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»Allerdings …« Sie hielt seinem Blick stand.

Lasseur wartete.

»Ich erwarte ihn morgen. Er kann Ihnen zeigen, wo alles ist. Ich glaube, er wird sich über Ihre Hilfe freuen.« Ein letztes Nicken, und sie wandte sich um. »Er hat mich schon oft daran erinnert, dass er nicht mehr der Jüngste ist.«

Die beiden Männer sahen hinter ihr her. Hawkwood sah Lasseurs Gesichtsausdruck und hoffte inständig, dass sein Freund sich nicht lächerlich machen würde.

14

»Das ist Thomas … Tom«, sagte Jess Flynn. »Und wie Sie sehen, ist er aus Fleisch und Blut.«

Thomas Gadd war mindestens sechzig; ein kleiner, drahtiger Mann mit pulvergrauem Haar, das im Nacken zu einem Zopf gebunden war. Sein gebräuntes, ledriges Gesicht und die abgearbeiteten Hände deuteten darauf hin, dass er sein Leben lang im Freien gearbeitet hatte. Man sah, dass er hinkte, jedoch nicht sehr stark, und trotz dieser Behinderung schien er sehr rüstig für sein Alter. Andererseits sah die Narbe wesentlich gefährlicher aus, als Hawkwood es sich nach Jess’ Beschreibung vorgestellt hatte. Sie sah aus, als sei sie von einer Klinge verursacht worden. Es war ein Wunder, dass der Mann nicht das Auge verloren hatte.

Man sah sofort, dass Gadd Seemann war. Sein wettergegerbtes Gesicht und der geflochtene Zopf verrieten ihn sofort, genau wie der Anker, der auf seinen rechten Unterarm tätowiert war.

»Tom, dies sind Captain Hooper und Captain Lasseur.«

Gadds Gesicht zeigte keinerlei Überraschung, als sei das Zusammentreffen mit geflohenen Kriegsgefangenen etwas ganz Alltägliches für ihn.

»Die Herren möchten sich gern nützlich machen, Tom«, sagte Jess Flynn.

Hawkwood und Lasseur merkten, dass sie aufmerksam betrachtet wurden.

»Hab dir schon oft gesagt, dass ich Hilfe gebrauchen könnte«, sagte Gadd. Er sah Hawkwood an. »Jessie sagt, dass Sie ein Yankee sind, Captain.«

»Das stimmt.«

Gadd nickte. »Ich nehm’s Ihnen nicht übel. Hab zu meiner Zeit’ne ganze Menge kennengelernt. Die meisten waren ganz in Ordnung.« Ohne Übergang fuhr Gadd fort: »Sie werden auch Soldat sein, Captain Hooper, und Ihr Freund is’n Seemann, schätze ich.«

Lasseur sah ihn überrascht an.

Gadd schniefte. Ruhig sah er Hawkwood an. »Sie halten sich gerader. Ich hab Sie gesehn und hab mir gesagt, also, das is’n Mann, der viel marschiert ist und dabei immer was Schweres auf dem Rücken hatte.« Er wandte sich an Lasseur. »Aber Sie, Captain, Sie sehen aus wie jemand, der’s gewohnt ist, Wind und Gischt ins Gesicht zu kriegen. So ein Gesicht kriegt man nur auf Deck. Hab ich Recht?«

»Sie haben Recht, mein Freund«, sagte Lasseur. Er war einerseits beeindruckt, aber auch verblüfft.

»Dann haben wir beide was Gemeinsames. Ich schätze, ich bin so ziemlich auf jeder Art von Schiff gefahren, die es gibt. War bei der John Company und in der holländischen Navy, ehe ich dem König diente. Die Verwundung habe ich mir am Nil geholt, falls Sie das wissen wollen. Aber keine Angst, ich bin nicht nachtragend, zumindest nicht sehr lange.«

»Da bin ich aber sehr froh«, sagte Lasseur.

»Ich sprech Ihre Sprache und alles.« Er grinste Hawkwood an. »Genug, um durchzukommen jedenfalls. Hab auch’n bisschen Spanisch aufgeschnappt, und wenn ich will, kann ich sogar auf Portugiesisch fluchen.«

»Tom war mit meinem Mann in der Navy«, sagte Jess Flynn. »Dienten zusammen auf der Orion«, sagte Gadd. »Jack war Vollmatrose. Ich war Quartergunner. Hab’02 abgemustert.«

Nach dem Frieden von Amiens, erinnerte sich Hawkwood. Obwohl der nicht von langer Dauer gewesen war. Die Feindseligkeiten fingen ein Jahr später schon wieder an. Er fragte sich, warum Gadd und sein Freund Jack nicht wieder zur See gefahren waren. Gadds Verletzung hätte ihn nicht gehindert, wieder auf ein Schiff zu kommen. Vielleicht hatte er einfach genug. Bei Flynn war der Grund vielleicht, dass er eine Frau gefunden hatte. Er hätte gern gewusst, wann die Flynns geheiratet hatten. »Schiffskumpel kümmern sich um einander«, sagte Gadd. »So funktioniert das nun mal. Die sorgen dafür, dass es den Familien ihrer Freunde auch gut geht. Stimmt das nicht, Captain?« Er sah Lasseur an.

