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»Warum ich ihn anfahre! Hört ihr das? Er brummt über mich, und ich soll ihn nicht einmal anfahren!«

»Weshalb sollte ich denn brummen?«

»Weshalb er brummen sollte! Gar nicht brauchst du zu brummen. Ich weiß aber, worüber du brummst: darüber, daß ich weggefahren bin, ehe das Mittagessen zu Ende war. Das ist der Grund!«

»Was geht das mich an! Meinetwegen brauchen Sie überhaupt nicht zu Mittag zu essen. Ich brumme nicht über Sie, ich habe nur den Schmieden ein Wort gesagt.«

»Den Schmieden... Aber was hast du denn über die Schmiede zu brummen?«

»Über die brumme ich auch nicht; ich brumme über die Kutsche.«

»Aber was hast du über die Kutsche zu brummen?«

»Weil sie entzweigegangen ist! Sie soll künftig nicht wieder entzweigehen, sondern hübsch ganz bleiben.«

»Über die Kutsche... Nein, du hast über mich gebrummt, und nicht über die Kutsche. Er ist selbst schuld, und dann will er noch schimpfen!«

»Aber warum sind Sie denn eigentlich über mich hergefallen, gnädiger Herr? Bitte lassen Sie mich doch in Ruhe!« »Aber warum hast du denn während der ganzen Fahrt wie eine Eule dagesessen und kein Wort mit mir gesprochen, he? Du redest doch sonst auch!«

»Es war mir eine Fliege in den Mund gekrochen; darum schwieg ich und saß wie eine Eule da. Soll ich Ihnen etwa Märchen erzählen? Dann nehmen Sie doch die Märchenerzählerin Malanja mit, wenn Sie gern Märchen hören!«

Der Dicke machte schon den Mund zu einer Erwiderung auf, fand aber offenbar keine Antwort und schwieg daher. Der Diener aber, der mit seiner eigenen Schlagfertigkeit und mit seiner vor Zeugen bewiesenen Macht über seinen Herrn sehr zufrieden war, wandte sich mit verdoppelter Gravität zu den Gesellen und begann, ihnen etwas auseinanderzusetzen.

Mein Versuch, die Bekanntschaft des Herrn zu machen, war erfolglos geblieben, namentlich wegen meiner Ungeschicklichkeit; aber ein unvorhergesehener Umstand kam mir zu Hilfe. Aus dem Fenster eines geschlossenen Wagenkastens, der seit undenklichen Zeiten ohne Räder bei der Schmiede stand und täglich, aber vergeblich auf seine Reparatur wartete, blickte auf einmal ein verschlafenes, ungewaschenes und ungekämmtes Gesicht heraus. Bei dem Erscheinen dieses Gesichtes erhob sich unter den Schmiedegesellen ein allgemeines Gelächter. Die Sache war die, daß der Mensch, der aus dem Wagenkasten heraussah, darin fest eingesperrt war und jetzt nicht herauskonnte. Nachdem er darin seinen Rausch ausgeschlafen hatte, bat er jetzt vergebens um seine Befreiung; schließlich fing er an zu bitten, es möchte ihm jemand sein Handwerkszeug holen. Alles dies diente zu großer Erheiterung der Anwesenden.

Es gibt Naturen, denen recht sonderbare Dinge die größte Freude und das größte Vergnügen machen. Die Grimassen eines betrunkenen Bauern, ein Mensch, der auf der Straße stolpert und hinfällt, das Gezänk zweier Weiber und so weiter rufen bei manchen Leuten aus nicht recht verständlichem Grunde ein durchaus gutmütiges Entzücken hervor. Der dicke Gutsbesitzer gehörte gerade zu dieser Menschenklasse. Allmählich verwandelte sich seine Miene aus einer mürrischen und ingrimmigen in eine zufriedene und freundliche und hellte sich schließlich vollständig auf.

»Ist das nicht Wassiljew?« fragte er lebhaft interessiert. »Wie kommt denn der da ‘rein?«

»Jawohl, gnädiger Herr Stepan Alexejewitsch; es ist Wassiljew!« wurde von allen Seiten gerufen.

»Er hat sich in den Schenken umhergetrieben, gnädiger Herr«, fügte einer der Gesellen hinzu, ein schon älterer, hochgewachsener, hagerer Mann mit pedantisch solidem Gesichtsausdruck; unter den Gesellen schien er der oberste zu sein. »Er hat sich in den Schenken herumgetrieben, gnädiger Herr; vorgestern ist er von seinem Meister weggegangen, nun versteckt er sich bei uns, hat sich an uns herangemacht! Jetzt fragt er nach seinem Stemmeisen. Na, wozu brauchst du jetzt das Stemmeisen, du Dummkopf? Gewiß will er sein letztes Handwerkszeug versetzen!«

»Ach, lieber Archip! Das Geld ist wie die Tauben: sie kommen zugeflogen und fliegen wieder weg! Laß mich ‘raus, um des himmlischen Schöpfers willen!« bat Wassiljew mit hoher, zitternder Stimme, indem er den Kopf aus dem Wagenkasten herausstreckte.

