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»Und jetzt sollen Sie auf die Samson verlegt werden«, sagte Fouchet unglücklich.

»Besser, als an der Rahe zu baumeln«, sagte Lasseur.

»Vielleicht denken Sie anders darüber, wenn Sie erst dort sind.«

Habe ich dieses Gespräch nicht schon einmal geführt?, dachte Hawkwood.

»Ich habe gehört, auf der Samson soll es vor einem Monat eine Revolte mit mehreren Toten gegeben haben«, sagte Fouchet. »Zwei Mann kamen ins schwarze Loch. Nur einer kam lebend wieder heraus.«

»Woher die diese Idee wohl haben?« Lasseur lächelte mühsam.

Fouchet beugte sich vor. »Charbonneau hörte, wie sich zwei Milizionäre unterhielten. Die Briten glauben, dass die Revolte auf der Samson Teil eines Komplotts ist, durch das alle Kriegsgefangenen in England zu einem Aufstand aufgewiegelt werden sollen.«

Lasseur kaute an seiner Lippe.

»Das wird sie das Fürchten gelehrt haben.«

Fouchet zuckte die Schultern. »Man kann ihr Dilemma verstehen. Einerseits hält die Admiralität es für richtig, alle Unruhestifter zusammen an einem Ort unterzubringen, aber gleichzeitig wissen sie, was für ein Risiko sie damit eingehen. Zusammenstöße unter den Gefangenen machen ihnen nichts aus; das ist für sie nichts weiter als ein Keulen der Bestände. Aber ein solch geballtes Gewaltpotenzial könnte auch für das britische Personal ein unnötiges Risiko bedeuten.«

»Dann sind zwei Neue das Letzte, was sie brauchen«, sagte Lasseur. »Kein Wunder, dass sie das erst mal aufschieben. Langsam frage ich mich, warum Commander Hellard uns nicht auch zum Strang verurteilt hat.«

»Weil es genau das war, was sein Stellvertreter wollte«, sagte Hawkwood. »Leutnant Thynne hält den Commander für nicht fähig auf diesem Posten. Hellard wiederum glaubt, Thynne hätte den Job gern selbst. Ich würde sagen, wir verdanken der Dickköpfigkeit von Commander Hellard unser Leben.«

»Dann haben wir Glück gehabt, dass es nicht anders herum war«, sagte Lasseur, »und dass es nicht Thynne war, der ein mildes Urteil verlangte.«

»Amen«, sagte Hawkwood.

Draußen wurde etwas gerufen. Eine Glocke ertönte.

»Zapfenstreich«, sagte Fouchet. »Ich muss gehen.«

Hawkwood sah zum Gitter. Das letzte Tageslicht war verschwunden. Die einzige Beleuchtung kam von den Laternen, die an den Balken hingen.

Der Lehrer nahm ihre Hände und sah sie ernst an. »Ich bin sehr froh, dass Sie leben, meine Freunde. Ich werde Ihr Eigentum an mich nehmen und dafür sorgen, dass niemand sich daran vergreift.« Er lächelte. »Wahrscheinlich würde es sowieso niemand wagen. Sie haben sich hier einen ziemlichen Ruf erworben.«

»Trotzdem zweifle ich nicht daran, dass Murat unsere Schlafplätze sofort an zwei Neuankömmlinge verkaufen wird«, sagte Lasseur bitter. »Wollen wir wetten, dass er sich unseren Ruf zunutze macht? ›Hier schliefen die Captains Lasseur und Hooper. Deshalb kostet es jetzt zehn Francs mehr, und vielen Dank auch‹.«

Hawkwood musste wider Willen grinsen.

»Sie sollten den Leutnant nicht zu hart beurteilen, Captain«, sagte Fouchet ernst. »In dieser Situation versuchen wir doch alle zu überleben, so gut wir können.«

»Und manche überleben besser als andere«, sagte Lasseur.

Fouchet drohte mit dem Finger. »Ich muss jetzt weg, sonst komme ich noch ins Loch, weil ich die Sperrstunde nicht eingehalten habe. An Ihrer Stelle würde ich jetzt versuchen zu schlafen. Morgen müssen wir früh raus.«

»Müssen wir?«, sagte Lasseur. »Wieso?«

»Hat es sich noch nicht bis zu Ihnen herumgesprochen?«, sagte Fouchet trocken. »Morgen früh findet die Hinrichtung statt.«

Es gab keinen Galgen.

Vom Großmast in zwei gleiche Hälften geteilt, hob sich die Rahe gegen den Morgenhimmel ab wie die Arme einer Vogelscheuche. Auf der Backbord- und Steuerbordseite hingen jeweils drei Holzblöcke. Durch jeden der Blöcke lief ein Seil, an dessen einem Ende eine Schlinge war. Das andere Ende des Seiles war auf Backbord und Steuerbord mit einer Klampe am Schanzkleid befestigt.

