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Lasseur starrte auf den Inhalt seines Blechnapfes. »Mit diesem Fraß können selbst Franzosen nichts anfangen.« Mit dem Holzlöffel schob er eine Kartoffel herum. »Hier werde ich verhungern.«

»Und ich glaube, Sie werden nicht allein sterben«, sagte Hawkwood.

»Es könnte schlimmer sein«, meinte Fouchet missmutig. »Zum Beispiel, wenn heute Mittwoch wäre.«

»Was passiert mittwochs?«, fragte Lasseur zögernd und sofort misstrauisch geworden.

»Sagen Sie’s ihm, Millet.« Fouchet gab dem Mann neben sich einen Schubs, einem Seemann mit traurigen Augen und eingefallener Brust, dessen sommersprossige Unterarme mit tätowierten Seeschlangen bedeckt waren.

Der Seemann nahm einen Löffel voll Fisch und betrachtete ihn misstrauisch. »Dann gibt’s Salzhering.« Millet schaufelte das Stück Fisch in den Mund und kaute geräuschvoll. Er hatte nicht mehr viele Zähne, wie Hawkwood bemerkte. Die wenigen, die er noch hatte, waren nur noch graue Stummel. Hawkwood vermutete, dass es sich hier um einen Mann mit fortgeschrittenem Skorbut handelte. Kein Wunder bei der Verpflegung, wie die Männer sie beschrieben.

Entsetzt sah Lasseur den Mann an.

»Normalerweise verkaufen wir ihn an den Händler zurück.« Der Sprecher saß neben Millet am Ende des Tisches. Er war ein mageres Geschöpf mit tiefliegenden braunen Augen, einer Hakennase und sehr blasser Haut, wie man durch die Löcher in seiner Gefangenenkluft sehen konnte. »Der gibt uns zwei Sous dafür. In der nächsten Woche bringt er uns die Heringe wieder, so dass wir sie erneut an ihn verkaufen können. Die meisten von uns kaufen sich dann mit dem Geld Extrarationen Käse oder Butter. Das hilft, den Geschmack vom Brot etwas zu maskieren.«

Lasseur hob eine trockene Kruste auf. »Das soll Brot sein? Das Zeug würde gute Munition für Kanonen abgeben. Wenn wir das vor Trafalgar gehabt hätten, wäre die Schlacht anders ausgegangen.«

»Was glauben Sie denn, was die Briten dort benutzt haben?«, sagte Fouchet. Er nahm sein Stück Brot und schlug damit auf die Tischplatte. Es klang wie Hammerschläge auf Holz. Er zwinkerte dem Jungen zu, der bis dahin vergeblich versucht hatte, mit seinem Holzlöffel eine Kartoffel zu zerkleinern. »Gib her«, sagte Fouchet und löste das Problem, indem er den widerspenstigen Gegenstand mit seinem eigenen Löffel zerdrückte. Er gab den Napf zurück, der Junge lächelte nervös und aß weiter. Er war der Einzige am Tisch, der sich über das Essen nicht geäußert hatte.

»Gibt es denn jemals Fleisch?«, wollte Hawkwood wissen.

»Jeden Tag außer Mittwoch und Freitag«, sagte Millet ohne große Begeisterung. »Fragen Sie aber nicht, was es ist. Die Händler sagen, es ist Rindfleisch, aber wer weiß? Es könnte alles sein, von Schwein bis Stachelschwein.«

Fouchet schüttelte den Kopf. »Stachelschwein ist es nicht. Das habe ich mal gegessen; hat ganz gut geschmeckt.«

Lasseur lachte. »Wie lange sind Sie schon hier, mein Freund?«

Fouchet runzelte die Stirn. »Welches Jahr haben wir jetzt?«

Lasseur blieb der Mund offen stehen.

»Ich mache nur Spaß«, sagte Fouchet. Er strich sich über den Bart und fügte hinzu: »Drei Jahre hier. Davor war ich auf der Suffolk, vor Portsmouth.« Er deutete mit dem Finger auf den großen Gefangenen mit der Hakennase. »Charbonneau ist am längsten hier. Wie lange ist es jetzt, Philippe?«

Charbonneau spitzte die Lippen. »Im nächsten September sieben Jahre.«

Sieben Jahre, dachte Hawkwood. Am Tisch wurde es still, als die Männer über die Länge von Charbonneaus Gefangenschaft nachdachten, samt allem, was das bedeutete.

»Ist hier jemals einer geflüchtet?«, fragte Hawkwood wie nebenbei. Dabei wechselte er einen Blick mit Lasseur.

