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Allmählich ebbte das Husten ab, denn die meisten der Patienten waren einfach zu erschöpft. Hawkwood sah den

Arzt Girard. Er beugte sich über die Pritschen und untersuchte die Kranken. Sein Gesicht war ernst. Dreimal sah Hawkwood, wie der Arzt den Finger an den Hals des Patienten legte und dann müde den Kopf schüttelte. Die Laken wurden hochgezogen, um die Gesichter der Toten zu bedecken. In dem trüben Licht sah das Gesicht des Arztes aschfahl aus. Wenn der Tod bestätigt worden war, wickelten die Krankenwärter die Leiche in das Laken, bis sie einem großen Kokon ähnelten. Auf ein Nicken des Arztes hin wurde jeder eingewickelte Tote von der Pritsche gehoben und ohne größere Umstände in einen Nebenraum am Ende des Krankenreviers gezerrt. Mit etwas Mühe konnte Hawkwood einen Blick durch die Luke erhaschen. In dem Nebenraum lagen mindestens zehn eingewickelte Bündel nebeneinander auf dem Boden. Er vermutete, dass die Leichen von Matisse und dem Jungen sowie von den anderen, die im Laderaum getötet worden waren, auch darunter waren.

Die meisten der Laken, in die die Toten gewickelt waren, hatten dunkle Flecken. In der Dunkelheit war es schwer, ihre Farbe zu erkennen. Sie waren schwarz, wie Teer. Hawkwood wusste jedoch, dass es kein Teer war, es war Blut, das die Patienten herausgewürgt hatten.

»Vielleicht sterben wir ja am Fieber, ehe wir verlegt werden«, sagte Lasseur niedergeschlagen, als er über Hawkwoods Schulter spähte.

»Wenn ich die Wahl hätte«, sagte Hawkwood und starrte auf die dreckigen, blutigen Laken, »würde ich mich für die Samson entscheiden.«

»Weil Sie meinen, solange es Leben gibt, gibt es Hoffnung?«, sagte Lasseur. Der Privateer konnte den Zynismus in seiner Stimme nicht verbergen.

Für mich vielleicht, dachte Hawkwood. Ich habe wenigstens eine Rettungsleine, einen Ausweg.

Auf Lasseur wartete lediglich eine weitere Bootsfahrt und eine ungewisse Zukunft in einer neuen schwimmenden Hölle. Hawkwood wunderte sich selbst, wie sehr Lasseurs Schicksal ihm zu schaffen machte.

Er sah hinüber zu den Krankenwärtern, die den Boden um die leeren Pritschen schrubbten. Ein bekannter Geruch breitete sich im Raum aus.

»Das nennt man Hämoptyse.«

Der Arzt stand am Fußende von Hawkwoods Pritsche. Er wischte sich die Hände an einem nassen Lappen ab, der stark nach Essig roch. Sein Haar hing ihm feucht in die Stirn. Er sah müde und abgespannt aus.

»Die meisten hier leiden darunter. Es wird durch den Blutandrang in der Lunge verursacht, der bei Schwindsucht und Fieber und einem Dutzend weiterer Krankheiten entsteht. Ich habe versucht, Dr. Pellow zu überreden, einige der Schwerkranken auf die Sussex bringen zu lassen, aber er meinte, dort sei kein Platz. Auf der Werft gibt es auch kein Krankenhaus, also müssen wir hier tun, was wir können. Wie Sie sehen, sind wir räumlich ohnehin sehr beschränkt. Morgen früh werden die armen Teufel begraben, zusammen mit den anderen.« Girard steckte den schmutzigen Lappen in seinen Hosenbund.

»Die anderen?«, sagte Lasseur und runzelte die Stirn.

»Matisses Männer. Die, die schon tot sind, und die, die aufgehängt werden.«

»Das Urteil wird hier an Bord vollstreckt?«, fragte Hawkwood.

Der Arzt nickte mit düsterer Miene.

