»Verzeihen Sie, Madame, auf dem Opernball wurden Sie von meinen Agenten gesehen, wie der Graf d'Artois Sie gesehen hat.
Wenn der Bruder des Königs in den Zügen seiner Schwägerin sich irren durfte, wird auch einem armen Kerl, der dreißig Francs im Monat verdient, erlaubt sein, sich zu irren. Meine Polizei hat durchaus gut funktioniert, an diesem Tag wie an anderen. Wollen Sie etwa behaupten, meine Leute hätten in der Sache des Zeitungsschreibers Reteaux versagt, den Herr de Charny so grausam verprügelt hat?«
»Herr de Charny?« riefen die Königin und Andree zugleich.
»Das Ereignis ist noch jung, Madame, nicht minder jung als das Duell, das der Affäre folgte und bei dem Herr de Charny den Degenstich erhielt, der wohl bewirkt haben dürfte, daß er vor wenigem in Ihrem Vorzimmer zusammenbrach.«
Die Beweisführung war Herrn de Crosne gelungen, doch waren die Damen in ihren widerstreitenden Gefühlen für Herrn de Charny zu erregt, um ihm die verdiente Achtung zu zollen. Desto bessere Gelegenheit wurde dem Polizeimann, die Damen zu beobachten, die, außer Jeanne, vergessen hatten, wem sie gegenübersaßen, und sich darüber austauschten, wie leidend Herr de Charny gewirkt, mit wem er sich wohl geschlagen hatte und warum dieses Duell überhaupt stattgefunden haben könnte.
»Warum, aber weiß Gott, Madame, das ist im Augenblick recht nebensächlich«, sagte Herr de Crosne, »jedenfalls leben die Gegner in gutem Einvernehmen, da sie noch eben vor Eurer Majestät freundschaftlich miteinander plauderten. Der Sieger ist vor kaum zwanzig Minuten von Ihnen gegangen.«
»Herr de Taverney?!« rief die Königin mit zornblitzenden Augen. »Das ist unerhört! Es scheint, man will in Versailles amerikanische Sitten einführen. Aber ich werde nicht dulden, daß man, weil man auf seiten der Herren La Fayette und Washington (sie sprach den Namen betont französisch aus) gekämpft hat, meinen Hof in einen Turnierplatz des sechzehnten Jahrhunderts verwandelt. Andree, Sie mußten wissen, daß Ihr Bruder sich geschlagen hat.«
»Ich hörte es eben, Madame.«
»Und warum geschah das?«
»Wenn mein Bruder sich geschlagen hat«, versetzte Andree, »so gewiß nicht in Verletzung der Pflichten, die der Dienst Eurer Majestät ihm auferlegt.«
»Wollen Sie damit sagen, Mademoiselle, daß Herr de Charny gegen diese Pflicht verstoßen hat?«
»Ich habe die Ehre, Eurer Majestät zu bemerken, daß ich von meinem Bruder und von sonst niemandem sprach«, entgegnete Andree.
Marie-Antoinette bedurfte ihrer ganzen Kraft, um ihre Ruhe zu bewahren.
»Ich danke Ihnen, Herr de Crosne«, sagte sie endlich, »Sie haben mich überzeugt. All diese Widersprüche und Unterstellungen hatten mich verwirrt. Gewiß ist Ihre Polizei tüchtig. Indessen, diese Ähnlichkeit, von der ich sprach, werden Sie im Auge behalten, nicht wahr, Monsieur? Adieu.«
Sie reichte ihm mit äußerster Huld die Hand, und er ging beglückt und um einige Informationen bereichert.
Andree fühlte die Aufforderung, die jenem Adieu untergelegen hatte, und verneigte sich.
Die Königin beurlaubte sie nachlässig, wenngleich ohne sichtlichen Groll, befahl aber im gleichen Atemzug, Madame de La Motte möge noch bleiben, da die Herren Boehmer & Bossange gemeldet wurden.
Im Spiegel beobachtete die Königin die Miene Andrees, die langsam zur Tür schritt. Sie hatte bei der deutlichen Bevorzugung der neuen Favoritin nicht mit den Wimpern gezuckt.
»Sie sind von Stahl, diese Taverneys«, murmelte die Königin mit einem Seufzer, »aber auch von Gold.«
Die Versucherin
»Guten Tag, die Herren Juweliere«, begrüßte Marie-Antoinette die Eintretenden. »Was bringen Sie mir Neues? Sie wissen doch, ich habe kein Geld.«
Madame de La Motte hatte ihren Posten wieder eingenommen; bescheiden und wachsam blieb sie abseits stehen.
Die Herren, in Gala, näherten sich unter wiederholten Verneigungen dem Lehnstuhl Ihrer Majestät.
