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»Ich bestätige, von Herrn Joseph Balsamo die Summe von fünfhunderttausend Francs erhalten zu haben, die ich auf erste Einforderung zurückerstatten werde.

Louis de Rohan«

Was sollte er tun? Wie ein Blitzschlag zertrümmerte diese Forderung die schönen Traumgebäude des Kardinals. Er zitterte am ganzen Leibe. Die Unheimlichkeit dieses Überfalls schnürte ihm die Kehle zu. Welcher rätselhafte Zufall hatte es gefügt, daß diese alte Schuld genau den Betrag ausmachte, den er zu seinen großen Zwecken erst vor wenigem zusammengetragen hatte?

Kaltblütig beobachtete Cagliostro sein Gegenüber.

»Seien Sie überzeugt, Monseigneur«, sagte er schließlich, »daß ich das Geld jetzt nicht verlangen würde, wenn ich mich nicht tatsächlich am Ende meiner Mittel sähe und wenn ich nicht wüßte, daß Sie augenblicklich über diese Summe verfügen.«

Der Kardinal blickte Cagliostro entgeistert an.

»Nicht wahr«, fuhr dieser fort, »Sie haben dreißigtausend Livres in Gold, zehntausend in Silber und den Rest in Kassenscheinen in diesem Schrank?«

Herr de Rohan ließ jeden Gedanken fahren, den furchtbaren Hellseher um einen Aufschub zu bitten. Er erhob sich stumm und zahlte.

Abrechnungen

Ludwig XVI. kam übelgelaunt in den Rat. Die Nachrichten aus Rußland waren schlecht. Ein Schiff war im Löwengolf gesunken. Mehrere Provinzen verweigerten die Steuern. Eine schöne Weltkarte, die der König selber poliert und gefirnißt hatte, war unter Wärmeeinwirkung gesprungen, und Europa war in zwei Teile zerrissen. Seine Majestät war jedermann gram, sogar Herrn de Calonne. Vergeblich bot der ihm mit lachender Miene sein schönes parfümiertes Portefeuille dar. Der König kritzelte schweigend und verstimmt auf ein weißes Blatt Papier Schraffuren, was Sturm bedeutete - so wie Männchen und Pferde gut Wetter hießen.

Denn während der Ratssitzungen pflegte der König zu zeichnen. Er sah den Menschen nicht gern ins Gesicht, er war schüchtern; die Feder in seiner Hand gab ihm Sicherheit und eine Haltung. Während er so beschäftigt war, konnte der Redner seine Argumente ausbreiten; der König hob nur dann und wann den Blick, gerade so lange, daß er den Mann, der da sprach, nicht vergaß. Und sprach er selber, nahm das Zeichnen seiner Rede jeglichen Anflug von Prätention, er brauchte keine Gesten zu machen; er konnte je nach Belieben sich unterbrechen oder sich ereifern, die Striche auf dem Papier ersetzten das gestische Beiwerk seiner Worte.

Der König also nahm die Feder zur Hand wie üblich, und die Minister trugen ihre Projekte oder diplomatische Noten vor, ohne daß er ein Wort dazu sagte. Er ließ die Auslandskorrespondenz vorübergehen, als ob er davon nicht das mindeste verstünde. Erst als die Abrechnungen für den Monat an die Reihe kamen, hob er den Kopf.

Herr de Calonne verlas ein Memorandum über die für das kommende Jahr geplanten Anleihen, und der König begann wütend zu schraffieren.

»Immer diese Anleihen«, knurrte er, »und niemand weiß, wie man sie bezahlen soll; das ist ein fatales Problem, Monsieur.«

»Sire, eine Anleihe aufnehmen heißt aus einer Quelle schöpfen; hier läuft das Wasser aus, dort fließt es über. Mehr noch, es verdoppelt sich, empfängt aus unterirdischen Strömen neuen Zufluß. Man sollte nicht fragen: wie bezahlen wir? Das Problem ist: worauf bekommen wir Kredite? Eure Majestät sprachen von einem Problem. Das wahre Problem ist nicht die Rückerstattung, sondern das Auffinden von Gläubigern.«

Der König wußte dem nichts zu erwidern, aber er schraffierte so dicht, daß das Papier schwarz wurde.

Nachdem Calonne seinen Plan vorgelegt und die Zustimmung der Kollegen eingeholt hatte, unterzeichnete Ludwig seufzend.

»Und jetzt«, fuhr Herr de Calonne lächelnd fort, »da wir Geld haben, gehen wir daran, es auszugeben.«

Der König sah den Minister mit einer Grimasse an und machte aus den Schraffuren einen riesigen Tintenbrei.

Herr de Calonne legte ihm ein Budget vor, das Pensionen, Gratifikationen, Schenkungen und Solde enthielt. Ludwig blätterte, bis er die Endsumme fand.

