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Morgan stieß mit der Stiefelspitze einen Stein aus dem Weg. »Verstehen Sie mich nicht falsch, Captain. Ich unterhalte hier keinen Wohltätigkeitsverein. Sie sagten vorhin, dass Sie glauben, Sie sind im falschen Geschäft. Ja, genau das ist es - ein Geschäft. Ich sah eine Chance, und ich habe sie ergriffen. Ich bin schon lange dabei, und die Erträge sind ausgezeichnet - wie bei den meisten meiner anderen Geschäfte zum Glück auch.«

»Sie müssen aber auch erhebliche Ausgaben haben«, sagte Hawkwood.

Ohne seinen Schritt zu unterbrechen, zuckte Morgan die Schultern. »Löhne, Transport und Verteilung, Lagerung: Das ist genau wie in jedem anderen Geschäft. Nur muss ich ein paar Leute mehr schmieren, das ist der ganze Unterschied.«

Mehr als nur ein paar, dachte Hawkwood. Er wandte den Kopf und merkte, dass Morgan ihn fragend ansah.

»Was hatten Sie denn erwartet, Captain? Wir leben schließlich im neunzehnten Jahrhundert, oder hatten Sie das vergessen? Wenn Sie dachten, solche Geschäfte werden von zwei Fischern im Ruderboot abgewickelt, dann müssen Sie schleunigst umdenken. Die Zeiten sind längst vorbei. Ach, ich will gar nicht sagen, dass das nicht auch noch passiert, aber so wird das große Geld nicht gemacht. Nein, man kauft ganze Ladungen und legt sich einen möglichst guten Steuerberater zu - dann kann man Geld verdienen.«

»Sie meinen, wie neulich nachts in …« Hawkwood tat, als habe er den Namen vergessen, »… wo war das gleich wieder?«

»In Warden.« Morgan rief Pepper zu: »Wie viele Fässer waren das, Cephus?«

»Fünfundzwanzig«, sagte Pepper, ohne sich umzudrehen. »Plus sechs Ballen Tabak.«

Morgan nickte. »Fünfundzwanzig Fässer. Das ist kein Großhandel, Captain Hooper. Das sind kleine Fische. Ich hatte schon Ladungen, wo wir achtzig Ponys brauchten, um die Ware zu transportieren. Vorige Woche hatte ich zweihundertfünfzig Männer im Einsatz; fünfzig, um die Ware an Land zu bringen, die anderen zweihundert, um die Umgebung zu sichern.«

»Wollen Sie damit sagen, dass Sie hier so viele Leute untergebracht haben?« Hawkwood deutete mit dem Kopf hinüber zu dem Haus und dem anderen Gebäude, wo er und Lasseur die Nacht zugebracht hatten.

Morgan schüttelte den Kopf. »Ich stelle sie ein, wie ich sie brauche. Wenn es etwas gibt, woran es mir nicht mangelt, dann sind es Arbeitskräfte. Und ich bezahle sie gut. Ein Arbeiter verdient, wenn er Glück hat, einen Schilling am Tag. Ich zahle Fassträgern das Vierfache für nur eine Nacht. Und meinen Kundschaftern zahle ich zehnmal so viel. Die wissen, dass ich mich um sie kümmere. Ich habe immer einen Arzt an der Hand, falls etwas passiert, und wenn es zum Schlimmsten kommt, dann kümmere ich mich um ihre Familien. Ich habe eine Rechtsanwaltskanzlei, die sie immer gegen Bürgschaft rauspaukt, wenn sie gefasst werden und vor einem Richter erscheinen müssen. Niemand, der für mich arbeitet, kommt ins Gefängnis, Captain. Darauf können Sie sich verlassen, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.«

»Steuerberater, Ärzte und Rechtsanwälte?«, sagte Hawkwood. »Ich bin beeindruckt.«

»Das sollten Sie auch sein.« Morgan blieb stehen, stützte sich auf seinen Stock und sah hinüber zum Haus und der Klosterruine, als bewundere er alles zum ersten Mal.

»Nun, über das Ergebnis kann man nicht streiten, das muss ich zugeben«, sagte Hawkwood, der Morgans Blick gefolgt war. »Es ist ein prächtiges Anwesen.«

Morgan drehte sich um und verbeugte sich ironisch. »Vielen Dank, Captain. Obwohl es nicht allein mein Verdienst ist. Die meiste Arbeit war bereits für mich erledigt. Ich hatte eigentlich erwogen, die Ruinen abreißen und das ganze Grundstück räumen zu lassen, aber der Pfarrer protestierte. Er sagte, ich würde ewige Verdammnis riskieren, wenn ich auch nur einen Stein entfernte. Allerdings war er ziemlich angeheitert, als er das sagte, denn ich hatte ihm gerade ein Fässchen meines besten Branntweins zukommen lassen, also hat er es vielleicht nicht ganz ernst gemeint.«

»Aber Sie haben es sicherheitshalber trotzdem nicht riskiert?«

»Es wäre dumm, dem Allmächtigen ins Handwerk zu pfuschen, Captain Hooper.«

»Von den geistlichen Herren ganz zu schweigen«, sagte Hawkwood.