»Madame«, nahm Herr Boehmer als Sprecher der Firma das Wort, »wir sind nicht gekommen, um Eurer Majestät Waren anzubieten, wir müßten sonst befürchten, Ihnen aufdringlich zu erscheinen. Wir erfüllen mit unserem Kommen eine Pflicht, und dieses Bewußtsein hat uns ermutigt.«
Umständlich erklärten sie nun, daß das schöne Halsband, das die Majestät ausgeschlagen hatte, das zu tragen jedoch einzig Ihre Majestät würdig wäre, nunmehr verkauft werde.
Die Neugier der Königin ruhte nicht, ehe sie die Juweliere, die sich auf ein Staatsgeheimnis beriefen, dahin gebracht hatte zu verraten, daß der Käufer der portugiesische Gesandte sei.
Madame de La Motte war nicht entgangen, mit welchem Bedauern die Königin von dem Geschmeide sprach, und als sich zeigte, daß die Herren es noch einmal zur Ansicht mit sich führten und daß die Königin dem Verlangen, es abermals zu betrachten, nicht widerstehen konnte, genoß Jeanne die Lust, dieses
Prachtstück zu bewundern und die Begehrlichkeit der Königin aufs neue zu erwecken.
»Herrlich! Wundervoll!« rief sie hingerissen ein übers andre Mal.
»Nun ja«, versetzte die Königin, auch sie war von dem Schauspiel der tausendfältig gleißenden, sprühenden, flammenden Steine wiederum in Bann geschlagen wie beim erstenmal, »das wären anderthalb Millionen, die ich in meiner hohlen Hand halten könnte. Glück für die Königin von Portugal. Es sind in der Tat wundervolle Steine, aber reden wir nicht mehr davon.«
Jeanne fand im Gegenteil, daß man sehr viel von ihnen sprechen sollte, in ihrem Kopf regten und kreuzten sich neue Ideen, und sie gab die Hoffnung nicht auf, die Königin zu überzeugen.
»Der Herr Juwelier hat recht«, sagte sie, »es gibt auf der Welt nur eine Königin, die würdig ist, diesen Schmuck zu tragen: Eure Majestät.«
»Und doch wird meine Majestät ihn nicht tragen«, erwiderte Marie-Antoinette mit erkünsteltem Phlegma.
»Wir durften ihn indessen aus Frankreich nicht fortgehen lassen«, bemerkte der Juwelier, »ohne Eurer Majestät wenigstens unser tiefes Bedauern zu Füßen zu legen. Dies ist ein Schmuckstück, das jetzt in ganz Europa bekannt ist und um das man viel Aufsehen macht. Unser nationaler Stolz erlaubt nicht, daß eine andere Fürstin sich damit schmücke, ehe Sie, Madame, nicht noch einmal, endgültig und unwiderruflich Ihre Ablehnung bekundet haben.«
»Ich habe sie bereits ausgesprochen«, entgegnete die Königin, »und man hat mich in der Öffentlichkeit zu sehr dafür gelobt, als daß ich sie bereuen könnte.«
»Majestät, wenn das Volk es edel gefunden hat, daß Sie ein Kriegsschiff einem Halsband vorzogen, so hätte der Adel, der ebenso französisch gesinnt ist, nichts Erstaunliches daran ge-funden, wenn die Königin von Frankreich ein Halsband gekauft hätte, nachdem sie ein Kriegsschiff gekauft hat.«
»Sprechen wir nicht mehr davon«, sagte Marie-Antoinette mit einem letzten Blick auf die Steine. Jeanne seufzte.
»Sie seufzen, Gräfin; aber Sie an meiner Stelle würden nicht anders handeln als ich.«
»Ich weiß nicht«, murmelte Jeanne.
»Haben Sie sich satt gesehen?« fragte die Königin.
»Das ist unmöglich, Madame.«
»Lassen Sie diese Neugierige die Steine noch ein wenig bewundern, meine Herren. Die Diamanten verlieren dadurch ja nichts. Sie sind leider immer noch eineinhalb Millionen wert.«
Dieses Wort bot Jeanne den erwarteten Anlaß einzugreifen.
»Gewiß, eineinhalb Millionen Francs, Madame. Sie würden, wenn, Sie sie an Ihrem Halse trügen, die Eifersucht aller Frauen der Welt erregen ...«
Damit nahm sie das Halsband so behende aus dem Etui und legte es so flink um den samtenen Hals Marie-Antoinettes, daß diese sich jäh von einem phosphoreszierenden Gefunkel überflutet sah.
»Oh! Eure Majestät sehen herrlich aus«, rief Jeanne.
Marie-Antoinette eilte vor einen Spiegel und stand geblendet.