»Eine Million einhunderttausend für lauter Kleinigkeiten?« fragte er. »Wie ist das möglich?«

»Lesen Sie, Sire, überzeugen Sie sich«, sagte Calonne.

Ludwig überflog unwillig die Zahlen, sein Blick blieb an dem einzigen herausragenden Betrag haften.

»Fünfhunderttausend Francs«, sagte er, »wofür?«

»Eine Vorschußzahlung an Ihre Majestät, die Königin.«

»Vorschuß an die Königin? Die Königin hat ihr Taschengeld erhalten. Der Posten wird gestrichen.«

Der Finanzminister verteidigte die Königin, aber Ludwig blieb fest. Er nahm die Feder, strich eigenhändig Marie-Antoinettes Juwelengeld, dann unterschrieb er, stolz auf seine Sparsamkeit, in blindem Vertrauen alle übrigen Schriftstücke und malte ein wunderhübsches Zebra in einen Kranz von Nullen.

Marie-Antoinette und Madame de La Motte

Die Königin bestellte Madame de La Motte zu sich und unterrichtete sie betrübt über ihr Mißgeschick.

»Fahren Sie schnell nach Paris«, sagte sie, »und sagen Sie dem Kardinal, daß ich die fünfhunderttausend Francs für die erste Rate von ihm annehme, bis ich sie zurückzahlen kann.«

»Ach, Madame«, erwiderte Jeanne, »dann sind wir verloren. Der Kardinal hat kein Geld mehr. Eine vergessene Schuldforderung ist präsentiert worden, er konnte nicht anders. Es war sein letztes Geld.«

Die Königin fuhr auf, als wäre sie beschimpft worden. Dann versank sie in Schweigen.

»Das ist eine furchtbare Lektion«, sagte sie schließlich, »ich werde bestraft, weil ich Geheimnisse vor dem König hatte und mein Begehren unbedingt befriedigen wollte. Ich brauchte dieses Halsband ja gar nicht.«

»Gewiß, Madame, aber wenn eine Königin nur ihre Bedürfnisse, nicht aber ihre Neigungen befriedigen darf .«

»Ich hätte zuerst an die Ruhe und den Frieden meines Hauses denken müssen. Diese Niederlage soll mich lehren, welchen Peinlichkeiten ich mich nur zu leicht hätte aussetzen können. Nein, opfern wir unsere Eitelkeit auf dem Altar der Pflicht. Dieses Halsband, so schön es war, ist von nun an für mich nur mehr ein Haufen Steine, und mit Steinen tut man, was die Kinder tun, wenn sie damit gespielt haben, man wirft sie weg oder vergißt sie.«

»Was wollen Majestät damit sagen?«

»Daß Sie, liebe Gräfin, das Etui mit dem Schmuck, das Herr de Rohan mir überreicht hat, den Juwelieren Boehmer & Bossange zurückbringen sollen.«

»Aber Eure Majestät haben zweihundertfünfzigtausend Francs angezahlt!«

»Desto besser, so gewinne ich eine Viertelmillion zurück und bin mit meinen Finanzen im Einklang.«

»Madame«, rief die Gräfin, »die Viertelmillion werden Sie verlieren! Es ist sehr wahrscheinlich, daß die Juweliere über das Geld schon verfügt haben und sich weigern, es wieder herauszugeben.«

»Dann überlasse ich es ihnen als Angeld, wenn sie nur von dem Vertrag zurücktreten. Mit zweihundertfünfzigtausend Francs Reugeld sind sie gut bedient, sie werden sich nicht beklagen, und niemand wird von der Geschichte etwas erfahren. Tragen Sie das Halsband fort, Gräfin, und danken Sie Herrn de Rohan für seinen guten Willen. Er ist ein verständiger Mann und ein Priester, er wird meine Handlung billigen.«

Die Königin verfügte so gebieterisch, daß Jeanne keinen weiteren Einspruch wagte. Sie versprach, zuerst nach Hause zu fahren, ehe sie die Juweliere aufsuchte, um nicht den Argwohn der Polizei zu erregen, und barg das Etui in ihrer Mantille.

Anderntags erhielt die Königin ein Schreiben von Jeanne, dem der Empfangsschein der Juweliere beigefügt war. Dieses wichtige Dokument lautete:

»Die Unterzeichneten bestätigen, das Diamantenhalsband, das Ihrer Majestät der Königin zum Preis von einer Million sechshunderttausend Francs verkauft worden war, zurückgenommen zu haben, da die Diamanten Ihrer Majestät nicht mehr gefielen. Die uns geleistete Anzahlung von zweihundertfünfzigtausend Francs ist uns als Entschädigung und Reugeld überlassen worden.«