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»Ich habe von Lucien geträumt«, sagte Lasseur.

Hawkwood sah ihn an.

Er wusste, dass es etwas war, was Lasseur beschäftigte. Der Franzose war in der Nacht ziemlich unruhig gewesen. Hawkwood hatte es gemerkt, weil auch er schlecht geschlafen hatte, und es war ihm aufgefallen, wie Lasseur sich in den frühen Morgenstunden unruhig auf seinem Lager gewälzt hatte.

»Er musste mit ansehen, wie sein Vater starb«, sagte Lasseur. »Das war auch der Grund, warum er allein war. Er war Schiffsjunge auf dem Schiff seines Vaters, und sie wurden von einem englischen Kutter überrascht. Sie zogen die Segel ein, aber aus irgendeinem Grund wollte der Kutterkapitän sich wohl einen Spaß machen. Er richtete die Kanonen auf sie und machte Kleinholz aus dem Schiff. Luciens Vater wurde von einem Splitter getötet, ein Mitglied der Besatzung ging mit dem Schiff unter. Der andere wurde gefangen genommen, aber sie wurden getrennt. Ich nehme an, er wurde auf ein anderes Gefängnisschiff gebracht.« Lasseur schwieg, dann sagte er: »Wenn wir uns nicht eingemischt hätten, wäre er noch am Leben.«

»Als Spielzeug für Matisse und seine Bande«, sagte Hawkwood. »Die hätten ihn missbraucht, und wenn der nächste hübsche Junge gekommen wäre, hätten sie sich seiner entledigt.«

»Er hatte es nicht verdient, zu sterben.«

»Nein, das stimmt. Aber wir haben ihn nicht umgebracht.«

Lasseur seufzte. »Und denkst du, das entbindet uns von der Verantwortung? Ich glaube nicht. Weißt du, ich habe mal ein Sprichwort gehört: Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert. Ich glaube, bis jetzt hatte ich nicht wirklich verstanden, was das heißt.« Er sah Hawkwood an, seine Augen waren feucht geworden. »Ich vermisse meinen Sohn, Matthew. Ich möchte nach Hause und ihn in den Arm nehmen und ihm sagen, dass ich ihn liebe. Dieser verfluchte Krieg …«

»Kriege fangen nicht von allein an«, sagte Hawkwood. »Wenn du jemandem die Schuld geben willst, gib sie diesen verfluchten Politikern.«

»Und wem gegenüber sind die verantwortlich? Gott? Ich bin mir nicht mal sicher, ob der überhaupt noch existiert.« Mit einer frustrierten Handbewegung stand Lasseur auf und steckte die Zigarre wieder in die Tasche. »Ach, Schluss jetzt. Ich muss wieder einen klaren Kopf bekommen. Ich mache einen kleinen Spaziergang. Und ehe du etwas sagst: Keine Angst, ich laufe schon nicht weg. Ich gehe nicht weiter als bis zum Wald, damit bleibe ich auf dem Farmgelände.« Er klopfte Hawkwood auf die Schulter. »Du bist ein guter Freund, Matthew Hooper. Ich bin froh, dass wir zusammen sind.«

Hawkwood antwortete nicht. Er sah, wie Lasseur mit gesenktem Kopf davonging. Es war unvermeidlich, dass Lasseur als Vater unter dem Mord an dem Jungen stärker litt. Er dachte über seine eigene Reaktion auf Lucien Ballards Tod nach. Er war wütend gewesen, aber im Gegensatz zu Lasseur hatte er keine Schuldgefühle gehabt. Er fragte sich, was das über ihn selbst aussagte. Hawkwood hatte die Verantwortung, Vater zu werden, immer abgelehnt. Konnte er damit leben? Ja, konnte er. Er wunderte sich, warum er sich überhaupt diese Frage stellte, besonders wo es so viele weitaus wichtigere Dinge gab, die zu klären waren. Zum Beispiel, wie er es bewerkstelligen könnte, Bow Street eine Nachricht zu schicken.

Doch was für eine Nachricht hatte er eigentlich für James Read? Ludd würde inzwischen wissen, dass er vom Schiff entkommen war. Er wusste, dass Hawkwood auf der Flucht war. Und viel weiter reichte Hawkwoods eigenes Wissen auch nicht. Er wusste immer noch nicht, wer hinter dieser organisierten Fluchthilfe stand. Solange er das nicht wusste, musste er die Täuschung aufrechterhalten und abwarten, wohin es ihn führte. Mit etwas Glück und Geschick würde er vielleicht in Kürze dahinterkommen.

Lasseur stellte bei seinem Spaziergang fest, dass es auf der Farm eine ganze Reihe von Dingen gab, die Aufmerksamkeit erforderten. In den Wänden der Scheune klafften Lücken. Eine Ecke des Kuhstalls war baufällig. Es gab Torpfosten, die ersetzt werden mussten, das Gras auf der Wiese musste gemäht werden und einige der Bäume hätten auch beschnitten werden müssen. Es waren Kleinigkeiten, aber von der Farm seiner Schwiegereltern wusste er, dass Kleinigkeiten, wenn sie nicht rechtzeitig behoben wurden, sich schnell zu größeren Problemen auswachsen konnten. Es war genau wie auf einem Schiff.

