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»Du stinkst fast so bestialisch wie ich.« Lasseur rümpfte die Nase, lachte leise und deutete mit dem Kopf nach hinten. »Er sagt, wir sollen uns beeilen und die Köpfe einziehen, was sehr vernünftig klingt.«

Hawkwood sah an Lasseur vorbei und sah einen Mann unbestimmten Alters, der mit einem Spaten in der Hand auf dem Boden hockte. Er trug ein langärmeliges graues Hemd und eine schmutzige braune Hose. Außer seinen zusammengekniffenen dunklen Augen konnte man nicht viel von seinem Gesicht sehen, denn über Mund und Nase trug er ein dreieckig gefaltetes Tuch. Hawkwood nahm an, dass das eher ein Schutz gegen den Gestank aus dem Massengrab war als der Versuch, sich unkenntlich zu machen. Unter dem Rand des weichen Filzhutes ringelte sich schwarzes Haar hervor.

»Hat er einen Namen?«, fragte Hawkwood.

»Er sagt, wir sollen ihn Isaac nennen.« Lasseur wollte Hawkwood gerade das Messer reichen, als er die Klinge sah, die dieser selbst unter seinem Arm verborgen hatte. »Ich sehe, du hast schon angefangen.«

Lasseur warf dem Mann hinter sich das Messer zu und sah beifällig zu, wie Hawkwood sich mit seiner eigenen Klinge befreite, ehe er das Messer wieder in seinem Versteck verschwinden ließ.

Lasseur grinste. »Vielleicht bist du ein noch viel größeres Schlitzohr als Murat.«

»Hört auf zu quatschen und bewegt eure Ärsche!« Der Mann, der sich Isaac nannte, steckte das Messer in den Gürtel. »Und vergesst die verdammten Säcke nicht. Vous parlez Englisch, ja?«

»Das sagte ich bereits«, erwiderte Lasseur. »Wir sprechen beide Englisch.« Er sah Hawkwood an und rollte mit den Augen.

»Gut, also dann Köpfe runter! Wir sind noch nicht in Sicherheit.«

Hawkwood und Lasseur taten, wie er befohlen hatte, und der Mann fing an, Erde in das Massengrab zu schaufeln, um die Vertiefungen, die Hawkwood und Lasseur hinterlassen hatten, wieder zu füllen. Als er zufrieden war, drehte er sich um und kroch an ihnen vorbei, immer noch tief geduckt. »Kommt mit. Bleibt dicht hinter mir.«

Hawkwood riskierte einen Blick aufs Wasser hinaus und sah, warum sie sich ducken sollten. Zwischen dem Massengrab und dem Strand erhob sich eine flache Sandbank. Auf ihrer anderen Seite fiel der steinige Strand zum Wasser ab. Hier wo sie waren, war die Erhebung gerade hoch genug, um den Blick auf die Schiffe zu versperren. Vom Boden aus war der Blick auf die Flussmündung nicht möglich, da auf der Sandbank große Büschel von Seegras wuchsen, die auf beiden Seiten ein gutes Stück der Sicht nahmen.

Wieder hörten sie die raue Stimme hinter sich. »Jetzt ist keine Zeit, die verdammte Landschaft zu bewundern. Das Signal sagte, dass wir euch so schnell wie möglich hier wegbringen sollten. Wenn ihr jetzt nicht grade auf die Miliz warten wollt, dann sollten wir uns wirklich auf die Socken machen. Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!«

Hawkwood merkte, wie der Mann ihn am Ärmel zog. Er wandte sich vom Wasser weg, nahm das Segeltuchbündel unter den Arm und folgte Isaac und Lasseur auf allen vieren, weg von der Grube und seinem grausigen Inhalt.

Es war mühsam. Hawkwood schätzte, dass sie vielleicht fünfzig Yards auf dem Bauch gekrochen waren, als das Gelände vor ihnen plötzlich offener wurde und sich vor ihnen ein Entwässerungsgraben auftat, der vielleicht sechs Schritt breit sein mochte und steile Seitenwände hatte. In seinem Bett floss ein etwa drei Fuß breites Rinnsal aus trübem braunem Wasser, gesäumt von Rohrkolben und schmalblättrigem Schilf.

Isaac nahm das Halstuch vom Gesicht, reichte es Hawkwood und deutete aufs Wasser. »Trinken kann man es nicht, aber vielleicht solltest du langsam dran denken, dich ein bisschen zu waschen. Aber mach schnell.«

Hawkwood tauchte das Halstuch ins Wasser und wusch sich das Blut vom Gesicht, dann reichte er es Lasseur. Das Wasser war warm und roch nach Torf und mehr als einem Hauch Dung. Hawkwood mochte gar nicht daran denken, was noch alles darin liegen mochte, aber alles war besser als der Gestank in der Grube.

