleiben und ihrer Schwägerin Nastasja in allem behilflich zu sein. Der alte Jeshewikin lebt noch und hat in der letzten Zeit angefangen, seine Tochter immer häufiger zu besuchen. Anfangs brachte er meinen Onkel dadurch zur Verzweiflung, daß er sich und seine kleine Bande (so nannte er seine Kinder) von Stepantschikowo beinahe vollständig fernhielt. Alle Aufforderungen des Onkels zum Kommen blieben bei ihm wirkungslos: Er war nicht so sehr stolz als empfindlich und mißtrauisch. Dieses Mißtrauen entsprang aus seinem Ehrgefühl, ging aber manchmal denn doch zu weit. Der Gedanke, man empfange ihn, den armen Kerl, in dem reichen Haus vielleicht nur aus Mitleid und empfinde seine Besuche als eine Belästigung und Zudringlichkeit, dieser Gedanke quälte ihn furchtbar; er lehnte mitunter sogar Nastasjas Beihilfe ab und nahm nur das Notwendigste an. Von meinem Onkel aber wollte er absolut nichts annehmen. Nastasja hatte sich sehr geirrt, als sie mir damals im Garten über ihren Vater gesagt hatte, er mache sich nur um ihretwillen zum Hanswurst. Allerdings hegte er damals den heißen Wunsch, Nastasja mit meinem Onkel zu verheiraten; aber die Rolle des Hanswurstes spielte er einfach aus innerem Bedürfnis, um dem in ihm angesammelten Grimm Luft zu machen. Das Bedürfnis zu spotten und zu sticheln steckte ihm im Blut. So maskierte er sich denn als den gemeinsten, kriecherischsten Schmeichler, zeigte aber zugleich deutlich, daß er es nur zum Schein tue, und je unterwürfiger seine Schmeichelei klang, um so bissiger und offener schaute der Spott dabei heraus. Das war nun einmal so seine Art. Es gelang den beiden Eheleuten, alle Kinder Jeshewikins in den besten Moskauer und Petersburger Unterrichtsanstalten unterzubringen, aber das auch erst, als Nastasja ihm klar nachwies, daß das alles auf ihre eigene Kosten geschah, das heißt von ihren eigenen dreißigtausend Rubeln, die ihr Tatjana Iwanowna geschenkt hatte: Diese dreißigtausend Rubel hatte Nastasja allerdings niemals von Tatjana Iwanowna angenommen; aber damit diese nicht traurig werde und sich nicht gekränkt fühle, hatte sie sie durch das Versprechen versöhnt, sobald ihre Familie unerwartet in Not käme, an ihre Hilfsbereitschaft zu appellieren. Das tat sie denn auch: Sie nahm, um sie zu beruhigen, bei ihr zu verschiedenen Zeiten zwei ziemlich beträchtliche Darlehen auf. Aber Tatjana Iwanowna starb vor drei Jahren, und Nastasja erhielt nun doch ihre dreißigtausend Rubel. Der Tod der armen Tatjana Iwanowna kam ganz unerwartet. Die ganze Familie machte sich fertig, um zu einem benachbarten Gutsbesitzer zum Ball zu fahren, und eben hatte Tatjana Iwanowna ihr Ballkleid angezogen und einen entzückenden Kranz von weißen Rosen auf den Kopf gesetzt, als sie auf einmal ein Unwohlsein verspürte, sich in einen Lehnstuhl setzte und starb. Mit diesem Kranze wurde sie denn auch beerdigt. Nastasja war verzweifelt. Tatjana Iwanowna war im Hause gehätschelt und gehegt und gepflegt worden wie ein kleines Kind. Sie setzte alle durch die Klugheit ihres Testamentes in Erstaunen; abgesehen von Nastasjas dreißigtausend Rubeln hatte sie alles übrige, gegen dreihunderttausend Rubel, zur Erziehung armer Waisenmädchen und zur Gewährung einer pekuniären Beihilfe an dieselben beim Verlassen der Unterrichtsanstalten bestimmt. In dem Jahr, in dem Tatjana Iwanowna starb, verheiratete sich auch Fräulein Perepelizyna, die nach dem Tod der Generalin bei meinem Onkel geblieben war, in der Hoffnung, sich bei Tatjana Iwanowna einzuschmeicheln. Unterdessen war nämlich der Besitzer des Dorfes Mischino Witwer geworden, ebenjenes kleinen Dorfes, in dem wir als Tatjana Iwanownas Beschützer die häßliche Szene mit Obnoskin und seiner Mutter gehabt hatten. Dieser Gutsbesitzer und ehemalige Beamte war ein schrecklicher Ränkeschmied und hatte von seiner ersten Frau sechs