Eine Reihe von Milizionären mit aufgepflanzten Bajonetten bewachte die Reling. Die restliche Besatzung hatte auf dem Quarterdeck Aufstellung genommen. Leutnant Hellards Gesicht war ernst, er hatte den ebenso ernst blickenden Thynne auf seiner Rechten und den Dolmetscher Murat auf der linken Seite. Die Männer hatten die eben aufgegangene Sonne im Rücken. Beide Offiziere trugen volle Uniform. Ihnen gegenüber auf Backbord stand eine Reihe von Gefangenen, einige in gelber Gefängniskluft, einige in Zivil. Erst hatte Hawkwood gedacht, es handle sich um die Verurteilten. Doch bei näherem Hinsehen und nachdem er sie gezählt hatte, musste er feststellen, wie klug Hellard gehandelt hatte. Es waren die Mitglieder des Gefangenentribunals.

Diesmal konntet ihr euch ja recht schnell versammeln, wenn es darum geht, Matisses Leute baumeln zu sehen, dachte Hawkwood.

Er hatte schon vorher eine Bestrafung an Bord erlebt, als er nach der Blamage von Coruña nach England zurück reiste. Ein Seemann, der in betrunkenem Zustand einen Befehl missachtet hatte, wurde ausgepeitscht. Man hatte ihn auf Deck auf einem Schutzgitter festgebunden, wo er vierundzwanzig Hiebe bekam, ausgeführt vom Maat des Bootsmanns. Die gesamte Mannschaft musste sich versammeln und zuschauen, und auch damals hatten mehrere Navysoldaten, die Musketen im Anschlag, bereitgestanden.

Gegen die Reling der Back gequetscht, neben sich Lasseur und hinter sich die beiden Wachen vom Krankenrevier, musste Hawkwood daran denken, wie ähnlich diese Situation hier war. Doch auch wenn der Schauplatz fast identisch war, die Stimmung war ganz anders. Die Auspeitschung des Seemanns war von düsterem Schweigen begleitet gewesen, während die Atmosphäre an Deck der Rapacious eher an eine öffentliche Hinrichtung erinnerte, wie sie vor den Londoner Gefängnissen stattfanden.

Es war Commander Hellards Befehl gewesen, dass alle Gefangenen, einschließlich der Schiffsbesatzung, der Exekution beiwohnen sollten, außer denen, die zu krank waren, um das Krankenrevier zu verlassen. Die große Anzahl der Gefangenen auf dem Schiff jedoch hatte die praktische Durchführung unmöglich gemacht, so dass der Befehl schließlich dahingehend geändert wurde, dass von jeder Essgruppe mindestens zwei Personen anwesend sein sollten, einschließlich der Rafalés. Dementsprechend überfüllt waren jetzt die Decks, und Hawkwood konnte sich nicht erinnern, schon jemals eine so jämmerliche, abgerissene Ansammlung von Menschen gesehen zu haben.

Unten im Park war die Luft sauer vom Gestank dreckiger, ungewaschener Körper, aber unter den Männern knisterte eine Spannung, die schon fast an freudige Erregung erinnerte. Hawkwood wäre nicht weiter überrascht gewesen, wenn die fliegenden Händler des Schiffs auch hier aufgetaucht wären und versucht hätten, Geschäfte zu machen, ähnlich den Pastetenverkäufern und Süßwarenhändlern, die die Menschenmengen vor dem Gefängnis von Newgate versorgten.

Während er zusah, versuchte Hawkwood das Gefühl zu ignorieren, wie sich ihm langsam, aber unerbittlich sein Hals zuschnürte, ebenso wie den Schweiß, der ihm zwischen den Schulterblättern den Rücken hinunterlief.

Ein Murmeln lief durch die Menge, als die Verurteilten aufs Deck geführt wurden, die Hände auf dem Rücken gefesselt und von Wachen der Miliz flankiert. Zwei der Männer trugen eine Toga, die anderen hatten ihre gelbe Kluft an. Ihre Gesichter waren zum Teil übel zugerichtet. Die beiden, die eine Toga trugen, hatten auch Verletzungen an Armen und Beinen. Hawkwood fragte sich, wie viele der Verletzungen von dem Gemetzel im Laderaum herstammten, und wie viele durch das Eingreifen der Miliz entstanden waren.

Irgendjemand im Park rief etwas Obszönes, worauf andere mit einem wahren Pfeifkonzert reagierten. Die verurteilten Männer waren kreideweiß und man sah, wie stark sie zitterten.

»Ruhe!« Die Stimme von Sergeant Hook schallte über das Deck. Als die Milizionäre anfingen, den Männern die Schlingen um den Hals zu legen, brachen zwei von ihnen weinend zusammen. Unter spöttischem Johlen wurden sie wieder auf die Beine gestellt. Beide schwankten bedenklich, als die Schlingen um ihren Hals lagen. Als alle Schlingen an Ort und Stelle waren, wurden den Männern Kapuzen über Kopf und Gesicht gezogen.