Выбрать главу

»Wo haben Sie Französisch gelernt?«, fragte Lasseur.

»Durchs Huren und Handeln hauptsächlich«, lachte Gideon. »Es ist unglaublich, was man da an Vokabular aufschnappt. Es geht nichts über Beischlaf und Kommerz, um seinen geistigen Horizont zu erweitern.«

»Und Sie haben keine Gewissensbisse, Leuten wie uns zu helfen? Unsere Länder sind doch Kriegsgegner.«

Gideon schüttelte wegwerfend den Kopf. »Hier wird schon seit fünfhundert Jahren geschmuggelt, vielleicht noch viel länger. Das haben auch Kriege nie ändern können, und es wird sich auch jetzt nichts ändern. Und auch dieser Krieg wird nicht ewig dauern. Ich hoffe, Sie verzeihen mir, Captain, aber jeder Blinde sieht doch, dass Ihr Kaiser den Krieg verliert. Ich bin zwar keine Spielernatur, aber selbst ich würde die Fracht eines ganzen Jahres darauf setzen, dass es nach diesem Krieg noch einen geben wird, und wahrscheinlich danach noch weitere. Und es wird immer Männer wie mich geben, die hier ihre Geschäfte machen, auch wenn ich schon längst tot und begraben bin. Es ist fast ein Naturgesetz. Genauso gut könnte man versuchen, das Atmen zu verbieten. Und deshalb sind Sie für mich nur zwei weitere Frachtstücke.«

»Ein Freund sagte mir mal, die erste Regel im Handelsverkehr sei, nie zuzulassen, dass einem politische Differenzen in die Quere kommen«, sagte Hawkwood.

»Hat er das? Nun, das war ein kluger Mann, Ihr Freund«, sagte Gideon. »Ist er auch Geschäftsmann?«

Wenn du wüsstest, dachte Hawkwood. »Er hat ein paar Mal damit zu tun gehabt.«

»Dann erhebe ich mein Glas auf ihn.«

»Ich auch«, sagte Lasseur. Er sah Hawkwood von der Seite an. »Also, das ist wirklich ein außergewöhnlich guter Brandy, und ich weiß gar nicht mehr, wie lange ich schon nichts Vernünftiges mehr getrunken habe.«

Lasseur erhob stumm sein Glas und trank.

»Wie weit nehmen Sie uns mit?«, fragte Hawkwood.

Gideon schenkte sich das Glas wieder voll. »Nicht sehr weit.«

Ungenauer konnte eine Antwort kaum sein, dachte Hawkwood, und überlegte, ob da nicht eben ein Lächeln über das Gesicht des Captains gehuscht war.

Das Deck neigte sich plötzlich. Lasseur runzelte die Stirn. Er stellte das Glas hin und sah Gideon fragend an. »Wir drehen bei?«

»Ja. Es wird Zeit, nach oben zu gehen.« Der Captain verkorkte die Flasche wieder. »Hier, vielleicht möchten Sie die mitnehmen. Es wird etwas dauern, bis Sie an Land kommen, und bis Sonnenaufgang sind es auch noch ein paar Stunden. Ich werde sehen, dass Sie warme Jacken bekommen. Gehen wir.«

Der Captain stand auf und ging voran an Deck. Hawkwood und Lasseur waren etwas verwundert, aber ihnen blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen.

Auf Deck rief Gideon einem der Mannschaft zu: »Zwei warme Jacken aus der Kleiderkammer, Bill! Und bisschen plötzlich!«

Mit gerunzelter Stirn trat Lasseur an die Reling. Der Wind hatte aufgefrischt, und das Schiff fuhr mit vollen Segeln, aber man spürte wenig seitliche Bewegung, als der Kiel durchs Wasser pflügte. Hawkwood hielt sich an einem Tau fest und starrte über die Schulter des Franzosen auf zwei Ansammlungen von Lichtern, etwa eine Armspanne voneinander entfernt. Die Lichter auf Backbord waren deutlich heller als die Gruppe auf Steuerbord, was auf eine größere Anzahl von Gebäuden schließen ließ.

»Der Kronleuchter dort ist Whitstable, die Funzel da drüben ist Seasalter«, sagte Gideon hinter ihnen. Er hielt ihnen zwei Seemannsjacken aus schwerem Wollstoff hin. »Na ja, Sie hatten doch nicht etwa gedacht, wir würden mit Ihnen die Seine rauf fahren, oder?«

Hawkwood sah nach hinten übers Heck und dachte an die Aussicht von der Klippe. Sie hatten kaum vier Meilen zurückgelegt.

»Ich verstehe gar nichts«, sagte Lasseur.

Hawkwood verstand auch nichts.