Kinder. Da er bei Fräulein Perepelizyna Geld vermutete, so machte er sich mit seiner Bewerbung an sie heran, und sie ging sofort darauf ein. Aber Fräulein Perepelizyna war arm wie eine Kirchenmaus; sie besaß nur dreihundert Rubel, und auch diese hatte ihr erst Nastasja zur Hochzeit geschenkt. Jetzt zanken sich Mann und Frau vom Morgen bis zum Abend miteinander. Sie reißt seine Kinder an den Haaren und versetzt ihnen Kopfnüsse; auch ihm zerkratzt sie das Gesicht (wenigstens wird das behauptet) und reibt ihm alle Augenblicke ihre Abstammung von einem Oberstleutnant unter die Nase. Auch Misintschikow ist in geordnete Verhältnisse gelangt. Er warf verständigerweise alle seine Hoffnungen auf Tatjana Iwanowna über Bord und fing an, die Landwirtschaft zu erlernen. Mein Onkel empfahl ihn einem reichen Grafen, der achtzig Werst von Stepantschikowo entfernt Besitzungen mit dreitausend Seelen hatte, sie aber nur selten besuchte. Da der Graf bei Misintschikow gute Fähigkeiten wahrnahm und der Empfehlung Vertrauen schenkte, so bot er ihm die Stelle eines Verwalters seiner Güter an; er hatte nämlich seinen früheren Verwalter, einen Deutschen, weggejagt, der trotz der vielgepriesenen deutschen Ehrlichkeit seinen Grafen ganz gehörig bestohlen hatte. Nach fünf Jahren waren die Güter nicht mehr wiederzuerkennen: Die Bauern waren wohlhabend geworden; es war eine geordnete Rechnungsführung eingerichtet worden, wovon vorher gar keine Rede gewesen war; die Einnahmen hatten sich beinahe verdoppelt – kurz, der neue Verwalter erwies sich als ganz vorzüglich, und der Ruf seiner Tüchtigkeit erscholl durch das ganze Gouvernement. Wie groß aber war das Erstaunen und die Betrübnis des Grafen, als Misintschikow nach genau fünf Jahren trotz aller Bitten und aller angebotenen Gehaltserhöhungen seine Stelle mit aller Entschiedenheit aufgab und in den Ruhestand trat! Der Graf glaubte, daß einer der benachbarten Gutsbesitzer oder auch einer aus einem andern Gouvernement ihm seinen guten Verwalter abspenstig gemacht hätte. Aber wie wunderten sich alle, als auf einmal, zwei Monate nach dem Aufgeben seiner Stelle, Iwan Iwanowitsch Misintschikow sich als Besitzer eines sehr schönen Gutes von hundert Seelen, vierzig Werst von den gräflichen Besitzungen entfernt, entpuppte, das er einem gar zu flott lebenden Husaren, einem früheren Freund, abgekauft hatte! Auf diese hundert Seelen nahm er sogleich eine Hypothek auf, und ein Jahr darauf besaß er noch weitere sechzig Seelen in der Nachbarschaft. Jetzt ist er selbst ein ordentlicher Gutsbesitzer, und seine Wirtschaft befindet sich in musterhaftem Zustand. Alle Leute wundern sich, wo er auf einmal das Geld herbekommen hat. Manche aber schütteln nur den Kopf. Aber Iwan Iwanowitsch fühlt sich durchaus ruhig und ist der Ansicht, daß er nichts Unrechtes getan hat. Er hat seine Schwester aus Moskau zu sich kommen lassen, ebendieselbe, die ihm ihre letzten drei Rubel zu Stiefeln gab, als er nach Stepantschikowo wanderte; sie ist ein sehr nettes Mädchen, schon über die erste Jugend hinaus, von sanftem Charakter, liebevoll, gebildet, aber außerordentlich verschüchtert. Sie hat die ganze Zeit her irgendwo in Moskau als Gesellschafterin bei einer ›Wohltäterin‹ ein Unterkommen gehabt; jetzt aber widmet sie demütig ihrem Bruder ihre Dienste, führt in seinem Haus die Wirtschaft, hält seinen Willen für ein Gesetz und fühlt sich vollkommen glücklich. Ihr Bruder verwöhnt sie nicht und hält sie sogar etwas kurz; aber sie bemerkt das gar nicht. In Stepantschikowo liebt man sie sehr, und es heißt, Herr Bachtschejew sei ihr gegenüber nicht gleichgültig. Er würde ihr auch wohl einen Antrag machen, fürchtet sich aber vor einem Korb. Übrigens hoffe ich, daß ich über Herrn Bachtschejew noch ein andermal werde sprechen können, in einer anderen Erzählung und dann ausführlicher.