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Boehmer lehnte ab.

»Hunderttausend, hundertfünfzigtausend«, steigerte Beausire.

Er war entschlossen, bis zu einer Million zu bieten, um seinen Anteil an dem Coup nicht zu verlieren.

Die Juweliere, die im ersten Augenblick geblendet waren, erklärten jedoch, daß es unnütz sei, sie in Versuchung zu führen; ein Wille, mächtiger als der ihrige, zwinge sie, das Halsband nicht außer Landes zu verkaufen.

Manoel und Beausire waren so in Fieber geraten, daß sie nicht bemerkten, wie im Vorzimmer der Kommandeur sich anstrengte, hinter der Tür die Verhandlung zu belauschen. Dabei war er so ungeschickt, gegen die Tür zu stoßen.

Beausire stürzte hin.

»Herr Sekretär«, stammelte der Kommandeur, »ich bringe die Depeschen von heute morgen.«

Bei dem Wort Depeschen erhoben sich Boehmer und Bossange erleichtert. Beausire und Manoel fiel nichts Besseres mehr ein, als sie scheinbar gleichmütig zu verabschieden. Der Kommandeur erhielt Auftrag, die Herren zum Tor zu geleiten.

»Geplatzt!« rief der Portugiese.

»Klar«, konstatierte Beausire.

»Bleiben die hunderttausend, geteilt durch zwölf, macht achttausend pro Nase.«

»Lumpige achttausend für soviel Aufwand!« sagte Beausire.

»Oder fünfzigtausend für uns beide.«

»Aber der Kommandeur ist gleich zurück. Wenn er nichts kriegt, haben wir das ganze Haus am Hals.«

»Mir wird schon was einfallen«, meinte der Portugiese mit eigenartigem Tonfall.

»Und ich habe einen Einfall«, sagte Beausire, »rufen wir den Kommandeur, und tun wir, als wollten wir mit ihm teilen.«

»Ich verstehe«, sagte Manoel, »gut, hol ihn.«

»Ich finde, du solltest gehen.«

Aber weder der eine noch der andere wollte sich von der Kasse entfernen. Vertrauen ist rar in dieser Welt.

Beausire öffnete das Fenster und rief den Kommandeur, den er im Hof mit dem Ersatzmann für den Schweizer sprechen sah.

»Wetten wir«, sagte Beausire, als der Kommandeur eintrat, »daß du eben da unten ausposaunt hast, daß alles geplatzt ist?«

»Haltet ihr mich für blöde?«

»Dein Glück«, sagte Beausire, »also teilen wir zu dritt. Nimmst du an?«

»Und ob ich annehme«, erwiderte der Kommandeur und rieb sich die Hände.

»Ah, Schuft du!« rief Beausire. »Du wolltest die Kameraden betrügen. Hilf mir, Portugiese, ab mit dem Verräter in die Dunkelkammer. Wir holen die anderen.«

Dom Manoel, im Bewußtsein seiner Kraft, schleppte den Kommandeur fort, drohte ihm, ihn zu erdrosseln, wenn er schreien würde, und stieß ihn in die Kammer, die er doppelt verschloß. Als er sich umsah, war Beausire fort.

Der Portugiese stürzte zum Kassenraum, um mit dem Geld allein durchzubrennen, ehe Beausire mit den übrigen zurück wäre. Der Kassenraum war verriegelt.

Beausire mißtraut mir, weil ich den Schlüssel habe, dachte er, er soll sich wundern.

Er sprengte den Riegel mit dem Degen. Aber siehe, die Kasse stand offen und leer.

Beausire mit seinem Nachschlüssel hatte vorgesorgt und war verschwunden.

Der Portugiese rannte durchs Haus wie von Sinnen, teilte unter Wutgeheul allen den Betrug mit. Aber keiner glaubte ihm. Alle waren überzeugt, daß er das Komplott mit Beausire ausgeheckt hatte und daß er von diesem mit der halben Beute irgendwo erwartet wurde. Herr Ducorneau eilte bei dem unbeschreiblichen Tumult herbei. Er erstarrte, da er sah und hörte, daß der Herr Gesandte von den übrigen Herren, die sich allerdings kaum mehr als solche betrugen, gepackt und abgeführt wurde, um im Schuppen gehenkt zu werden.

»Das, das grenzt ja an Majestätsbeleidigung!« schrie Herr Ducorneau und stotterte vor Bestürzung.

Im selben Augenblick wurde feierlich ans Tor geklopft. »Öffnen Sie! Im Namen des Herrn Botschafters von Portugal«, verkündete eine portugiesische Stimme.

In wilder Flucht stoben die Ganoven auseinander.

Der echte portugiesische Gesandte konnte sich nur mit Hilfe der Polizei Eintritt verschaffen.

Herr Ducorneau wurde als einziger verhaftet.

