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»Wir könnten die Dunkelheit ausnutzen«, sagte Lasseur. »Dann könnte man ein Boot stehlen.«

Wieder schüttelte Murat den Kopf. »Die Boote werden Abends hochgewinscht. Die hängen mindestens zehn Fuß überm Wasser. Eines bleibt unten, aber das ist mit einer Kette am Floß festgemacht und immer bewacht.«

»Verdammt.« Lasseur biss sich auf die Lippe.

Hawkwood wandte sich an Murat. »Wie sind die anderen fortgekommen?«

»Die anderen?« Es klang argwöhnisch.

»Es hat doch andere gegeben, oder?« Lasseur ließ nicht locker.

Man sah deutlich, dass Murat zögerte. Das Gesicht des Dolmetschers nahm einen listigen Ausdruck an. »Wie ich schon sagte, Captain, Sie sind erst eine kurze Zeit hier. Sie erwarten doch nicht, dass Sie so schnell hinter unsere kleinen Geheimnisse kommen.«

Also gibt es Geheimnisse, dachte Hawkwood.

Lasseurs Augenbrauen schossen in die Höhe. »Aber Leutnant, man könnte ja fast denken, Sie vertrauen uns nicht.«

Der Dolmetscher spreizte die Hände. »Also, zunächst ist da mal die Sache mit dem Topf. Da haben Sie noch nichts hineingetan.«

»Topf?« Lasseur sah Hawkwood an, als erwartete er die Erklärung von ihm. »Was für ein Topf? Wovon zum Teufel redet er?«

»Hat Ihr Freund Fouchet Ihnen das nicht erzählt?«, sagte Murat mit einem angedeuteten Lächeln.

»Was soll er uns erzählt haben?« Hawkwood lehnte sich zurück.

»Von unseren Essensrationen wird ein Beitrag einbehalten. Das ist für die Gefangenen, die im Strafvollzug sind. Wenn jemand gegen die Regeln verstößt oder am Schiff etwas beschädigt, wird ihre Ration auf zwei Drittel gekürzt. Das Essen, das wir uns absparen, hilft denen dann.«

»Sehr großzügig«, sage Lasseur. »Und vielleicht wird ein wenig davon auch für Flüchtende auf die Seite geschafft? Hab ich Recht?«

Wieder zögerte Murat.

»Aber, aber, Leutnant, Sie sind ja ein ganz Gerissener!« Lasseur grinste.

Der Dolmetscher wurde rot.

»Also gut«, sagte Hawkwood. »Jetzt hören wir mal auf, um den heißen Brei herumzureden. Was würde es kosten?«

Murat zwinkerte nervös. »Wie meinen Sie das?«

»Versuchen Sie nicht, uns für dumm zu verkaufen, Leutnant.«

»Denken Sie lieber an Ihre Kommission.« Lasseur zog suggestiv eine Augenbraue hoch.

»Und daran, wie großzügig wir vielleicht sein könnten«, fügte Hawkwood hinzu.

Die Augen des Dolmetschers fingen an zu leuchten.

»Nun?«, sagte Hawkwood ermunternd, als er den gierigen Blick bemerkt hatte.

Murat sah sie lange an. Endlich seufzte er. »Wenn man das organisieren könnte - und damit sage ich noch nicht, dass man es könnte -, dann wäre es nicht billig. Es entstehen Kosten, wie Sie sich vorstellen können.«

Lasseur tätschelte das Knie des Dolmetschers. »Guter Junge.« Er wandte sich an Hawkwood und kniff ein Auge zu. »Hab ich’s nicht gesagt, dass Leutnant Murat unser Mann ist?«

Murat schien unter der Berührung zusammenzuzucken, fing sich jedoch schnell wieder.

Hawkwood beugte sich vor. »In Ordnung, also wie viel?«

Der Dolmetscher zögerte abermals. Hawkwood war überzeugt, er tat es nur, um einen besseren Effekt zu erzielen.

»Nur so als Beispiel«, sagte Hawkwood.

»Als Beispiel?«

»Na ja, wir drei unterhalten uns ja nur, mehr ist es doch nicht.«

Murat sah um sich. Dann sagte er leise: »Ich gehe davon aus, dass Sie keine Schiffspassage bis Amerika brauchen?«

»Bringen Sie mich bis Frankreich, alles andere können Sie mir überlassen.«

Murat lehnte sich zurück. »Also gut; viertausend Francs oder zweihundert englische Pfund, wenn Ihnen das lieber ist.«

Hawkwood atmete tief durch.