»Geflüchtet?« Fouchet schien über die Frage nachzudenken, als habe sie noch nie jemand gestellt. Schließlich zuckte er die Schultern. »Ein paar. Die meisten kommen nicht sehr weit. Sie werden zurückgebracht und bestraft.«

»Wie werden sie bestraft?«, wollte Hawkwood wissen.

»Sie kommen ins Loch«, sagte Millet, wobei er eine Gräte zwischen seinen Zähnen herauszog und sie hinter sich warf.

Hawkwood schob ein Stück Dorsch in seinem Napf an die Seite. »Ins Loch?«

»Ins schwarze Loch.« Millets Ton gab zu verstehen, dass er damit nur ein Loch gemeint haben konnte und dass Hawkwood es eigentlich wissen müsste.

Fouchet legte den Löffel hin. »Es ist eine besondere Strafzelle, verglichen mir der ist das Geschützdeck ein Garten von Versailles.«

Lasseur, der auf der anderen Seite des Tisches saß, dachte über diese Beschreibung nach. Er sah Fouchet aufmerksam an und sagte: »Und was ist mit denen, die abgehauen sind, wie haben die es geschafft?«

Fouchet zuckte die Schultern. »Da müssen Sie sie schon suchen und selbst fragen.«

»Sie wissen es nicht?«, sagte Lasseur.

»Manchmal ist es besser, nicht zu viele Fragen zu stellen.«

»Haben Sie niemals daran gedacht?«

Der Lehrer schüttelte den Kopf. »Das ist etwas für junge Leute. Ich habe nicht mehr die Energie. Außerdem wird der Krieg nicht ewig dauern.«

»Der Herr liebt Optimisten«, murmelte Charbonneau, wobei er sich heftig im Schritt kratzte.

Lasseur schob seinen Napf beiseite. »Ich muss Sie das fragen, Sébastien: wie, im Namen aller Heiligen, landet jemand wie Sie an einem Ort wie diesem?«

Fouchets Lächeln war fast traurig. »Ah, wenn Sie wüssten, wie oft ich mich das schon selbst gefragt habe.«

»Essen sie das noch?«, schniefte Millet und deutete auf die Reste von Lasseurs Fisch.

Lasseur sah ihn an, als wollte er sagen, Was denkst du denn? Dann sah er fasziniert zu, wie der Seemann herüberlangte und sich mit dreckigen Fingern aus dem Napf bediente.

»Ich habe mich einer Indiskretion schuldig gemacht«, sagte Fouchet. »Ich war Professor für Mathematik an der Universität von Toulouse und hatte ein Verhältnis mit der Frau eines Kollegen. Leider wollte er sich mit der Rolle des Gehörnten nicht abfinden und forderte mich. Zu seinem Unglück war ich der bessere Schütze. Seine Freunde nahmen das ziemlich persönlich. Sie hatten Einfluss, ich nicht. Ich verlor meine Stellung, zusammen mit dem, was von meinem guten Ruf noch übrig war. Als ich mich um andere Lehraufträge bemühte, schlug man mir die Türen vor der Nase zu. Ich suchte Trost in der Weinrebe; ein Heilmittel, das beruflich nicht gerade hilfreich ist. Das wäre das Ende der Geschichte gewesen, wenn nicht ein Wunder geschehen wäre.«

»Was war das?«

Ein klägliches Lächeln erschien auf Fouchets Gesicht. »Ich wurde eingezogen.«

Das Grinsen breitete sich über alle Gesichter am Tisch aus, bis Millet zu lachen anfing und dabei vergaß, dass er immer noch mit Lasseurs übrig gelassenem Dorsch beschäftigt war. Er lief dunkelrot an. Charbonneau schlug ihm mit der flachen Hand zwischen die Schulterblätter, bis er wieder gerade saß und die anderen am Tisch sich beruhigt hatten und sich daran erinnerten, wo sie waren.

Hawkwood wusste, dass es sich bei Fouchets Schicksal nicht um einen Einzelfall handelte. Die Schule, die dieser hier auf dem Schiff gegründet hatte, aber auch das handwerkliche Geschick, das ihm bei vielen der Häftlinge auf dem Geschützdeck aufgefallen war, waren der beste Beweis dafür. Hier lag einer der Hauptunterschiede zwischen der britischen und der französischen Armee. Während die Truppen Großbritanniens aus Freiwilligen bestanden - unter denen viele Verbrecher oder Obdachlose waren, die sich meldeten, um kostenloses Essen und ein Dach über dem Kopf zu haben -, fand man in den Truppen von Bonaparte Männer aus allen Schichten der Bevölkerung. Es war durchaus möglich, dass es an Bord der Rapacious genauso viele Handwerker und Lehrer gab wie in jeder kleinen Stadt hier im Mündungsgebiet der Medway.