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»Und um Ihre Investitionen.« Lasseur drehte den Stiel seines Weinglases. »Vergessen wir die nicht.«

»Ohne die Ihr Kaiser wesentlich ärmer und Ihre Armee wesentlich schlechter ausgerüstet wäre.« Wenn Morgan über Lasseurs Antwort Groll empfand, dann ließ er es sich nicht anmerken. »Es ist Ihre Pflicht, dieses Schicksal umzudrehen, Captain.«

Lasseur sah Hawkwood an.

»Er hat Recht, mein Freund«, seufzte Hawkwood. »Wenn wir auf der Scorpion wären und ein fettes Handelsschiff vor den Downs vor Anker liegen sähen, würden wir gar nicht darüber reden. Wir würden Sand auf die Decks streuen und die Kanonen ausfahren, und den Letzten würden die Hunde beißen. Ich sage, wenn dieser Jilks der Einzige ist, der zwischen mir und einem verdammten Haufen Geld steht, dann ist der Bastard Freiwild für uns.« Hawkwood hob sein Glas. »Und das weißt du auch.«

Er sah Morgan an. »Sie wollen, dass wir uns um ihn kümmern? So gut wie schon geschehen.«

Der Oberste Richter James Read stand am Fenster und sah nach unten auf die Straße. Bow Street hallte wider von den Geräuschen einer Stadt, die ihren täglichen Geschäften nachging. Das Pferdegetrappel vermischte sich mit dem Rumpeln der Wagenräder, dazwischen hörte man die lauten und misstönenden Schreie der Straßenhändler.

Reads Augen wanderten zum Brown Bear, dem Pub auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Ein kleiner Junge, einer der vielen kleinen Straßenbengel, die sich hier herumtrieben, hatte gerade versucht, einem vorbeigehenden Passanten die Taschenuhr zu klauen, und wurde jetzt von seinem Opfer kräftig geohrfeigt. Der Junge zappelte wie ein Fisch am Haken. Read konnte nicht anders, als die Frechheit des kleinen Taschendiebes zu bewundern, der hier, nur wenige Schritte von der Staatsanwaltschaft entfernt, seinem Gewerbe nachging. In komischer Verzweiflung schüttelte er den Kopf, als der Junge den Mann kräftig vors Schienbein trat und in der Menge verschwand. Es war interessant, dachte Read, dass niemand im Untergeschoss den Zwischenfall bemerkt zu haben schien und eingegriffen hatte. Er würde sich darum kümmern müssen. Vielleicht wäre es gut, vor dem Haupteingang permanent einen Polizisen zu stationieren.

Read machte sich im Geist eine Notiz und ging an seinen Schreibtisch zurück. Er hatte sich gerade gesetzt, als es klopfte. Die Tür wurde geöffnet und Ezra Twigg kam herein.

»Ein Schreiben von der Admiralität, Sir. Gerade mit Kurier gekommen. Ich habe gesagt, er soll warten, falls Sie eine Antwort schicken wollen.«

»Vielen Dank, Mr. Twigg.«

Read brach das Siegel auf, während Twigg sich im Hintergrund hielt. Als Erstes sah er auf die Unterschrift, der Brief kam von Ludd.

Ezra Twigg beobachtete, wie der Oberste Richter die Stirn runzelte.

»Ich nehme an, es gibt nichts Neues, Sir?«, sagte Twigg.

Read antwortete nicht. Er legte den Brief hin und sagte leicht bedrückt: »Sagen Sie dem Kurier, er kann gehen. Es gibt keine Antwort.«

Twigg nickte und ging zur Tür. Er zögerte und drehte sich noch einmal um. »Alles in Ordnung, Sir?«

Read sah seinen Sekretär an. »Sie hatten Recht mit Ihrer Annahme, Mr. Twigg. Captain Ludd schreibt, dass es von Officer Hawkwood keine Nachricht gibt, seit er von dem Schiff geflohen ist. Genausowenig gibt es eine Nachricht über ihn.«

Twigg zwinkerte hinter seiner Brille, als er das ernste Gesicht des obersten Richters sah. Der Sekretär arbeitete schon zu lange für James Read, um diesen esichtsausdruck nicht zu kennen. Reads Erscheinung, von dem zurückgekämmten silbergrauen Haar und dem Gesicht mit der Adlernase bis zu seinem konservativen dunklen Anzug, war genau das, was man von einem öffentlichen Beamten in gehobener Position erwartete. Wer ihn nicht kannte, mochte vielleicht denken, dass er seine Pflicht mit puritanischem Eifer erfüllte, ohne jedes persönliche Gefühl für diejenigen, die seinen eigenen anspruchsvollen Standard nicht erreichten. Aber Ezra Twigg wusste es besser.

