Sie hatte keinen Audienzbrief, bezweifelte aber nicht, daß die Etikette sich ihren Wünschen beugen werde. Und sie behielt recht. Wer an sich glaubt, wer stark genug von sich überzeugt ist, zieht den Erfolg magisch an.
Die Königin trat eben aus der Kapelle. Ein kluger Lakai, der sich einschmeicheln wollte, meldete dem Kammerherrn in Hörweite Ihrer Majestät, daß die Gräfin de La Motte-Valois gekommen sei, aber keinen Audienzbrief habe, und schon erging seitens der Königin Order, die Besucherin ins Badehaus zu führen.
Jeanne griff nach ihrer Börse, um dem Lakaien in barer Münze zu danken, aber der bedeutete ihr lächelnd, daß er seines Lohnes gewiß sei. Und die Gräfin begriff, daß eine Protektion die andere wert war. Wer sie protegierte, wurde von ihr protegiert, ob Lakai oder Kardinal.
Bald stand sie vor der Königin. Marie-Antoinette war ernst, vielleicht sogar verstimmt, weil sie die Gräfin durch ihre rasche Bereitwilligkeit allzusehr begünstigt hatte. Die nächsten Worte werden alles entscheiden, sagte sich Jeanne, entweder glättet sich ihre Stirn, oder sie wirft mich hinaus.
Mit wenig Aufwand wußte sie der Majestät anzudeuten, daß sie nichts begehre, daß ihr Kommen vielmehr für die Königin selber von Wichtigkeit sei. Marie-Antoinette bestieg mit Hilfe ihrer Kammerfrauen das Bad, dann schickte sie die Dienerinnen fort. Jeanne hatte freie Bahn. Dennoch war es eine heikle Unternehmung, den Kardinal Rohan und seine aufrichtige Ergebenheit für die Königin abermals ins Gespräch zu bringen, ihn gegen die ironische Abwehr der Majestät vorsichtig zu verteidigen, um keinen Zorn gegen sich selbst zu erregen, und schließlich auf das Halsband hinzulenken. Sowenig zugänglich die Königin diesmal war und so scharf sie wiederum gegen Herrn de Rohan ausholte, Jeanne führte die Unterhandlung so wendig und klug, daß sie über manche wohlbedachte Umschweife ihrem Ziel immer näher kam.
»Sie erwähnten jene Diamanten«, sagte die Königin schließlich, unvorsichtig dem Impuls ihrer Begierde folgend. »Gestehen Sie nur, daß Sie an sie gedacht haben?«
Mit der Freude eines Generals auf dem Schlachtfeld, der seinen Feind einen entscheidenden Fehler machen sieht, entgegnete Jeanne strahlend:
»Tag und Nacht, Madame. Sie sind so schön, sie werden Eurer Majestät herrlich stehen.«
»Wie kommen Sie darauf? Sie sind doch verkauft, dem portugiesischen Gesandten verkauft?«
Sanft schüttelte Jeanne das Haupt.
»Nein?« fragte die Königin mit merklicher Freude.
»Nein, Madame. Verkauft sind sie zwar, aber nicht an den portugiesischen Gesandten, sondern an Herrn de Rohan.«
Die Königin blickte empört auf.
»Erlauben Sie, Majestät«, fuhr Jeanne beschwichtigend fort, »was Herr de Rohan getan hat, ist edel; nur ein großes Herz ist einer solchen Regung fähig.«
Und nun erläuterte sie der Königin, daß der Kardinal diesen Kauf getätigt habe, nachdem er von ihr, Jeanne de La Motte, erfahren hatte, wie es um dies Halsband und um die finanzielle Situation der Königin bestellt sei. Es habe ihn entrüstet, daß die Königin von Frankreich sich ein Geschmeide versagen sollte, das ihr gebührte; daß sie zum Gespött ausländischer Höfe werden könnte, weil sie nicht in der Lage war, sich dieses Schmuckstück zu leisten. Die Würde der Königin stehe auf dem Spiel, habe er gesagt, man dürfe nicht dulden, daß eine andere Herrscherin mit diesen Diamanten prunke und über Frankreichs Gebieterin triumphiere.
»So sind Sie sicher«, fragte die Königin, »daß er das Halsband nicht gekauft hat, um es einer Geliebten zu schenken?«
»Ich weiß«, entgegnete Jeanne, »daß er es eher vernichten als an dem Hals einer anderen Frau würde sehen wollen.«
Marie-Antoinette versank in Schweigen.