Die Frau hatte ihnen gesagt, es gebe einen Mann, der ihr half, aber bisher hatte der sich nicht gezeigt. Lasseur sah zum Haus hinüber und bemerkte den großen Holzstoß bei der Hintertür und daneben die Axt, die in einem großen Hackklotz steckte, daneben lehnte ein Reisigbesen. Ritten Hexen nicht auf Reisigbesen? Lasseur grinste.

Dann bemerkte er den Hund.

Er zögerte und blieb stehen. Das Tier benahm sich merkwürdig; es lief vor der Tür hin und her, dann blieb es stehen und kratzte an der Tür, als ob es eingelassen werden wollte. Die Frau war nirgends zu sehen. Der Hund kratzte weiter an der Tür und Lasseur hörte ihn winseln. Er kam näher.

Der Hund sah ihn kommen. Er merkte, dass das Tier zögerte, gerade so, als ob es ihn nicht erkannte. Er wartete auf das kurze Bellen, aber es kam nichts. Stattdessen ging der Hund zur Tür zurück und kratzte wieder. Dann drehte er sich um und kam mit hängendem Kopf zu Lasseur. Er sah aus, als könne er sich nicht entscheiden, ob er wedeln sollte oder nicht.

»Na, Rab«, sagte Lasseur leise, während er sich hinhockte und dem Hund die Ohren kraulte. »Was ist denn los, Junge?«

Er merkte, dass er mit dem Hund Französisch sprach, also versuchte er es auf Englisch. »Braver Hund.«

Der Hund sprang auf und lief wieder zur Tür.

Zuerst dachte Lasseur, das Winseln käme von dem Hund, aber dann merkte er, dass es in dem Haus war. Neugierig geworden, kam er näher. Je näher er der Tür kam, desto mehr klang es, als sei jemand in Not. Der Hund sah ihn aufmunternd an und schnüffelte unruhig. Es war klar, er wollte ins Haus.

Lasseur beugte sich vor und sah durch das offene Küchenfenster. Mitten im Raum stand ein großer Tisch. Darauf lag die Frau, den Rücken auf die Tischplatte gedrückt. Ihr Rock war hoch über ihre Hüften geschoben. Zwischen ihren Schenkeln und leicht nach vorn gebeugt stand ein Mann mit strähnigem Haar. Lasseur konnte sein Gesicht nicht sehen, und sein Rücken nahm ihm auch die Sicht auf das Gesicht der Frau. Der Mann griff sich zwischen die Beine. Lasseur konnte nicht erkennen, ob er an sich hantierte oder an den Kleidern der Frau. Er sah, wie sie die Hand ausstreckte und die Schulter des Mannes packte.

Lasseur trat eilig zurück, besorgt, dass sie seinen Schatten am Fenster gesehen haben könnten. Das Wimmern, das er für ein Zeichen der Bedrängnis gehalten hatte, war in Wirklichkeit der Ausdruck von Leidenschaft gewesen. Er sah auf den Hund hinunter, der ihn immer noch erwartungsvoll ansah, und lächelte reumütig. »Tut mir leid, Junge, aber ich glaube, dein Frauchen würde es nicht sehr schätzen, wenn wir sie jetzt stören würden.«

Lasseur versuchte sich zu erinnern. Hatte der Hund schon vorher gebellt? Er wusste es nicht. Vermutlich war er zu sehr damit beschäftigt gewesen, sich den Dreck vom Hulk aus den Ohren zu waschen.

Der Liebhaber war vermutlich der Mann, den sie erwähnt hatte. Er versuchte, die völlig unsinnige Eifersucht zu unterdrücken, die in ihm aufstieg.

Er wollte gerade gehen, als er ein anderes Geräusch hörte und wie angewurzelt stehen blieb. Diesmal war es kein Irrtum. Die Worte, die jetzt fielen, waren rau und kamen von dem Mann, während der darauffolgende Schrei der einer Frau war, doch er klang weniger nach gesteigerter Leidenschaft als vielmehr nach großer Not.

Lasseur trat schnell ans Fenster zurück und spähte in die Küche. Die Stellung der beiden hatte sich kaum verändert. Die Frau lag noch immer auf dem Tisch, der Mann stand zwischen ihren Beinen. Doch diesmal sah Lasseur auch den Rest. Der Mann hielt seine linke Hand fest auf den Mund der Frau gedrückt, während er mit der Rechten an seinem Hosenlatz hantierte. Ihre Hand war noch immer auf seiner Schulter, aber jetzt sah Lasseur, dass sie den Mann nicht zu sich herunterziehen, sondern ihn wegstoßen wollte.Lasseur beobachtete die Szene noch immer, als die Frau den Kopf drehte und ihm ins Gesicht sah. Sie riss die Augen auf. Lasseur sah, dass ihre Bluse zerrissen war und dass ihre linke Brust fast völlig entblößt war. Dann sah er die Tränenspuren auf ihrem Gesicht.