Illusion und Wirklichkeit

In gemäßigter Eile, um nicht aufzufallen, hatte Beausire die nächsten Straßen und Gassen durchquert, dann war er gerannt, immer schneller gerannt, bis er an den Getreidehallen sich unter die Leute mischen und sich versichern konnte, daß ihm niemand gefolgt war.

Außer Atem ließ er sich auf einem Kornsack nieder und tat, als betrachtete er hingegeben die Medici-Säule, doch interessierte ihn das Kunstwerk des Philibert de Lormes ebensowenig wie die Sonnenuhr, mit der Herr de Pingre sie geschmückt hat. Vielmehr sog er seine rasselnden Lungen voll frischer Luft und ergab sich, nachdem er wieder einigermaßen ruhig atmen konnte, dem erfreulichen Gedanken, daß er jetzt ein reicher Mann war. Jetzt kann ich ehrlich weiterleben, sagte er sich, mir scheint, ich setze bereits Fett an. Oliva werde ich zu einer ehrbaren Frau machen. Ein zurückgezogenes Leben in der Provinz wird ihr schon behagen. Meine Oliva, meine Nicole, dachte er, zärtlich aufseufzend, sie hat nur zwei Fehler, ihre Faulheit und ihre Hoffart, sonst ist sie gut.

Nur zwei Fehler, armer Beausire! Faulheit und Hoffart sind zwei Todsünden.

Er überzeugte sich, daß die hunderttausend Francs noch vollzählig in seiner Tasche steckten, dann zog er weiter. Wenn man ihn auch hier nicht suchen würde, so war doch gewiß, daß man ihn suchen würde. Er vermutete, daß seine Kumpane sich in

Banden teilen und zunächst das Haus des Diebes umstellen würden. Und das war die entscheidende Schwierigkeit, denn dort wohnte auch Oliva. Man würde sie verhören, vielleicht sogar mißhandeln, womöglich als Geisel nehmen. Mit den Herren der Gesandtschaft war nicht zu spaßen, das wußte Beausire, und sein Gehirn arbeitete so fieberhaft, daß er den Verstand verlor. Sollte er sich selber retten und Oliva preisgeben; sollte er seine Haut und seinen Schatz wagen, um Oliva zu holen?

Schließlich war die Liebe stärker als die Vorsicht. Seine Kumpane konnten ihn noch nicht eingeholt haben. Er warf sich in einen Fiaker und fuhr zum Pont-Neuf. Da er einen dicken Taler zeigte, flogen die Pferde.

Hinter der Statue Heinrichs IV., auf der Plattform, wo man damals zu halten pflegte, sollte der Wagen warten.

Es dunkelte bereits. Beausire öffnete einen Wagenschlag und warf einen spähenden Blick in die Rue Dauphine.

Er hatte langjährige Übung darin, die Leute von der Polizei, auch wenn sie verkleidet gingen, zu erkennen. Nun, zwei solcher Herren bemerkte er sofort. Sie standen in einiger Entfernung voneinander und hatten die Rue Dauphine im Auge. Aber Spitzel in der Nähe des Pont-Neuf waren keine Seltenheit. Ein Sprichwort dieser Zeit sagte, wer einen Prälaten, ein Freudenmädchen oder ein weißes Pferd sehen wolle, brauche nur über den Pont-Neuf zu gehen, und weiße Pferde, Soutanen und Huren waren seit jeher ein Gegenstand der besonderen Aufmerksamkeit der Polizei. Also war Beausire jetzt noch lange nicht verzweifelt. Er machte sich bucklig, hinkte durch die Menge und bog in die Rue Dauphine. Schon war er dicht vor dem Haus und keine Spur von dem zu sehen, was er befürchtete. Die Fenster waren geschlossen. Sicher lag Oliva auf dem Sofa, las irgendeinen Schmöker und knabberte Süßigkeiten.

Plötzlich gewahrte er eine Uniform der Scharwache auf der anderen Straßenseite, mehr noch, er erkannte eine zweite hinter dem Fenster von Olivas kleinem Salon.

Kalter Schweiß brach ihm aus, und der gilt nicht als wohltätig. Aber es gab kein Zurück mehr. Er mußte an dem Haus vorübergehen.

Welch ein Schauspiel! Der ganze Hausflur wimmelte von Gardisten, unter denen ein schwarzgekleideter Kommissar vom Chatelet zu erkennen war.

Mit raschem Blick begriff Beausire, daß diese Leute verärgert und enttäuscht aussahen. Die Fähigkeit, in den Gesichtern von Polizisten zu lesen, hat man eben, oder man hat sie nicht; so mußte er nicht zweimal hinsehen, um zu erraten, daß die Herren ihr Opfer nicht gefunden hatten. Offenbar hatte Herr de Crosne, von irgend jemand benachrichtigt, seine Hand nach Beausire ausgestreckt und nur Oliva gefangen.