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Aber Stepan Alexejewitsch hörte nicht mehr zu. Die Wirkung, die die Erzählung des halbbetrunkenen Wassiljew bei ihm hervorbrachte, war eine ganz außerordentliche. Der Dicke war so aufgebracht, daß er purpurrot wurde; sein Doppelkinn zitterte; die kleinen Augen unterliefen mit Blut. Ich dachte, es würde ihn im nächsten Augenblick der Schlag rühren. »Das fehlte nur noch!« sagte er keuchend. »Dieser Schuft, dieser Schmarotzer, der Foma, ein Gutsbesitzer! Pfui Deibel! Hole euch alle der Henker! He, ihr, macht schnell, daß ihr fertig werdet! Nach Hause!«

»Gestatten Sie mir eine Frage«, sagte ich, unentschlossen herantretend; »Sie erwähnten soeben einen gewissen Foma Fomitsch; sein Familienname ist ja wohl, wenn ich nicht irre, Opiskin. Sehen Sie, ich würde gern... kurz gesagt, ich habe besondere Ursachen, mich für diese Persönlichkeit zu interessieren, und würde meinerseits sehr gern erfahren, inwieweit man den Worten dieses braven Mannes Glauben schenken kann, daß sein Herr, Jegor Iljitsch Rostanew, eines seiner Dörfer jenem Foma Fomitsch schenken will. Es interessiert mich das ganz außerordentlich, und ich...«

»Aber erlauben Sie, daß ich Sie meinerseits frage«, unterbrach mich der dicke Herr, »von welcher Art das Interesse ist, das Sie an dieser ›Persönlichkeit‹ nehmen, wie Sie sich ausdrückten; denn nach meiner Ansicht muß man ihn einen verdammten Schurken nennen und nicht eine Persönlichkeit! Was ist er denn für eine Persönlichkeit, dieser räudige Hund! Ein Lump ist er, aber keine Persönlichkeit!«

Ich setzte ihm auseinander, daß ich mich in betreff dieses Menschen einstweilen noch in Unkenntnis befände, daß aber Jegor Iljitsch Rostanew mein Onkel und ich selbst Sergej Alexandrowitsch Soundso sei.

»Also Sie sind dieser gelehrte Mann? Bester Herr, Sie werden ja dort mit der größten Ungeduld erwartet!« schrie der Dicke in maßloser Freude. »Ich komme ja jetzt eben von ihnen her, aus Stepantschikowo; vom Mittagstisch bin ich aufgestanden, gerade beim Pudding, und weggefahren: ich konnte mit diesem Foma nicht länger an einem Tische sitzen! Um dieses verfluchten Foma willen habe ich mich dort mit allen verzankt... Das ist einmal eine Begegnung! Nehmen Sie mir nichts übel, liebster Freund! Ich bin Stepan Alexejewitsch Bachtschejew und erinnere mich Ihrer noch, als Sie so klein waren« (er zeigte es mit der Hand)... »Na, wer hätte das gedacht?...Aber erlauben Sie, daß ich Sie...«

Und der Dicke machte sich daran, mich abzuküssen.

Nach den ersten Minuten der Aufregung nahm ich sofort meine Erkundigungen in Angriff; die Gelegenheit war doch gar zu günstig.

»Aber wer ist denn dieser Foma?« fragte ich. »Wie ist es denn zugegangen, daß er sich das ganze Haus untertänig gemacht hat? Warum jagt man ihn nicht mit der Peitsche fort? Ich muß gestehen...«

»Ihn fortjagen, ihn? Haben Sie den Verstand verloren? Jegor Iljitsch geht ja in seiner Nähe nur auf den Fußspitzen! Foma aber befahl einmal sogar, es solle statt Donnerstag Mittwoch sein, und so nannten sie denn dort sämtlich den Donnerstag Mittwoch. ›Ich will nicht, daß Donnerstag sei; es soll Mittwoch sein!‹ sagte er. Da hatten sie nun in einer Woche zwei Mittwoche. Glauben Sie, ich schwindle Ihnen was vor? Da, nicht soviel habe ich geschwindelt!« (Er zeigte es an seinem Finger.) »Es passieren dort tolle Geschichten, lieber Freund!«