»Sie sagten, Sie hatten ein Signal bekommen«, sagte Hawkwood, der sich daran erinnerte, dass Murat das gleiche Wort benutzt hatte. »Was war das für ein Signal?«

Er merkte, dass der Mann ihn überrascht ansah.

»Sie klingen nicht wie’n Froschfresser«, sagte Isaac.

»Ich bin auch keiner.«

»Ihr Englisch ist verdammt gut. Was sind Sie dann? Holländer?«

»Amerikaner.«

»Ein Yankee?« Isaac machte große Augen. »Heiliger Bimbam, dann sind Sie aber weit weg von zu Hause.«

»Das versichert mir jeder«, sagte Hawkwood. »Was für ein Signal?«

Isaacs Gesichtsausdruck wechselte von Überraschung zu Ungläubigkeit, wie jemand mit auch nur halbwegs gesundem Verstand so etwas fragen konnte. Er sah Lasseur an, als suchte er die Bestätigung, dass seine Einschätzung von Hawkwood als leicht beschränkt zutreffend war, doch Lasseur sah ihn genauso fragend an.

Er drehte sich um. »Die verdammten Wäscheleinen natürlich! Was hattet ihr denn gedacht?«

»Die Wäscheleinen?«, sagte Lasseur verblüfft. Plötzlich sah er auf die Fetzen in seinen Händen und seine Augen wurden groß. »Flaggen! Mein Gott, die haben Wäschestücke als Signalflaggen benutzt!« Er drehte sich zu Hawkwood um und strahlte vor Begeisterung.

»Also gut, aber jetzt reicht’s«, sagte Isaac ungeduldig. Er starrte auf die Blutflecke auf Hawkwoods Hemd und auf die Wunden in Lasseurs Gesicht und winkte ab, als dieser ihm das Halstuch zurückgeben wollte. »Gehen wir. Allez!«

Ohne auf eine Antwort zu warten, setzte der Führer sich im Graben in Trab, immer am Wasserlauf entlang. Hawkwood und Lasseur, die immer noch die Leichensäcke unter dem Arm hatten, stolperten hinter ihm her.

Hawkwood sah, wie Lasseur das Halstuch in seine Tasche stopfte und sah vor seinem geistigen Auge die Hemden und Hosen als Signalflaggen im Wind flattern. Er fragte sich, wie das System funktionierte, und kam zu dem Schluss, dass die Botschaft in der Reihenfolge der aufgehängten Wäschestücke liegen musste. Ein Hemd, gefolgt von einem Paar Socken, gefolgt von zwei Hosen, und so weiter. Er musste zugeben, das System war genial in seiner Einfachheit und für nicht Eingeweihte völlig unverdächtig.

Das Land um sie herum war flach und ohne jegliche Kontur; eine Mischung aus Moor und holprigem Weideland, von Gräben durchzogen, die sich wie Schlangen durch das Marschland wanden. In der näheren Umgebung waren keine Bäume, obwohl sich weiter östlich in der Ferne eine Reihe von bewaldeten Hügeln erhoben, die sanft zur Mitte der Insel hin ausliefen.

Hier im Graben hinter Isaac herzulaufen war wie das Verfolgen eines Jagdhundes. Ungefähr alle zwanzig Schritte blieb ihr Führer stehen und steckte seine Nase in die Luft, als nehme er Witterung auf, dann drehte er sich um und vergewisserte sich, dass sie noch hinter ihm waren.

Sie waren wohl eine weitere halbe Meile gerannt, als sie abermals anhielten. Hawkwood schätzte, dass sie immer noch nicht weiter als etwas über eine Meile vom Schiff entfernt waren. Per Luftlinie war es sogar noch etwas weniger, viel zu wenig, um sich entspannen zu können. Ihr Führer war offenbar derselben Meinung, denn er spähte über den Rand des Deiches zurück dorthin, wo sie hergekommen waren, als hielte er nach Verfolgern Ausschau. Befriedigt, dass die Luft rein war, duckte er sich wieder, und sie rannten weiter.

Selbst wenn es nicht der direkteste Weg in die Sicherheit war, wusste Hawkwood, dass es vernünftig war, den Graben als Deckung zu benutzen. An dieser Küstenstrecke war die Landschaft so flach, dass man sie, wenn sie sich aufrichteten, mit jedem halbwegs scharfen Fernrohr vom Schiff aus sehen würde. Doch auf diese Weise sorgte Isaac dafür, dass ihre Köpfe nicht überm Horizont auftauchten. Es war besser, eher zu vorsichtig als zu leichtsinnig zu sein. Mit etwas Glück würden sie die verlorene Zeit bald wieder eingeholt haben.