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Lasseur trat vor und ergriff Hawkwoods Arm. Er sprach leise und eindringlich. »Dies ist nicht Ihre Auseinandersetzung.«

Hawkwood sah den Kreis grinsender Männer um sich, er sah das hämische Lächeln des Kahlköpfigen und das verängstigte, tränenverschmierte Gesicht des Jungen.

»Doch, jetzt ist sie es«, sagte er.

»Aber es ist meine Schuld, dass wir hier sind. Ich sollte kämpfen, nicht Sie!«

»Es ist ja kein Kampf«, sagte Hawkwood. »Es ist ein Gottesurteil.«

»Ich verbiete es Ihnen!«, zischte Lasseur. Er umklammerte Hawkwoods Arm noch fester.

»Sie können es mir nicht verbieten«, sagte Hawkwood ruhig. »Haben Sie nicht gehört? Es ist nicht Ihr Deck. Außerdem muss ich es machen. Wenn Sie gegen Mattisses Mann verlieren, hätte der Junge niemanden, der sich für ihn einsetzt. Ich bin kein Vater. Ich habe nicht dieselbe Bindung an ihn wie Sie. Wenn mir etwas passiert, sind Sie immer noch da.«

»Und trotzdem wollen Sie um ihn kämpfen?«

»Es ist kein Kampf«, sagte Hawkwood, »es ist ein …«

»Ja, ich weiß schon«, unterbrach Lasseur müde. Widerstrebend ließ er Hawkwoods Arm los. »Nun, wenigstens sind Sie ehrlich, mein Freund, das kann man nicht abstreiten. Aber auch ein bisschen verrückt, finde ich.«

»Und außerdem praktisch«, sagte Hawkwood leise. »Sie finanzieren meine Flucht von diesem verfluchten Schiff. Ich will nicht, dass Ihnen etwas passiert. Wenn ich verliere, macht das nicht viel aus, denn es ist gut möglich, dass Sie es trotzdem schaffen.«

Lasseur öffnete den Mund und schloss ihn schnell wieder.

»Wenn Sie soweit sind, Captain«, rief Matisse spöttisch.

Hawkwood starrte Lasseur an. »Daran hatten Sie nicht mehr gedacht, nicht wahr? Daran, was aus dem Jungen würde, wenn Sie erst weg sind?«

Lasseur sah plötzlich schuldbewusst aus.

»Du lieber Gott!«, sagte Hawkwood. »Jetzt sagen Sie mir nicht, dass Sie vorhatten, ihn mitzunehmen. Sie wissen, das wäre unmöglich!«

»Ich werde mir etwas ausdenken«, sagte Lasseur, obwohl sein Gesicht alles andere als zuversichtlich war.

Hawkwood sah die Zweifel im Gesicht des Privateers. Ihre Lage hatte sich innerhalb kürzester Zeit dramatisch verschlechtert, und ihnen blieb nicht mehr viel Zeit. Er suchte verzweifelt nach einem Ausweg. Soweit er es beurteilen konnte, gab es keinen, wenn er seine Rolle weiter spielen und seinen Auftrag ausführen wollte. Er sah Matisse an und seufzte.

»In Ordnung, wo sollen wir es machen?«

»Ausgezeichnet! Gesprochen wie ein wahrer Offizier und Gentleman.« Matisse deutete aufs Deck. »Dort unten.«

Endlich ein Lidschlag der rosa Augen. Dann richteten sie sich auf den wartenden Dupin.

»Bringen Sie den Jungen mit.«

8

Die Luke war im Fußboden des Munitionslagers.

Auf ein Signal des Korsen hin bückten sich die Männer und fingen an, Bretter zu entfernen. Sie arbeiteten schnell und schweigend, indem sie die Bretter an das Schott lehnten. Es war offensichtlich eine Arbeit, die sie schon oft gemacht hatten.

»Früher gab es hier eine Luke«, sagte Matisse im Plauderton. »Sie wurde verschlossen, als das Schiff zum Gefängnis umgerüstet wurde, aber wir haben sie gefunden und wieder geöffnet. Die alten Pulvermagazine sind direkt unter uns. Die Luke wurde benutzt, um während der Schlacht Kisten mit Munition auf die Geschützdecks zu bringen. Wir wussten, dass sie hier sein musste. Diese Schiffe sind gebaut wie unsere Siebziger, es ist kein sehr großer Unterschied. Wir kennen dieses Schiff hier in- und auswendig und bei Dunkelheit gehört es uns. Eigentlich brauchten wir niemals Licht, denn wir finden uns auch im Dunkeln überall zurecht. Manche von uns haben sowieso keine Wahl.«