»Wir haben keine Wahl«, brummte Gideon. »Es ist Ebbe. Ich habe nicht genug Wasser unter dem Kiel, um Sie an den Strand zu bringen, nicht mal mit dem Ruderboot. Und wir können auch nicht warten, wir haben noch weitere Lieferungen. Vor der Küste ist eine Plattform, auf der die Fischer ihren Fang entladen und umpacken. Dort lassen wir Sie aussteigen. Bei Ebbe ist das Watt fest genug, dass Sie an Land laufen können.«

Lasseur starrte ihn an.

»Keine Angst. Dort sind Sie ganz sicher. Es ist sehr belebt, dort wickeln viele Händler ihre Geschäfte ab. Es ist wie auf dem Fischmarkt von Billingsgate: Fischer, Krabbenfänger, Träger, Frauen, die Fische ausnehmen - solche Leute. Niemand wird sich um Sie kümmern. Wenn Sie an Land sind, halten Sie auf die Kirche zu. Dort werden Sie einen Totengräber treffen, er heißt Asa Higgs. Mit Sonnenaufgang ist er da. Er wird sich um Sie kümmern. Sie können ihn nicht verwechseln, ihm fehlt der Mittelfinger der rechten Hand.« Wie um es zu verdeutlichen, hielt Gideon den entsprechenden Finger hoch. »Haben Sie das alles verstanden?«

Lasseur nickte zögernd.

»Ja«, sagte Hawkwood.

»Großartig.« Gideon rieb sich die Hände. »Es ist eine schöne Nacht. Etwas windig, aber Sie haben warme Jacken und meinen besten Brandy. Sie werden nicht frieren.«

»Und die Bewegung wird uns guttun«, sagte Hawkwood.

Gideon grinste. »Das sehen Sie ganz richtig!«

Die Plattform war größer, als Hawkwood erwartet hatte; es gab Anlegestellen für mehrere Boote. Die dicken Pfähle waren von Algen und Muscheln verkrustet und die Anlage sah aus, als sei sie schon seit Jahrhunderten hier - was vielleicht sogar stimmte, auch wenn man den einen oder anderen Stützbalken erneuert hatte. Auf jeden Fall machte sie einen sehr soliden Eindruck, als sie darauf standen. Auf der Plattform waren offene Unterstände und lange Reihen von Holztischen, neben denen Körbe aufgestapelt waren.

»Am besten nehmen Sie die auch mit«, sagte Gideon. »Können Sie Fische ausnehmen?«

Ehe Hawkwood und Lasseur etwas erwidern konnten, reichte jemand ihnen zwei Körbe mit Makrelen und zwei lange, spitze Messer über die Reling.

»Sie sind nicht gerade fangfrisch, aber wenn die ersten Leute hier ankommen, sei es mit Booten oder aus dem Ort, dann ist es besser, wenn Sie arbeiten. Man wird denken, dass Sie Frühaufsteher sind, was ja auch stimmt. Damit vermeiden Sie, mit den Leuten reden zu müssen. Sie werden ins Bild passen, es wird aussehen, als gehörten Sie dazu. Falls jemand versuchen sollte, mit Ihnen ein Gespräch anzufangen, sagen Sie, Sie seien belgische Fischer. Die kommen manchmal hierher, auf der Suche nach Austern. Und nicht vergessen: Asa Higgs, und ihm fehlt ein Finger!« Er winkte ihnen ein letztes Mal zu.

Sie sahen, wie das Schiff in der Dunkelheit verschwand. Dann machte Hawkwood eine Bestandsaufnahme. Die Lichter der Stadt sahen einladend aus, schienen aber noch immer ziemlich weit weg. Im Mondlicht sahen sie, dass das Wasser noch viel weiter zurückweichen musste, ehe die Ebbe die Plattform erreicht hatte. Hawkwood fragte sich, wann die ersten Fischerboote ankommen würden, um hier zu entladen. Nicht vor dem ersten Tageslicht, vermutete er, aber auch das würde früh genug sein.

Der Wind vom Wasser her war wirklich kalt, und er war dankbar, dass er die Jacke hatte. Er sprach auch ein stummes Dankgebet dafür, dass Ludd nicht mitten im Winter auf die Idee gekommen war, Bow Street um Hilfe zu bitten.

Lasseur nahm einen Schluck aus der Brandyflasche und reichte sie ihm.

»Wieder etwas, worüber meine Mannschaft sich vor Lachen in die Hose machen wird«, sagte er trübsinnig.

»Was denn?«

»Wenn ich ihnen erzähle, dass ich ausgesetzt worden bin.«

Hawkwood schüttelte den Kopf und setzte die Flasche an die Lippen. »Das ist doch nicht dasselbe.«

»Nein?«

»Ich habe gehört, Ausgesetzten gibt man eine geladene Pistole mit, falls es unerträglich wird.«

»Verdammt«, sagte Lasseur. »Danach hätten wir fragen sollen.«

»Wir müssen uns halt hiermit begnügen«, sagte Hawkwood und reichte ihm die Flasche.