»Bleib du nur da sitzen, du Taugenichts, es ist zu deinem Besten, daß wir dich da eingesperrt haben!« antwortete Archip finster. »Schon seit vorgestern ist er sinnlos betrunken; von der Straße haben wir ihn heute frühmorgens hergeschleppt; danke Gott, daß wir dich versteckt haben! Und zu Matwej Iljitsch haben wir gesagt, du wärest krank geworden; du hättest bei uns das Faulfieber bekommen.«

Wieder lachte alles.

»Aber wo ist mein Stemmeisen?«

»Unser Küchenjunge hat es an sich genommen! Immer dieselbe Frage! Er ist ein richtiger Trunkenbold, gnädiger Herr Stepan Alexejewitsch.«

»He-he-he! Ach, du Kanaille! Also so arbeitest du in der Stadt: dein Handwerkszeug versetzt du!« rief der Dicke mit seiner heiseren Stimme; er erstickte fast vor Lachen, fühlte sich höchst zufrieden und war auf einmal in die vergnügteste Stimmung geraten.

»Und dabei ist er ein Tischler, wie man ihn selbst in Moskau lange suchen kann! Aber so führt er sich immer auf, der Schurke«, fügte er hinzu, indem er sich völlig unerwarteterweise an mich wandte. »Laß ihn heraus, Archip: vielleicht hat er auch ein leibliches Bedürfnis.«

Man gehorchte dem Herrn. Der Nagel, mit dem sie den Wagenschlag zugemacht hatten, um sich über Wassiljew nach seinem Aufwachen zu amüsieren, wurde herausgezogen, und Wassiljew erschien im Freien, beschmutzt, unordentlich und mit zerrissenen Kleidern. Er kniff die Augen vor der hellen Sonne zusammen, nieste und taumelte; dann hielt er sich die Hand als Schirm über die Augen und blickte um sich.

»So ‘ne Menge Menschen, so ‘ne Menge Menschen!« sagte er, den Kopf hin und her wiegend, »und alle nüchtern, glaub ich«, fügte er, die Worte dehnend, hinzu, als ob er in trübes Nachdenken versunken sei und sich selbst Vorwürfe mache. »Na, guten Morgen, Brüder!«

Von neuem erfolgte ein allgemeines Gelächter.

» ›Guten Morgen!‹ Mach doch die Augen auf und sieh, was für eine Tageszeit ist, du verdrehter Mensch!«

»Du lügst, Jemelja! Das ist wohl deine Woche!«

»Sicher, wenn auch nur für eine Stunde, aber im Galopp!«

»He-he-he! Ein Prachtkerl!« rief der Dicke, wobei er sich noch einmal vor Lachen schüttelte und mich wieder freundlich anblickte. »Schämst du dich denn gar nicht, Wassiljew?«

»Ich habe mich doch nur aus Kummer betrunken, gnädiger Herr Stepan Alexejewitsch, nur aus Kummer«, antwortete Wassiljew ganz ernst und mit einer Handbewegung, die sein schweres Leid ausdrücken sollte. Er war offenbar sehr zufrieden damit, daß sich eine Gelegenheit bot, noch einmal von seinem Kummer zu sprechen.

»Aus was für Kummer denn, du Dummkopf?«

»Wegen eines Unglücks, wie wir es bisher noch nie erlebt haben: wir gehen in Foma Fomitschs Besitz über.«

»Wer? Wann?« schrie der Dicke ganz aufgeregt.

Ich tat ebenfalls einen Schritt vorwärts: ganz unerwarteterweise berührte die Sache auch mich.

»Wir alle in Kapitonowka. Unser Herr, der Oberst (Gott gebe ihm Gesundheit!), will unser ganzes Dorf Kapitonowka, sein Stammgut, diesem Foma Fomitsch schenken; ganze siebzig Seelen will er ihm überlassen. ›Da nimm sie hin, Foma!‹ sagte er. ›Bis jetzt hast du nichts gehabt; du bist nur ein kleiner Gutsbesitzer; es gehören dir nur zwei Stinte im Ladoga-See, die an dich Abgabe zu entrichten haben; mehr Seelen hast du von deinem verstorbenen Vater nicht geerbt. Denn dein Vater‹ «, fuhr Wassiljew mit boshaftem Vergnügen fort, indem er in seiner Erzählung alles, was sich auf Foma Fomitsch bezog, gleichsam mit Pfeffer bestreute, » ›denn dein Vater war von altem Adel, nur daß niemand wußte, woher er stammte und wer er war; er hat ebenso wie du bei Herrschaften gelebt, die ihm aus Gnade und Barmherzigkeit erlaubten, in der Küche zu sitzen. Aber jetzt, wenn ich dir Kapitonowka übertrage, wirst auch du ein Gutsbesitzer sein, ein vornehmer Edelmann, und wirst deine eigenen Leute haben und kannst dich auf den Ofen legen und wie ein Edelmann leben...‹ «