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Er dachte noch immer darüber nach, als es vor seinen Augen dunkel wurde.

9

Hawkwood versuchte sich zu bewegen, aber er merkte, dass das ein Fehler war. Es war für ihn kein Problem gewesen, die Augen zu öffnen. Nein, das war die leichtere Übung, die kein weiteres Können erforderte: eine kurze Bewegung der Augenlider und schwupp - schon war er wieder unter den Lebenden. Doch als er versuchte, sich auf den Ellbogen zu stützen, um sich umzusehen, wo er war, fühlte es sich an, als bekäme er abermals Schläge auf Hinterkopf und Schultern, nur noch viel heftiger.

Er ließ sich wieder zurücksinken, schloss die Augen und wartete darauf, dass das schmerzhafte Pochen in seinem Kopf aufhörte. Sekunden vergingen, oder waren es Stunden? Hawkwood hatte nichts dagegen, abzuwarten, es eilte ihm gar nicht, den Versuch zu wiederholen, um sicher zu sein, dass er die Nebenwirkungen auch ertragen konnte.

Allmählich war das Pochen einem dumpfen Schmerz gewichen. Er holte tief Luft und versuchte es nochmals, etwas vorsichtiger.

Diesmal ging es schon besser, aber trotzdem war es schmerzhaft. Sein Kopf fühlte sich noch immer an, als bohrte jemand einen glühenden Schürhaken hinein, und als er sich schließlich im Raum umsah, fragte er sich, ob das die Anstrengung wert sei.

Wie gewöhnlich war es nicht sehr hell. Von der Decke hingen zwei Laternen, und am anderen Ende der Kajüte war eine vergitterte Öffnung, durch die Licht hereinfiel. Es war hell genug, um zu erkennen, dass draußen noch Tageslicht herrschte, obwohl es wohl bald dämmern würde. Er sah auch, dass er sich in einem Teil des Schiffes befand, den er noch nicht kannte. Er lag auf einer Pritsche, um ihn herum standen weitere Pritschen. Soweit er sehen konnte, waren die meisten belegt. Es war zu dunkel, um zu erkennen, wer darauf lag, aber bei dem Schniefen, Husten, Keuchen und Würgen um ihn herum war es nicht schwer zu erraten.

Sein Verdacht wurde auch durch den Essiggeruch bestätigt.

Er hob den Kopf, doch schon diese kleine Bewegung genügte, um einen erneuten scharfen Schmerz auszulösen. Man hatte sein Hemd entfernt und seine Verletzungen verbunden. Der Verbandmull war mit dunklen Blutflecken bedeckt. Er war bis zur Taille mit einem nicht sehr sauberen Laken zugedeckt. Er nahm eine Bewegung wahr und sah gerade noch, wie sich drei Kakerlaken mit glänzenden Flügeldecken über den Rand seiner Pritsche aus dem Staub machten.

Sein Blick wanderte weiter, über das Fußende hinaus. Er sah eine offene Luke, die in eine kleinere und genauso schlecht beleuchtete Kajüte nebenan führte. Er sah das Ende eines Tisches und einen Stuhl, über den ein Jackenärmel hing. An der Wand standen Schränke und Regale, auf denen eine eindrucksvolle Sammlung von verkorkten, etikettierten Flaschen in verschiedenen Farben stand. Einige waren so groß wie Ginflaschen, andere sahen aus, als hätten sie früher Parfüm enthalten. Auf dem Tisch standen weitere Flaschen, daneben ein Mörser mit Stößel sowie Schreibzeug.

Aus den Geräuschen, die er ringsum vernahm, sowie dem Essiggeruch und den Gegenständen erriet Hawkwood, wo er war. Er wusste, dass man mit dem Essig das Deck schrubbte in dem vergeblichen Bemühen, den Geruch von Erbrochenem, von Urin und anderen Exkrementen zu überdecken, die die Männer um ihn herum verursachten. Er war im Krankenrevier.

»Willkommen zurück.«

Der Gruß kam von der Pritsche nebenan, die im Halbdunkel stand. Hawkwood drehte den Kopf, vorsichtig und ganz langsam.

Lasseur hatte Platzwunden und Blutergüsse im Gesicht, seine linke Schulter war verbunden. Er betrachtete Hawkwoods Verbände und sagte lakonisch: »Sieht aus, als würden wir beide weiterkämpfen, mein Freund. Wie geht es Ihnen?«

»Beschissen«, sagte Hawkwood wahrheitsgemäß, wobei er merkte, dass das Reden nicht viel weniger schmerzhaft war als der Versuch, sich aufzusetzen.

»Mir auch, aber ich habe gehört, das sei besser, als tot zu sein.« Lasseurs Gesicht sah allerdings aus, als sei er im Moment von diesen Worten nicht so recht überzeugt.

