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»Aldegonde«, sagte er schließlich, »das ist eine großartige Nummer.« Und er legte die mageren Arme befriedigt auf sein Bettuch von zweifelhafter Reinlichkeit.

»Kann sein«, versetzte die Alte, die die Frühstückssuppe rührte, »aber wissen Sie, was sie in der Druckerei sagen?«

»Was sagen sie denn?«

»Daß Sie diesmal der Bastille nicht entgehen.«

»Aldegonde, Aldegonde«, sagte Herr Reteaux kopfschüttelnd, »bring mir meine Suppe und misch dich nicht in Literatur. Glaub mir, ab heute beginnen für uns die fetten Jahre, denn ich habe die Königin angegriffen!«

Aldegonde hatte nicht Muße, ihrem Staunen, Erschrecken oder ihrer Freude Ausdruck zu geben. Von der Straße her wurde geläutet, und die Alte lief die ächzende Stiege hinunter.

»Tausend Exemplare!« meldete sie wenig darauf. »Tausend auf einmal! Das ist eine Bestellung!«

»Hast du gefragt, von wem?«

»Das läßt sich erkunden«, erwiderte Aldegonde, »tausend Nummern abzählen und bündeln braucht seine Zeit.«

Der Bote erklärte ihr, er habe Auftrag, die Nummern in die Rue Neuve-Saint-Gilles zum Grafen de Cagliostro zu bringen.

Als der Zeitungsmann das hörte, tat er einen Freudensprung, unter dem sein wackeliges Bett fast zusammengebrochen wäre. Er eilte selbst in den Laden, um die Auslieferung zu beschleunigen.

Kaum war der Bote mit dem beladenen Karren davongefahren, setzte Herr Reteaux für die nächste Nummer einen Artikel auf, der dem großmütigen Förderer der Literatur gewidmet war. Da schellte es abermals.

»Schon wieder eine Bestellung!« triumphierte die Alte. »Wenn es gegen die Österreicherin geht, wird alle Welt rapplig.«

Der Mann, der am Gitter Einlaß begehrte, erkundigte sich, ob der Herr Redakteur zu Hause sei; er wolle die gelieferten Nummern für den Grafen de Cagliostro bezahlen. Argwöhnisch bei aller Freude über diese Nachricht, öffnete die Alte das Gittertor erst, als der Fremde einige Münzen in der Tasche klingen ließ. Unterdes war ein weiterer Besucher aufgetaucht, ein hochgewachsener junger Mann, der mit einem einfachen »Pardon, mein Herr« hinter dem ersten in den Hof glitt.

Strahlend beeilte sich Aldegonde, ihren Herrn herbeizuholen. Dieser empfing freudig hundert Doppeltaler, die ihm auf den Tisch gezählt wurden und die er nacheinander prüfte, ob die Münzen am Rande nicht beschnitten wären. Dann dankte er, schrieb eine Quittung aus und verabschiedete den Zahler mit dem liebenswürdigsten Lächeln und den besten Empfehlungen an den Auftraggeber.

Herrn Reteaux' Lächeln erstarrte, als er des zweiten Fremden ansichtig wurde, der, eine Hand am Degengriff, die andere um den Knauf seines Stocks geschlossen, auf ihn zutrat.

»Womit kann ich dienen?« fragte Reteaux mit einem Zittern, das ihn in heiklen Situationen erfaßte, was bedeutet, daß Herr Reteaux nicht selten zitterte.

Der Fremde versicherte sich zunächst, daß er den Autor oder Redakteur des Pamphlets vor sich hatte, nannte ihn Schuft und riet ihm, nach dem Empfang von Talern sich auf den Empfang von Prügeln gefaßt zu machen.

»Das werden wir sehen«, rief Reteaux und schickte sich zur Flucht an. Er brauchte ja nur durch die geheime Tür zu verschwinden und nach der Rue des Vieux-Augustins zu entwischen. Den Schlüssel zu der kleinen Hinterpforte trug er stets bei sich.

Doch dieser Tag blieb dem armen Journalisten nicht so günstig, wie er begonnen hatte. Vor der Hintertür anlangend, gewahrte er einen anderen jungen Mann von drohendem Aussehn. Jener aber, dem er entronnen war, hatte die Tür gesprengt, die er vor ihm zugeschlagen, und Herr Reteaux sah sich bestürzt zwischen zwei Feuern.

»Mein Herr, lassen Sie mich hinaus, um Himmels willen«, bat Reteaux den Wächter in der Rue des Vieux-Augustins.

»Lassen Sie den Schuft nicht entkommen, Herr de Taverney«, rief der nachstürzende Charny diesem zu, denn er war es, der wenig zuvor dem Zahler die Klinke aus der Hand genommen.