Lasseur nickte ernst. Hawkwood ahnte, dass er an seine tote Frau und seinen Sohn dachte.

»Tja, aber ich kann nicht den ganzen Tag hier stehen und quasseln«, sagte Gadd entschlossen. »Die beiden Herren kannst du mir jetzt ruhig überlassen, Jessie. Ich werde sie schon beschäftigen, und pass auf, im Nu haben wir hier Klarschiff!«

In der Mittagspause brachte die Frau ihnen einen Korb mit Essen und einen Krug Cider, den sie zum Kühlen in den Bach stellten. Sie hatten bereits das Tor zum Schafpferch repariert, die Wiese gemäht und die losen Latten an der Scheune festgenagelt. Die Frau hatte das Essen hingestellt und war wieder ins Haus gegangen, so dass die Männer allein aßen.

Hawkwood nahm einen Schluck Cider und reichte Gadd den Krug. Der Seemann rauchte zufrieden seine Tonpfeife. Er nahm sie aus dem Mund und setzte den Krug an die Lippen. Als er getrunken hatte, wischte er sich mit dem Ärmel über den Mund und stellte den Krug auf die Seite. Er lehnte sich auf dem Ellbogen zurück und steckte seine Pfeife wieder in den Mund. Wegen der Sonne hielt er die Augen halbgeschlossen; er sah aus wie jemand, der mit sich und der Welt zufrieden ist.

»Ist Madame Flynn eine Schmugglerin?«, fragte Lasseur.

Bei dieser unerwarteten Frage riss Gadd die Augen auf. Dann nahm er die Pfeife aus dem Mund und klopfte den Kopf an seinem Stiefel aus. »Nicht jeder im Geschäft arbeitet auf den Schiffen. Manche lagern die Ware nur, bis sie zum Käufer weitertransportiert werden kann.«

Schäfer, Gastwirte und Witwen, dachte Hawkwood. »Gibt es davon viele?«

»Eine ganze Armee. Jemand bietet dir ein Fässchen an, wenn du ihm für ein paar Nächte die Scheune zur Verfügung stellst, oder sie brauchen vielleicht ein paar Ponys, um etwas zu transportieren; dann sagt man doch nicht nein. Nehmen Sie zum Beispiel Morgan, der hat Leute in der ganzen Grafschaft.«

»Wer ist Morgan?«

Es war das zweite Mal, dass dieser Name fiel.

»Ezekiel Morgan. Er kontrolliert den größten Teil der Küste hier. Kam rein und übernahm Strecken, wo die alten Banden am Aussterben waren. Heute passiert hier praktisch nichts, von dem er nichts weiß.«

»Hat er auch dafür gesorgt, dass wir hierhergekommen sind?«

Gadd nickte.

»Werden wir ihm die Hand schütteln können?«, fragte Lasseur.

»Wenn Sie das machen, dann zählen Sie aber hinterher Ihre Finger nach.«

Gadd unterbrach sich, als fiele ihm ein, dass er vielleicht ein wenig zu viel preisgegeben hatte. Er griff nach dem Korken und steckte ihn wieder in den Krug. »Aber Sie brauchen sich deshalb nicht den Kopf zu zerbrechen. Wir haben noch viel zu tun, und wir machen am besten jetzt weiter. Jessie wird uns was erzählen, wenn sie sieht, dass wir hier wie drei alte Marktweiber sitzen und tratschen.«

Hawkwood überlegte, ob Morgan der Beschützer war, den Jess am Abend zuvor erwähnt hatte. Er dachte noch über diese Möglichkeit nach, als sie wieder an die Arbeit gingen.

Erst am späten Nachmittag machten sie Schluss, und Hawkwood spürte eine angenehme Müdigkeit in Rücken und Schultern. Lasseur strich sich mit der Hand über die Stirn. »Ich glaube, ich werde heute Nacht gut schlafen.«

»Erst werden Sie essen«, sagte Jess Flynn.

Sie hatte das Abendessen vorbereitet, das sie zusammen am Küchentisch einnahmen, während der Hund vor der offenen Tür Wache hielt.

»Wie viele andere waren vor uns hier?«, fragte Hawkwood.

»Ein paar«, gab Jess Flynn zu. »Aber das ist schon länger her.«

»Dieser Mann, Morgan, hat er auch für ihre Überfahrt gesorgt?«

»Morgan?« Jess Flynn sah auf, plötzlich war ihr Gesicht verschlossen.