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»Die braucht ihr jetzt nicht mehr.« Isaac deutete auf die Schäferkittel und die Hüte. »Ihr könnt sie dort auf die Bank legen, die Stöcke auch. Und jetzt helft mir mal hiermit.« Isaac ging auf eine Seite des Kirchenschiffs, wo mehrere Steinplatten mit Inschriften in den Boden eingelassen waren. Auch sie waren alt und verwittert, und genau wie bei den Grabsteinen draußen waren die Namen darauf kaum lesbar, doch schien es ihm, als trügen mehrere von ihnen den Namen Sawbridge. Wahrscheinlich eine hochwohlgeborene Familie, die hier ansässig war, dachte Hawkwood, doch eigentlich sah das Dorf für den Wohnsitz einer aristokratischen Familie nicht wohlhabend genug aus.

Isaac beugte sich hinunter und schob ein Messer in den Spalt zwischen zwei Steinplatten. Die Platte sah dick und solide aus, aber es war überraschend einfach, sie hoch zu hebeln. Hawkwood sah, dass sie sehr viel dünner war als die umliegenden Steinplatten. Wie die Falltür draußen auf der Weide war auch dies eine Tarnung; entweder man hatte sie abgeschliffen oder aus einem leichteren Stein gemacht, mit einer Inschrift versehen und künstlich gealtert, damit sie unter den anderen nicht auffiel.

Isaac stieg als Erster hinunter und befahl ihnen, zu warten. Man hörte Feuerstein auf Stahl schlagen, und wenige Sekunden später wurde die Dunkelheit dort unten von einer Laterne erhellt. »Kommt jetzt runter«, rief Isaac.

Er wartete, bis sie ebenfalls unten waren, dann gab er Hawkwood die Laterne, streckte die Hand aus und schob die Steinplatte über dem Loch wieder an ihren Platz.

Unter der Kirche musste Hawkwood plötzlich an eine andere Krypta denken, die weit entfernt von Kent und seinem Marschland lag. Das Beinhaus unter der Kirche St. Mary, wo er den Mörder Titus Hyde gejagt hatte. Seine Gefährten ahnten nicht, dass es ihm dabei kalt über den Rücken lief.

Der Tunnel war gerade so breit, dass zwei Mann nebeneinander gehen konnten, aber es war einfacher, hintereinander zu gehen. Isaac ging mit der Laterne voran, Lasseur und Hawkwood folgten ihm. Die Luft war feucht und roch nach Lehm.

Wo zum Teufel führt er uns hin?, Dachte Hawkwood.

Sie waren etwa hundert Schritte gegangen, als der Gang anstieg und plötzlich an einer einfachen schwarzen Holztür endete. Isaac hob den Riegel an. Er öffnete die Tür und hob die Laterne hoch. Sie befanden sich in einem noch kleineren Tunnel, der fast ganz rund war. Hawkwood runzelte die Stirn. Er klopfte an die Tunnelwand, sie war aus Holz und klang merkwürdig hohl. Von vorn kam ein lautes Klicken, als ein weiterer Riegel angehoben wurde, worauf sich am Ende des Tunnels eine Öffnung wie eine Schiffsluke vor ihnen auftat.

Das Erste, was Hawkwood sah, als er durch die Öffnung kletterte, waren Weinfässer. Fässer in allen Größen, vom großen Hogshead bis hinunter zum Half-Anker, die an den Wänden entlang gestapelt waren. Er hörte Lasseur anerkennend mit der Zunge schnalzen und drehte sich um, als Isaac gerade die Tür zum Tunnel hinter sich schloss. Lasseurs Reaktion war berechtigt. Das Ende des Tunnels, durch den sie gerade gekommen waren, bestand aus einem großen Fass, das hier neben mehreren anderen auf der Seite lag. Hawkwood konnte nur ahnen, wie viel Wein in jedem dieser Fässer sein mochte - auf jeden Fall mehrere hundert Gallonen. In jedes Fass war ein hölzerner Zapfhahn geschlagen. Neugierig öffnete Hawkwood einen Hahn, worauf eine dunkle Flüssigkeit auf den Boden tropfte. Er hielt die Hand darunter und probierte. Es war Wein. Als er sich umdrehte, grinste Isaac ihn an. »Es ist immer gut, einen Fluchtweg zu haben, falls der Zoll einem mal einen Besuch abstatten will.«

»Wo sind wir hier?«, fragte Hawkwood.

»Im Keller vom Smack.« Isaac deutete auf die Fässer. »Das ist der Pub hier; ich hielt es für besser, euch auf diesem Weg herzubringen, als euch auf der Hauptstraße zur Schau zu stellen. Wie ich schon sagte, die Leute hier halten nicht viel von der Obrigkeit, aber man kann nie vorsichtig genug sein.«

Von oben kamen Geräusche: ein dumpfes Poltern, als ob jemand Möbel verschob, dann gedämpfte Stimmen.