»In der Tat«, sagte sie endlich, »Herr de Rohan hat edel gehandelt. Es ist wahr, er hat mir eine zartsinnige Ergebenheit bewiesen. Sprechen Sie Herrn de Rohan meinen Dank aus.«
»Nur zu gern, Madame.«
»Sagen Sie ihm auch, daß ich von der Freundschaft alles annehme, unter dem Vorbehalt, mich zu revanchieren. Ich nehme also, ich sage nicht dieses Geschenk Herrn de Rohans, wohl aber seine Hilfeleistung an als einen Vorschuß, den er mir gewährt hat. Er hat sein Geld oder seinen Kredit verwendet, um mir zu ermöglichen, daß ich meine Laune befriedige. Ich will ihn dafür schadlos halten. Boehmer hat, wie ich vermute, Barzahlung verlangt?«
»Allerdings, Madame, zweihundertfünfzigtausend Francs.«
»Das ist das Taschengeld, das der König mir für drei Monate bewilligt. Ich habe heute eine solche Summe erhalten.«
Die Königin schellte. Die Kammerfrauen kamen und hüllten sie in feinen, vorgewärmten Batist.
In Begleitung Jeannes in ihre Gemächer zurückgekehrt, sagte sie zu der Gräfin: »Bitte öffnen Sie dort diese Lade. Da finden Sie ein Portefeuille, das genau die Summe enthält. Zählen Sie nach.«
Jeanne gehorchte.
»Bringen Sie das Geld dem Kardinal. Danken Sie ihm und sagen Sie ihm, daß ich es so einrichten werde, daß er sein Geld erhält. Auch die Frage der Zinsen wird gelöst werden. Ich werde das Halsband also bekommen, ohne daß Paris etwas davon erfährt, und wenn es mir auch schwerfallen wird, es zu bezahlen, soll doch der König nicht darunter leiden. Ich gewinne dabei sogar, denn ich habe erfahren, daß ich einen zartsinnigen Freund habe, der mir dient ... und eine zartsinnige Freundin, die mich erraten hat.«
Damit reichte sie Jeanne die Hand.
»Sagen Sie Herrn de Rohan auch, daß er in Versailles willkommen ist und daß ich ihm selbst Dank sagen werde.«
Jeanne schwebte davon, nicht berauscht, sondern irrsinnig vor Freude und befriedigtem Stolz. Sie preßte die Kassenscheine an sich wie ein Geier seinen Raub.
Geradenwegs fuhr sie von Versailles zum Kardinal, dem sie getreulich das Geld und die Worte der Königin überbrachte.
Der Kardinal bekundete ihr seinen Dank nicht allein in Worten, er hatte an einer Aktienspekulation verdient und überreichte ihr von seinem Gewinn einen Anteil.
»Gut«, sagte Jeanne, »wer gibt, darf auch empfangen, Mon-seigneur. Am meisten freut mich, daß Sie an mich gedacht haben.«
Bei Doktor Louis
Gewiß erinnert sich der Leser, in welch beklagenswertem Zustand wir Herrn de Charny verließen. Während man im Vorzimmer der Königin sich um ihn bemühte, trat unvermutet der König hinzu, der seiner Gemahlin einen Besuch machen wollte, und als er den jungen Helden erkannte, befahl er, den Ohnmächtigen sofort seinem Leibarzt, Doktor Louis, zu übergeben.
Doktor Louis ließ den Kranken, der stark zu fiebern begann, in seiner Wohnung in ein Bett legen. Als er den jungen Mann untersuchte, entdeckte er die frische Wunde, die er in entzündetem Zustand fand. Dennoch beunruhigte den Doktor diese Entzündung weniger als die nervliche Verfassung seines Patienten. Charny redete im Fieber so heftig und so wirr, daß der Arzt zu Recht vermutete, nicht die Wunde könne die Ursache dafür sein, sondern ein schwerer seelischer Konflikt müsse diesem Delirium zugrunde liegen.
Anfangs wollte der Doktor nicht auf die wilden Phantasien seines Kranken hören, doch kehrte der Name der Königin so häufig darin wieder, daß er ihnen Beachtung schenken mußte. Schließlich war es dem königlichen Leibarzt strenge Pflicht, die Ehre und den Ruf Ihrer Majestät zu schützen. Welche Peinlichkeiten könnten sich ergeben, wenn Bediente diesen Reden lauschen würden. Und was geschähe, wenn von seiten des Königs jemand geschickt würde oder wenn der König selbst käme, um seinem Schutzbefohlenen einen Krankenbesuch zu machen? Der Doktor geriet in arge Bedrängnis. Er wußte sich schließlich keinen anderen Rat, als den Rat der Königin einzuholen. Da aber sah er sich bereits Madame de Misery gegenüber, die ins Krankenzimmer eintreten und im Auftrag Ihrer Majestät über das Befinden des jungen Offiziers sich unterrichten wollte.