Hinter der peniblen Fassade verbarg sich ein Mann, der sich der Verantwortung, die auf seinen schmalen, eleganten Schultern lag, nur zu oft und schmerzhaft bewusst war. Read machte seine Arbeit tatsächlich mit Hingabe. Aber er kümmerte sich gleichzeitig auch um die Leute, die für ihn arbeiteten. Der Oberste Richter kannte die Gefahren, denen seine Offiziere ausgesetzt waren. Die Runner waren eine Elitetruppe, und es gab nicht viele von ihnen. Sie arbeiteten weit verstreut und waren durch ihre Aufgaben, die sie in alle Teile des Landes führten, oft großer Gefahr ausgesetzt. Read wusste, dass es äußerst kompetente Männer waren, einfallsreich und wenn nötig auch rücksichtslos. Es war nichts Außergewöhnliches, dass von einem Sonderermittler über längere Zeit keine Nachricht kam. Aber das hielt Read nicht davon ab, sich Gedanken um ihr Wohlergehen und ihre Sicherheit zu machen.

Reads nachdenkliches Gesicht sagte Ezra Twigg alles.

Der Oberste Richter machte sich Sorgen.

»Kann ich irgendetwas für Sie tun, Sir?«

Read sah hoch. Sein Gesicht blieb ernst und nachdenklich.

»Ja, Mr. Twigg, es gibt etwas. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie für mich eine Nachricht überbringen könnten.«

»Sehr wohl, Sir.« Twigg wartete gespannt. Nach einer Weile sagte er: »Und wem soll ich diese Nachricht überbringen, Sir?«

Read sagte es ihm.

Twiggs Augenbrauen schossen hoch. »Denken Sie, er wird kommen?«

Read nickte. »Er wird kommen.«

»Ich gehe sofort.« Twigg ging zur Tür.

»Mr. Twigg?«

Der Sekretär drehte sich um. »Euer Ehren?«

»Bitte seien Sie vorsichtig«, sagte Read.

Twigg gestattete sich ein kleines Lächeln. »Das bin ich immer, Sir.«

Read nickte. Der Sekretär schloss die Tür hinter sich. Read sah auf die Standuhr in der Ecke. Dann zog er seine Taschenuhr heraus und sah aufs Zifferblatt. Er ging zur Standuhr und drehte den Minutenzeiger auf Viertel nach.

Vielleicht war es ein Omen, dachte er. Die Zeit verging tatsächlich.

Im Vorzimmer schickte Ezra Twigg den Kurier weg und angelte sich seinen Hut.

Er überlegte, ob er vor dem Weggehen um eine sichere Heimkehr beten sollte.

Der Pub zum Hanged Man lag in einer dunklen Gasse hinter der Buckbridge Street. Es war nicht die Sorte Gasthaus, die von Ladys und Gentlemen der gutbürgerlichen Schicht besucht wurde. Seine Kundschaft waren jene, die sich am Rand der konventionellen Gesellschaft bewegten, in der Grauzone zwischen Recht und Unrecht. Spieler, Trickbetrüger, Fälscher und Schuldner; Opportunisten, Verführer, Beschaffer und Liebhaber, sie alle trafen sich im Bierdunst dieser düsteren, verräucherten Kneipe.

Im Hintergrund des Gastraumes im ersten Stock saßen vier Männer in Tabakrauch gehüllt und spielten Domino. Ihre Gesichter waren ernst. Sie spielten mit großer Konzentration. Ihre Bewegungen waren zügig und sicher. Man hörte wenig Geplänkel. Die Art und Weise, wie jeder Spieler seine Steine aufgebaut hatte - umgedreht und in zwei Reihen zu jeweils drei -, und die Stapel Münzen neben jedem Spieler zeigten deutlich, welche Art von Spiel hier gespielt wurde.

Einer der Männer schien im Vorteil zu sein. Er war untersetzt, hatte ein zerfurchtes Gesicht und kurzes, eisengraues Haar. Er saß mit dem Rücken zur Wand. Wenn er sich nicht auf seine Steine konzentrierte, beobachtete er den Raum. In seinem Blick war keine Furcht, lediglich Vorsicht. Rechts von sich hatte er ein Glas Brandy stehen. Ab und zu nahm er einen Schluck, ehe er seine Steine hinlegte. Trotz seiner Wachsamkeit machte er den Eindruck eines Mannes, der mit sich selbst ebenso im Reinen war wie mit dieser zweifelhaften Umgebung und seinen Mitspielern.