»Das habe ich gehört; aber ich muß gestehen...«

» ›Ich muß gestehen, ich muß gestehen!‹ Das sagen Sie ja fortwährend! Was ist denn da zu gestehen? Fragen Sie mich doch lieber einfach und geradezu; Sie haben es ja doch mit einem schlichten, natürlichen Menschen zu tun. Die Mutter des Obersten ist zwar eine sehr würdige Dame und überdies Generalin; aber meiner Ansicht nach hat ihr Geist durch das Alter schon sehr gelitten; sie zittert ja ordentlich vor diesem dreimal verfluchten Foma. An allem ist sie schuld: sie ist es gewesen, die ihn ins Haus gebracht hat. Er hat sie so behext, daß sie ganz widerstandslos geworden ist, wenn sie auch Exzellenz genannt wird, weil sie als Fünfzigjährige mit aller Gewalt den General Krachotkin geheiratet hat! Von Jegor Iljitschs Schwester Praskowja Iljinitschna, dieser vierzigjährigen Jungfer, mag ich schon gar nicht reden. Immer ächzt und stöhnt sie und gackert wie ein Huhn; ganz zuwider ist sie mir geworden, hol sie dieser und jener! Das einzige, was an ihr zu respektieren ist, ist ihre Zügehörigkeit zum weiblichen Geschlecht! Aber pfui Deibel, es ist unanständig von mir, so zu reden, da sie ja Ihre Tante ist. Bloß Alexandra Jegorowna, die Tochter des Obersten, sie ist ja noch ein kleines Kind, erst fünfzehn Jahre alt, aber die ist meiner Ansicht nach klüger als sie alle zusammen, die hat vor Foma keinen Respekt; es war ordentlich amüsant, es mit anzusehen. Ein liebes Fräulein, das muß man sagen! Und wie kann ihn eigentlich auch jemand achten? Er, dieser Foma, hat ja bei dem verstorbenen General Krachotkin die Stellung eines Possenreißers bekleidet! Um den General zu amüsieren, hat er allerlei Tiere nachgemacht. Es ist, wie es in dem Verschen heißt: ›Früher hackt’ und grub Iwan, jetzt ist er ein Edelmanns‹ Und der Oberst, Ihr Onkel, verehrt den ehemaligen Possenreißer wie einen leiblichen Vater, macht einen Götzen aus dem Schurken und verbeugt sich tief vor seinem eigenen Schmarotzer – pfui Deibel!«

»Aber Armut ist noch kein, Laster... und... ich muß Ihnen gestehen... gestatten Sie die Frage: ist er denn schön oder klug?«

»Foma? Bildschön!« antwortete Bachtschejew, und seine Stimme zitterte nur so vor Ingrimm. Meine Fragen schienen ihn zu reizen, und er fing schon an, mich mißtrauisch anzusehen. »Bildschön! Hört nur, liebe Leute: etwas ganz Neues: Foma ist ein schöner Mensch! Nein, lieber Freund, mit allen Bestien hat er Ähnlichkeit, wenn Sie schon alles genau wissen wollen. Und wenn er noch klug wäre und wenigstens durch Klugheit die Oberherrschaft behauptete, der Halunke – na, dann würde ich allenfalls meinen Ärger unterdrücken und um seiner Klugheit willen nichts dagegen haben. Aber auch von Klugheit ist bei ihm nicht die Rede! Er muß ihnen geradezu einen Zaubertrank eingegeben haben, der Hexenmeister! Pfui Deibel! Die Zunge ist mir ganz müde geworden. Das Richtige ist: ausspucken und schweigen. Sie haben mich ganz aufgebracht durch Ihre Fragen, lieber Freund! Heda, ihr! Ist der Wagen fertig?«

»Der Rappe muß noch beschlagen werden«, bemerkte Grigori mürrisch.