Das letzte Brett wurde zur Seite gelegt. Eine steile Treppe kam zum Vorschein. Matisses Männer gingen mit Laternen voran. Die meisten von ihnen hatten auch ihre flach gehämmerten Fassreifen mitgebracht. Hawkwood wusste, dass das eine absichtliche Machtdemonstration war, die ihn und Lasseur einschüchtern sollte. Sie sollten wissen, es gab kein Entrinnen. Sie wurden weder gefesselt noch von jemandem festgehalten, aber Matisse ließ sie auf diese Art und Weise wissen, dass sie sich in seiner Macht befanden. Gefangene innerhalb eines Gefängnisses. Als Hawkwood in den Laderaum trat, kam es ihm nach der Enge des Decks vor, als befinde er sich in einer Kathedrale. Zum ersten Mal seit er das Oberdeck verlassen hatte konnte er aufrecht stehen. Es war ein wunderbares Gefühl. Sie waren tief im Schiffsrumpf. Dicke hölzerne Spanten bogen sich zu beiden Seiten hoch nach oben. Der Kies, der hier als Ballast lag, knirschte unter ihren Sohlen. Matisse bahnte sich seinen Weg zwischen den Balken hindurch wie eine Spinne zwischen den Fäden ihres Netzes.

Vorratsfässer, einschließlich der Wassertonnen, standen im Kies aufgestapelt; die größeren, die mehr Gewicht aushielten, zuunterst. Man hatte Keile daruntergeschoben, damit sie gerade standen.

In diesem Laderaum herrschte ein Durcheinander von starken Gerüchen: von Flüssigkeiten, die aus den Fässern ausgetreten waren, von brackigem Wasser und verdorbenen Nahrungsmitteln, vermischt mit dem Geruch von Tauen und Teer. Es gab noch andere starke Duftnoten, aber der Hauch von Essig und Schwefel, ein Überbleibsel vom letzten Mal, als der Laderaum ausgeräuchert worden war, konnte gegen den Rattengestank nicht viel ausrichten. Bei dem reich gedeckten Tisch, den sie hier vorfanden, hatten sich die Nager stark vermehrt und alle Furcht verloren. Der aufgewirbelte Staub aus ihrem Kot lag in der Luft wie die Sporen einer Pusteblume und drang einem in die Kehle, und bei jeder Bewegung nahm man aus dem Augenwinkel das kurze Aufleuchten eines glatten, seidigen Fells wahr, wenn die Tiere sich vor dem Lichtschein der näher kommenden Laternen davonmachten.

»Oben sind die Ladeluken dicht«, sagte Matisse. »Die nächsten Lieferungen kommen erst morgen früh. Wir sind ganz unter uns.«

Auf sein Signal hin wurden die Laternen an die Balken gehängt. Als das Kerzenlicht heller wurde, griff Matisse in eine Innentasche und zog eine Brille hervor. Sorgfältig setzte er sie auf und machte viel Aufhebens darum, die Bügel hinter den Ohren zu sichern. Sofort war sein Gesicht wie verwandelt, denn die Gläser waren rund und dunkel und passten in der Größe genau in seine Augenhöhlen. Wenn man das blasse Gesicht von vorn sah, hatte es jetzt eine unheimliche und furchterregende Ähnlichkeit mit einem Totenschädel.

»Wenn Sie soweit sind, Dupin!«, sagte Matisse. Er sah Hawkwood an. »Ich muss mich entschuldigen, Captain, aber wir sind mit Pistolen und Degen etwas knapp dran. Wir mussten uns selbst helfen, wie Sie gleich sehen werden.«

Lasseur runzelte die Stirn.

Hawkwood sah auf die flach geklopften Fassreifen der Männer. Ein unbehagliches Gefühl ergriff ihn.

Dupin trat in den Ring.

»Auffangen«, sagte er.

Hawkwood hatte kaum Zeit zu reagieren. Erst beim Auffangen sah er, was es war. Es sah aus wie einer der Stöcke, die neulich beim Fechtunterricht benutzt worden waren, jedoch mit einem Zusatz: das Ende des Stocks war durch ein offenes Rasiermesser verlängert, das mit Schnur dort befestigt war.

»Was soll das denn sein?«, wollte Lasseur wissen.

Matisse legte den Kopf schräg. Die Brillengläser wirkten in seinem Gesicht wie schwarze Löcher. »Was hatten Sie sich denn unter einem ›Gottesurteil‹ vorgestellt, Captain? Einen Boxkampf?«

»Das britische Gesetz verbietet Duelle«, sagte Hawkwood. »Selbst auf Gefängnisschiffen.«

»Das britische Gesetz spielt hier keine Rolle, Captain. Wir haben unsere eigenen Gesetze - Matisses Gesetze.«

Hawkwood sah seine Waffe an. Sie war bemerkenswert leicht und fast so biegsam wie ein Florett. Die sechs Zoll lange Klinge blitzte im Laternenschein.

Matisse grinste. »Etwas primitiv vielleicht, aber in den richtigen Händen kann es sehr wirksam sein. Die Idee ist von Korporal Sarazin dort drüben. Als er auf Cabrera gefangen war, wurden dort Auseinandersetzungen damit entschieden.«