»Ich dachte, das würden sie an Land machen.«

»Es sieht so aus, als ob Commander Hellard es schnell hinter sich bringen will.«

»Ich hätte angenommen, dass die britische Admiralität da noch ein Wort mitzureden hat«, meinte Hawkwood. »Natürlich müssen sie bestraft werden, aber es sieht ja ganz so aus, als nähme der Leutnant das Gesetz selbst in die Hand.«

»Auf diesem Schiff ist der Commander Richter, Jury und Scharfrichter zugleich. Ich würde sagen, Leutnant Hellard markiert sein Revier. Und außerdem - denken Sie, dass in der britischen Admiralität auch nur ein Mensch wegen einer Handvoll ausländischer Mörder schlaflose Nächte verbringt? Ich glaube nicht.« Nach einer Pause fügte Girard hinzu: »Ich habe gehört, dass einige der Gefangenen sich freiwillig gemeldet haben, sie hochzuziehen.«

»Mein Gott!«, entfuhr es Lasseur, doch dann sagte er nachdenklich: »Eigentlich kann man es ihnen nicht verdenken. Ich bezweifle, dass auch nur einer diesen Mistkerlen nachtrauern wird.«

Der Arzt zog die Brauen hoch. »Ich habe gehört, man hat Sie und den Captain für eine Heiligsprechung vorgeschlagen.«

»Dann ist es kein Wunder, dass der Leutnant uns loswerden will«, prustete Lasseur los. »Wann soll die Hinrichtung sein?«

»Bei Sonnenaufgang.«

»Dann beten wir mal um gutes Wetter«, sagte Lasseur. Plötzlich hellte sich sein Gesicht auf. »Sébastien!«

Hawkwood und Girard drehten sich um.

Der Lehrer kam angehinkt. Er trug zwei Blechnäpfe und zwei Löffel. »Ich habe Ihnen etwas vom Abendessen aufgehoben. Ich dachte mir, dass Sie vielleicht hungrig sind.«

»Solange es kein Hering ist«, sagte Lasseur und verzog das Gesicht. »Sonst würde ich anfangen zu kotzen, wie diese anderen armen Teufel hier.«

»Brot, Kartoffeln und etwas Schweinefleisch.« Fouchet reichte ihnen die Näpfe. »Viel ist es nicht.«

Lasseur beäugte den Inhalt misstrauisch. »Sind Sie auch ganz sicher, dass es Schweinefleisch ist?« Er sah Hawkwood an.

»Es könnte auch Hammelfleisch sein«, sagte Fouchet mit zusammengezogenen Brauen. »Was für einen Tag haben wir heute?«

»Vielleicht esse ich nur die Kartoffeln«, sagte Lasseur.

»Ich glaube, es ist okay«, sagte Fouchet. »Soweit wir wissen, hat Matisse lange niemanden mehr umgebracht.«

»Dann haben Sie also davon gehört?«, sagte Hawkwood.

Fouchet nickte. »Es ist auf dem ganzen Schiff herum.«

Lasseur starrte trübsinnig auf seinen Essnapf. »Was ist eigentlich mit Juvert passiert?«

»Der sitzt im schwarzen Loch bei den Ratten und leckt seine Wunden. Nach einer Woche dort unten frisst er seine eigene Scheiße.« Ohne eine Spur von Mitleid zu zeigen deutete der Lehrer auf das Essen. »Wenn Sie jetzt nicht essen wollen, dann heben Sie es für später auf.«

Lasseur stellte den Blechnapf hin.

»Ich lasse Sie jetzt allein«, sagte Girard. »Ich muss mich um meine Patienten kümmern. Aber Sie sollten essen, um bei Kräften zu bleiben.« Er nickte Fouchet zu, zog den mit Essig getränkten Lappen aus dem Hosenbund und ging durch die Reihen der Pritschen davon.

Fouchet sah ihm nach, dann legte er seine Hand auf Hawkwoods Arm. »Sagen Sie mir, dass der Junge nicht leiden musste.«

»Es ging sehr schnell«, sagte Hawkwood. »Das ist leider das einzig Gute, was sich darüber sagen lässt.«

Die Gesichtszüge des Lehrers erschlafften. »Er wäre noch am Leben, wenn ich besser auf ihn aufgepasst hätte«, sagte er traurig.

»Der Junge wurde von Matisse getötet, Sébastien«, sagte Lasseur. »Nicht von Ihnen.«

Fouchet sah auf Hawkwoods blutgetränkte Verbände. »Ich wäre gern dabei gewesen, als Sie das Schwein umgebracht haben.«

»Wenn Sie dabei gewesen wären, wären wir jetzt nicht hier«, sagte Hawkwood. »Wenn Sie die Wachen nicht alarmiert hätten, hätte man uns eimerweise durch die Latrinenöffnungen gekippt … oder noch schlimmer.«