Beide, Taverney und Charny, hatten morgens beim Lesen der Gazette den gleichen Gedanken gehabt und ihn ausgeführt, ohne daß einer dem andern sich mitgeteilt hätte.

Sie wollten den Schreiber des schmählichen Artikels zur Rede stellen und ihn ihren Stock fühlen lassen, wie es damals üblich war unter Adligen, wenn ein Geringerer ihren Zorn erregt hatte. Nur empfand jeder bei Ansicht des anderen heftigen Unmut; daß sie beide die gleiche Idee gehabt, machte offenkundig, daß sie Rivalen waren.

»Nun, ich sehe«, sagte Taverney bitter, »ich werde dem Fest lediglich beiwohnen, Charny, falls Sie nicht die Güte haben, mir die Tür zu öffnen.«

»Das Fest?« fragte stockend der Zeitungsmann. »Wollen Sie mich umbringen, meine Herrn?«

»Oh, das Wort ist stark«, sagte Charny, »nein, umbringen werden wir Sie nicht. - Sie gestatten, Taverney, daß ich mit dem Strolch auf meine Weise verfahre?«

»Sie waren der erste, Sie haben den Vortritt«, antwortete Philippe.

»Stellen Sie sich gegen die Wand«, befahl Charny dem Zeitungsmann, »alsdann, teurer Herr, Sie geben zu, diese Schmiererei gegen die Königin verfaßt und veröffentlicht zu haben?«

»Das geht nicht gegen die Königin.«

»Ah, das fehlte noch! >Etteniotna<, halten Sie uns für dumm, mein Wertester? Antworten Sie, und zwar sofort: Hatten Sie einen Komplizen bei der Abfassung dieses Pamphlets?«

»Ich bin kein Verräter«, antwortete Reteaux.

»Gut, also hatten Sie einen. Der Graf de Cagliostro, der Ihnen die tausend Exemplare abgekauft hat, wird seine Schurkerei bezahlen, so wie Sie die Ihre jetzt bezahlen werden.«

Damit begann Herr de Charny, dem Journalisten den Buckel zu bläuen, bis sein Arm endlich erlahmte. Der Schmerzensschreie Reteaux' hatte er sowenig acht wie der Klagen Aldegondes, die herbeigeeilt war. Ohnmächtig in seinem Zorn sah Taverney von außen dem Schauspiel zu.

»Nachdem Sie das Ihre getan haben, Charny, öffnen Sie mir. Man muß die Auflage vernichten«, sagte Philippe.

»Richtig«, versetzte Charny, »wie klug man doch zu zweit ist. Daran hätte ich nicht mehr gedacht.«

Und während die jungen Herren, den armen Reteaux vor sich herstoßend, das Lager aufsuchten, erkundigte sich Charny, wel-chem Umstand es zu danken sei, daß Taverney an der Hintertür sich eingefunden hatte.

»Ich habe mich in der Gegend nach den Gewohnheiten des Burschen umgehorcht; so erfuhr ich, daß er immer davonläuft, und dachte mir, daß irgendwer mir den Fuchs wohl zutreiben würde.«

Wie zwei Freunde Feinde wurden

Als Aldegonde ihren Herrn hatte schreien hören, war sie zur Wachstation gelaufen und hatte Hilfe erbeten. Aber die Soldaten erschienen erst, als das Feuer im Hof die Zeitungen schon in Asche verwandelt hatte. Die jungen Herren waren unterdessen durch jene Hintertür entschwunden, die der unglückliche Reteaux ihnen verraten hatte. Die Wachleute konnten dem Geprügelten nur noch empfehlen, seinen Rücken mit Kampferspiritus einzureiben.

Stets neugieriger als die Polizei, verharrte die Menge der Schaulustigen bis zum Nachmittag im Hof des Gitterhauses in der Erwartung, daß eine ähnliche Szene sich wiederholen würde. Aldegonde in ihrer Verzweiflung verfluchte die Österreicherin, segnete Herrn de Cagliostro und pflegte ihren geschundenen Herrn.

»Nun, da unsere Exekution beendet ist«, sagte Charny, als er neben Taverney die Rue des Vieux-Augustins betrat, »darf ich hoffen, Ihnen noch weiterhin von Nutzen zu sein?«

»Tausend Dank! Dieselbe Frage wollte ich soeben an Sie richten.«

»Dank auch Ihnen. Ich war in Privatdingen nach Paris gekommen, die mich vermutlich noch einige Zeit hier aufhalten werden.«

»Mir geht es ebenso.«

»Dann erlauben Sie, daß ich mich verabschiede und mich zu der Ehre beglückwünsche, Sie getroffen zu haben.«