»Mir war, als hätte ich Fouchet gesehen«, sagte Hawkwood. »Oder habe ich mir das eingebildet?«

Der Kapitän antwortete nicht gleich. Er sah immer noch nachdenklich aus. Hawkwood ahnte, dass der Tod des Jungen ihn beschäftigte, und die Katastrophe, die darauf gefolgt war. Endlich nickte Lasseur. »Unser Freund hatte ein schlechtes Gewissen. Er hatte die Wachen alarmiert.«

»Ich dachte, die kämen nicht gern unter Deck.«

»Tun sie auch nicht. Sébastien musste alle Überredungskunst aufwenden.«

»Sie haben Dupin umgebracht«, sagte Hawkwood.

»Ja, sie haben ihn erschossen - das war Ihr Glück. Aber wenn Sie mich fragen, ich glaube, dass der, der geschossen hat, vielleicht nur auf eine passende Gelegenheit gewartet hatte.«

»Waren da noch andere?«

»Sie meinen, außer Lucien und dem Türken und diesem korsischen Miststück?« Lasseur verzog den Mund und deutete mit dem Kopf auf jemanden, der hinter Hawkwood stand. »Fragen Sie ihn. Er kennt den Endstand.«

Hawkwood überlegte, ob er den Kopf drehen sollte oder nicht, schließlich sah er schräg nach oben. Der Mann, der neben seinem Bett stand, war jung, er hatte einen dunklen Teint und sanfte braune Augen. Seine Zivilkleidung war stark abgetragen. Er hatte eine stark verschmutzte, einstmals weiße Schürze umgebunden und die Ärmel bis zum Ellbogen aufgekrempelt. Er sprach Englisch.

»Wie ich sehe, sind Sie wach, Captain Hooper.« Um die braunen Augen erschienen Lachfältchen. »Wir kennen uns noch nicht. Mein Name ist Girard.«

»Der Schiffsarzt?«, fragte Hawkwood.

Als Antwort schüttelte Girard energisch den Kopf und lächelte bescheiden. »Nein, jedenfalls nicht offiziell. Diese Position hat Dr. Pellow inne. Leider verlangen Dr. Pellows andere Pflichten, dass er überwiegend an Land ist, deshalb kann er uns hier nur in unregelmäßigen Abständen besuchen. In seiner Abwesenheit habe ich die Ehre, ihn im Krankenrevier zu vertreten.«

Nach allem, was er gesehen hatte, zweifelte Hawkwood an dieser sogenannten Ehre.

»Was er damit sagen will, ist, dass dieser Hundesohn eine einträgliche Privatpraxis hat«, sagte Lasseur verächtlich. »Natürlich interessiert ihn das Geld, das er mit seinen reichen englischen Lords und Ladies verdienen kann, mehr als wir hier.«

Der Arzt ignorierte Lasseur und hob vorsichtig den Rand des Verbandstoffes auf Hawkwoods linker Seite und sah nach der Wunde darunter. »Ich würde empfehlen, dass Sie sich so wenig wie möglich bewegen, damit die Naht nicht wieder aufgeht.«

Hawkwood hielt dies für einen Scherz des jungen Mediziners.

Doch der schnalzte leise mit der Zunge. »Sie hatten großes Glück, Captain. Ihre Verletzung wird gut heilen, vorausgesetzt Sie halten sie sauber, was hier nicht ganz einfach sein dürfte, aber Sie sollten es wirklich versuchen. Die Narben werden gut zu Ihrer restlichen Sammlung passen, und ich muss zugeben, die ist beachtlich.« Die braunen Augen wanderten über Hawkwoods Brust, und er kniff sie etwas zu, als sie den schwach bläulichen Ring um seinen Hals bemerkten.

»Keine Sorge«, sagte Lasseur im Bühnenflüstern. »Er sieht zwar aus, als ob er beim Rasieren immer noch übt, aber er weiß schon, was er macht. Sagt er wenigstens.«

Girard grinste wehmütig. »Ich war Assistenzarzt in der Garnison von Procida, ehe ich in Gefangenschaft geriet. Die Briten meinten, ich sollte mich besser hier nützlich machen, anstatt auf dem Geschützdeck Knochen zu schnitzen.«

»Das ist unser Glück«, sagte Lasseur, »wenn die ihren eigenen Mann nicht mal zu ein paar Hausbesuchen überreden können.«

Der Arzt schüttelte den Kopf. »Im Gegenteil, Dr. Pellows letzte Visite war erst vor ein paar Tagen. Ich glaube, Sie hatten ihn gerade verpasst. Nein, Moment mal - es muss an dem Tag gewesen sein, an dem Sie angekommen sind. Vielleicht hatten Sie sogar Gelegenheit, ein Beispiel seiner Krankenbehandlung zu erleben.« Die Stimme des Arztes klang hart.