»So! Ich werde dich lehren! Jetzt kommst du damit, daß der Rappe beschlagen werden muß!... Ja, mein Herr, ich kann Ihnen Dinge erzählen, daß Sie Mund und Nase aufsperren und in dieser Stellung bis zum Jüngsten Tag verharren werden. Ich habe ja früher selbst vor ihm Respekt gehabt; was sagen Sie dazu? Ich gestehe es, ich gestehe es offen: ich war ein Schafskopf! Auch mich hatte er betört. Ein Alleswisser! Alle Geheimnisse kennt er; alle Wissenschaften hat er studiert! Er hat mir Tropfen gegeben; denn ich bin ja ein kranker Mensch, lieber Freund, ich habe einen aufgedunsenen Körper. Sie glauben es vielleicht nicht; aber ich bin wirklich krank. Na, seine Tropfen haben mich damals an den Rand des Grabes gebracht. Schweigen Sie jetzt nur still und hören Sie mir zu; und wenn Sie hinkommen, werden Sie ja alles selbst sehen. Der Oberst wird um seinetwillen noch blutige Tränen weinen; aber dann wird es zu spät sein. Die ganze Umgegend hat ja schon den Verkehr mit ihnen wegen dieses dreimal verfluchten Foma abgebrochen. Denn jedem, der hinkommt, fügt er Beleidigungen zu. Von mir gar nicht zu reden; aber auch hochgestellte Personen verschont er nicht! Jedem hält er eine Strafpredigt; denn er hat sich jetzt auf die Moral geworfen, der Halunke. ›Ich bin ein Weiser‹, sagt er, ›ich bin klüger als ihr alle; hört auf niemanden als auf mich! Ich bin ein Gelehrter.‹ Aber was macht das, daß er ein Gelehrter ist? Braucht er denn deshalb, weil er ein Gelehrter ist, notwendig die Ungelehrten zu malträtieren?... Und wenn er mit seiner gelehrten Zunge zu plappern anfängt, dann geht das immer: Ta-ta-ta, ta-ta-ta! Das ist eine so geschwätzige Zunge, sage ich Ihnen: wenn man sie herausschneidet und auf den Mist wirft, so schwatzt sie noch immer weiter, bis die Krähen sie zerpicken. Er ist stolz und hochmütig geworden wie die Maus in der Grütze! Er versteigt sich da jetzt zu Dingen, die absolut unmöglich sind. Denken Sie sich: er ist auf den Einfall gekommen, das Gutsgesinde Französisch lernen zu lassen! Wenn Sie nicht wollen, brauchen Sie es nicht zu glauben! ›Das ist ihnen nützlich‹, sagt er. Einem Knechte, einem Diener! Pfui Deibel! Ein verdammter Schandkerl ist er, weiter nichts! Wozu braucht ein Leibeigener Französisch zu verstehen, frage ich Sie? Ja, wozu braucht auch unsereiner Französisch zu verstehen, wozu eigentlich? Um mit den jungen Damen bei der Mazurka Süßholz zu raspeln und fremden Frauen Liebenswürdigkeiten zu sagen? Ein Mittel zur Liederlichkeit ist es, weiter nichts! Meine Ansicht ist die: trink eine Flasche Schnaps, dann kannst du alle Sprachen sprechen. Das ist meine Hochachtung vor Ihrem Französisch! Sie plappern gewiß auch Französisch! ›Táta, táta, táta, táta, unsre Katz heirat’t den Kater!‹ « fügte Bachtschejew hinzu und sah mich verächtlich und entrüstet an. »Sie sind ein Gelehrter, lieber Freund – was? Haben sich auf die Gelehrsamkeit geschmissen?«