»Für jeden«, schloss Murat.

»Um Gottes willen!« Hawkwood setzte sich auf. »Wir wollen doch nicht das ganze verdammte Schiff kaufen! Wir wollen bloß von ihm runter. Das Höchstangebot für meine Stiefel war nur zwanzig Francs. Ehe wir so viel verdient haben, sind wir ja an Altersschwäche oder am Schlagfluss gestorben. Sind Sie verrückt?«

»Im Preis enthalten sind Transport, Unterkunft und die sichere Überfahrt nach Frankreich.«

»Für den Preis«, sagte Hawkwood, »erwarte ich, dass mich der Kaiser in einem goldenen Vergnügungsboot abholt und mich persönlich an Land trägt, wenn wir angekommen sind!«

Lasseur lachte leise. Dann wurde sein Gesicht ernst.

»Wie zum Teufel erwarten Sie, dass wir an so viel Geld kommen?«, fragte Hawkwood.

Der Dolmetscher schüttelte den Kopf. »Ein Mittelsmann nimmt Kontakt mit Ihren Familien auf. Die leiten die Bezahlung in die Wege. Wenn der volle Preis gezahlt ist, werden die Vorbereitungen für Ihre Abreise getroffen.«

»Und wie kommen wir vom Schiff runter?«

Murat lächelte. »Also kommen Sie, meine Herren; ich denke, Sie verstehen, dass wir das mit äußerster Diskretion behandeln müssen. Je weniger Sie zum jetzigen Zeitpunkt wissen, desto sicherer ist es für uns alle. Ich würde auch dringend darum bitten, dass dieses Gespräch unter uns bleibt.«

»Wollen Sie damit andeuten, dass die Wände hier Ohren haben?«, fragte Lasseur.

Murat verzog das Gesicht. »Es wäre nichts Ungewöhnliches, dass die Briten uns Spione schickten; aber nein, leider hat es auch Fälle gegeben, bei denen der Verrat aus den eigenen Reihen kam.«

»Es gibt Verräter unter uns?«

»Nicht unbedingt. Sie vergessen, wir sind hier nicht die einzige Nationalität. Captain Hooper ist ja ein Beweis dafür. Wir haben hier Dänen, Italiener, Schweden, Norweger … was Sie wollen. Frankreich hat viele Verbündete. Und es gibt immer welche, die jede Chance nutzen, um Mitgefangene zu verraten, wenn damit ihr eigenes Schicksal erträglicher wird.«

Und ich habe wenigstens eine Tatsache erfahren, dachte Hawkwood. Wenn es eine organisierte Fluchtroute gibt, dann steht sie nur den Wohlhabenden offen. Er fragte sich, wie gut gefüllt die Truhen von Bow Street waren und wie die Reaktion von James Read sein würde, wenn Ludd ihm die geforderte Summe nannte: vier Jahresgehälter für einen Runner.

Hawkwood spürte Lasseurs Hand auf seinem Arm.

Er merkte, dass der Privateer sein Nachdenken für Zweifel gehalten hatte, denn Lasseur sagte: »Sie fragen sich, wie Sie das Geld aufbringen würden?«

»Es ist nicht das Geld«, sagte Hawkwood, der langsam wieder zu sich kam. »Es ist die Zahlungsmodalität.«

Das könnte interessant werden, dachte Hawkwood, es sei denn, Ludd fiele bei ihrer Zusammenkunft eine praktische Lösung ein.

Doch Lasseur klopfte ihm beruhigend auf die Schulter und überraschte ihn, indem er sagte: »Machen Sie sich keine Sorgen, mein Freund.« Der Privateer wandte sich an Murat. »Ich werde die Gebühren für Captain Hooper übernehmen.«

Einen Augenblick wirkte Murat verblüfft, dann zuckte er fast nachlässig die Schultern. »In Ordnung.«

»Wie lange wird es dauern, bis wir etwas hören?«, fragte Lasseur.

»Das kann ich nicht sagen. Ich brauche den Namen der Person, an die sich der Mittelsmann wenden soll, und ein Schreiben, aus dem hervorgeht, dass er in Ihrem Auftrag handelt. Sie werden informiert, sobald wir Nachricht haben, dass die Summe bezahlt ist.« Murat sah sie an. »Akzeptieren Sie diese Bedingungen?«