»Wartet hier«, sagte Isaac. Er stellte die Laterne auf ein Fass und ging zur Kellertür. Er drehte sich noch einmal um. »Und fasst, verdammt noch mal, bloß nichts an.« Die Tür schloss sich hinter ihm.

Lasseur sah sich um. »Na ja, wenigstens werden wir hier nicht verdursten.« Er zeigte auf das Baumwollsäckchen, das Hawkwood noch immer mit sich trug. »Ich habe einen fürchterlichen Hunger. Ist da noch irgendwas drin?«

Hawkwood warf ihm einen Apfel zu und schüttelte den Steinkrug. Er hörte ein leises Schwappen. Er reichte Lasseur den Krug, doch der rümpfte die Nase und ging zu dem falschen Fass. Er öffnete den Hahn und hielt die hohle Hand darunter und nahm einen Schluck. Schnell drehte er den Hahn wieder zu und warf Hawkwood einen angewiderten Blick zu. »Wie können sie bloß diese Pisse trinken?«

»Das tun sie wohl auch nicht«, sagte Hawkwood. »Ich glaube nicht, dass sie das gute Zeug hier lagern. Das hier ist nur dazu da, falls die Behörden mal eine Durchsuchung machen.«

Lasseur betrachtete die anderen Fässer. Hawkwood ahnte, dass er überlegte, ob er davon etwas versuchen sollte.

Draußen hörte man Schritte. Die Tür ging auf und Isaac trat ein, zusammen mit einem weiteren Mann. Der Neue war rundlich und rotgesichtig, er hatte einen gewaltigen Backenbart und kleine stechende Äuglein. Er wischte seine Hände an der schmutzigen Schürze ab.

»Dies ist Abraham«, sagte Isaac. »Ihm gehört der Pub.«

Lasseur verbeugte sich. »Sehr erfreut. Ich bin Captain …«

»Ich brauche keine Namen«, unterbrach der bärtige Mann ihn. »Ihr bleibt ja nicht hier.«

»Ihr reist heute Nacht weiter«, sagte Isaac. »Es steht’ne Fahrt an.«

»Eine Fahrt?«, sagte Lasseur. »Wohin fahren wir?«

Isaac und der Wirt sahen sich an. Der Wirt zuckte die Schultern.

»Das bedeutet, es kommt eine Lieferung«, sagte Isaac. »Schmuggelware, Branntwein und Tabak. Das Schiff, das die Ware bringt, nimmt euch mit raus. Es passiert aber erst nach Einbruch der Dunkelheit, also müssen wir noch ein paar Stunden totschlagen. Macht’s euch bequem.« Er sah auf den Beutel und den Ciderkrug. »Ich bringe euch was zu essen.«

»Ich brauche auch Verbandszeug«, sagte Hawkwood.

Der Wirt drehte sich abrupt um. Er starrte Hawkwood an, seine Augen blickten hart.

»Er ist ein Yankee«, sagte Isaac.

»Da ist er aber weit …«

»Das haben ihm schon viele erzählt«, sagte Isaac.

Der Wirt betrachtete Hawkwoods zernarbtes Gesicht, sein verfilztes Haar und das Blut auf seinem Hemd. Er wandte sich an Isaac. »Ich dachte, du hattest gesagt, es sei alles glattgegangen.«

»Ist es auch«, sagte Isaac. »Er hat schon vorher so ausgesehen.«

Der Blick des Wirtes wanderte zu den Blutergüssen in Lasseurs Gesicht und er runzelte die Stirn. »Braucht einer von euch einen Arzt?«

Hawkwood schüttelte den Kopf. »Nur Verbandzeug.«

Der Wirt schien erleichtert. Er nickte kurz. »Ich will sehen, was ich machen kann.«

Es dauerte gar nicht lange, bis Essen und Verbandzeug gebracht wurden. Das Essen bestand aus zwei Schüsseln Hammeleintopf, einem Laib Brot und einem Krug Bier. Der Eintopf schmeckte wunderbar, es waren große Fleischstücke darin, und er war gut gewürzt. Selbst Lasseur war beeindruckt, obwohl Hawkwood wusste, dass sie nach dem Fraß auf dem Schiff wahrscheinlich auch gebackene Kröten exquisit gefunden hätten. Aber wenn ein Wirt auf Sheppey keinen ordentlichen Hammeleintopf kochen konnte, wer dann?

Isaac hatte auch einen Kessel mit heißem Wasser aus der Küche mitgebracht, dazu eine Schüssel und ein Handtuch. Hawkwood und Lasseur wuschen sich das restliche Blut vom Gesicht.

»Wie fühlst du dich?«, fragte Lasseur.

»Besser, als es mir zusteht«, sagte Hawkwood. Er spürte ein schwaches Pochen hinter den Augen und war froh, dass er in der relativen Dunkelheit des Kellers war statt draußen in der Sonne. Mit den Hüten von Isaac hatten sie zwar wie Dorfidioten ausgesehen, aber sie waren sehr praktisch gewesen.