»In der Tat. Besonders Reverend Starkweather. Seine Sonntagspredigten sind immer besonders gut besucht.« Morgan schwieg, dann grinste er. »Nein, er kann sich wirklich nicht beklagen, denn wenigstens fahre ich mit der Tradition von St. Anselm fort.«

»Inwiefern?«

»Ich nehme immer noch Pilger auf.«

»Pilger?«

»Hier pflegte man Pilger auf dem Weg nach Canterbury zu beherbergen, bis König Henry die Mönche alle hinauswerfen ließ. Heutzutage gewähren wir Leuten wie Ihnen einen Zufluchtsort. Merkwürdig, wie manches sich fügt, finden Sie nicht?«

»Dann wurden auch schon andere Gefangene hierhergebracht?«

Morgan lächelte. »Nur die, die uns vielversprechend schienen.«

»Haben Sie denen auch ein Angebot gemacht?«

Pepper war in einiger Entfernung ebenfalls stehen geblieben, und Hawkwood bemerkte, wie er bei dieser Frage erstarrte. Das Lächeln auf Morgans Gesicht veränderte sich kaum, obwohl die Lachfältchen um seine Augen vielleicht nicht mehr ganz so zahlreich waren. Hawkwood bemerkte, dass die Hunde ebenfalls stehen geblieben waren. Der gestromte rannte über den Rasen, um ausführlich das Hinterteil seines Kumpels zu beschnüffeln.

»Sie wissen von unserem Kampf auf dem Schiff«, sagte Hawkwood. »Und Sie sprachen von unserer Verlegung. Sie haben offenbar ein gutes Spionagesystem.«

»Ich habe meine Informationsquellen.«

»Die Wächter?«

»Die sind nützlich, wenn es darum geht, in die andere Richtung zu schauen, oder Nachrichten weiterzugeben, aber auf den Schiffen arbeiten viele Menschen und ich kann es mir leisten, ein großes Informationsnetz zu unterhalten - an Land und auf dem Wasser. Geld redet immer.«

In diesem Augenblick wurde irgendwo im Kloster eine Handglocke geläutet. Die Hunde hoben die Köpfe.

Morgenandacht?, dachte Hawkwood verblüfft. Jetzt fehlt bloß noch, dass Morgan hier Gebetsstunden abhält.

»Ach«, sagte Morgan aufgeräumt und schwang sich den Spazierstock über die Schulter, »es wird Zeit, dass wir zurückgehen.« Er pfiff nach den Hunden und machte sich auf den Weg zum Haus. »Wir lassen Sie jetzt allein, damit Sie Captain Lasseur wecken können. Sagen Sie ihm, Frühstück gibt’s im Refektorium. Es wird uns Gelegenheit geben, Sie mit den anderen bekanntzumachen.«

»Welche anderen?«

Morgan lächelte. »Ihre Mitpilger.«

16

»Und das ist Leutnant Gilles Denard«, sagte Rousseau und seine Augen zwinkerten nervös hinter der Nickelbrille.

Denard, ein sympathischer Mann mit Halbglatze, der etwa Ende dreißig sein mochte, streckte die Hand über den Tisch aus. »Es ist mir eine Ehre, Captain.«

»Ebenfalls«, sagte Lasseur. »Darf ich Ihnen Captain Matthew Hooper vorstellen, einer unserer amerikanischen Verbündeten. Übrigens spricht er ausgezeichnet Französisch.«

Denard schüttelte Hawkwood die Hand. »Willkommen, Captain. Ich liebe Ihr Land sehr. Ich bin schon ein paarmal mit dem Schiff in Boston gewesen. Kennen Sie die Stadt? Es gibt ganz wunderbare Gasthäuser dort. Eines meiner liebsten war in der Washington Street. The Lion, das einem Colonel Doty gehörte, ja, ich glaube, so hieß er. Kennen Sie es?«

»Ich glaube, Sie meinen The Lamb«, sagte Hawkwood. »The Lion ist weiter nördlich.«

Denard runzelte die Stirn, dann lachte er. »Tatsächlich, ich glaube, Sie haben Recht! Na ja, es ist auch schon etwas her seit meinem letzten Besuch.«