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«Nur ganz harte Burschen können wir gebrauchen!«sagte der >Ge-müsehändler< und blickte in die erwartungsfrohen Augen der Kandidaten^»Ob auf Korsika oder in Dschibuti, der Dienst ist hart und die Weiber sind geil! Das muß man durchstehen können!«

Die Jungen lachten, unterzogen sich allen Tests und waren glücklich, wenn der Gemüsehändler am Ende aller Untersuchungen sagte:»Ich glaube, dich können wir gebrauchen. Aber das wird in der Zentrale entschieden.«

Die Ausgewählten bekamen ihr Handgeld, zweihunderttausend Lire, das sind gut fünfhundert Mark, und einen Zettel, auf dem stand:»Übermorgen, um 5 Uhr früh, auf dem Platz Garibaldi!«

Es konnte tatsächlich nicht auffallen: Um 5 Uhr früh stand auf dem Platz ein Kleinbus, gleich nach der Haltestelle der städtischen Busse, ein freundlicher Fahrer begrüßte die fünfoder sechs Burschen und besänftigte ihren Abschiedsschmerz ein wenig, indem er sagte:»Kopf hoch, Kameraden! In der Legion wird eure neue Heimat sein! Wenn alles gutgeht, habt ihr nächste Woche schon euren ersten Ausgang in'n Puff!«

Die Jungen lachten, stiegen in den Bus und fühlten sich bereits jetzt stolz und stark.

Die Fahrten von Messina und Catania aus, quer durch Sizilien, dauerten nicht lange. Wer von Neapel herüberkam, erlebte noch eine schöne Schiffsreise und oft genug schon auf dem Schiff eine zärtliche Stunde. Das ist das Merkwürdige bei Seereisen: Die Frauen entwickeln eine Liebessehnsucht, als gälte es, Jahre nachzuholen oder

Jahre vorauszuleben. Sexualwissenschaftler behaupten, die jodhaltige Salzluft des Meeres rege dazu an.

Es war das letzte Erlebnis der >Kandidaten<. Und ihre letzte Begeisterung schlug hohe Wellen, wenn sie über die neue Straße von Camporeale den Hügel hinauffiuhren und den riesigen weißen Bau des Kinderheimes sahen.

«Ist das die Kaserne?«war die immer gleiche Frage.

«Natürlich nicht!«lautete dann die Antwort.»Das ist die heimliche Sammelstelle, Kameraden. Hier werdet ihr noch einmal gründlich untersucht, und wenn dann alles in Ordnung ist, seid ihr endgültig Angehörige der ruhmreichen Fremdenlegion.«

Der Flügel III des Kinderheimes war auf der obersten Etage schalldicht ausgebaut. Ein Lift, der nur von dort in den Keller fuhr und sonst nicht zu erreichen oder auch nur zu sehen war, verband die Operationsabteilung mit Sorianos furchtbarer >Herzbank<. Die vier Zimmer unter der Erde, in der auch Domenico Barnazzi aus Leonforte gesessen hatte, tobend, schreiend, um sich schlagend, bis drei bullige Männer ihn packten, zusammenschlugen und in den nächsten fünf Tagen mit Injektionen ruhigstellten und durch das Teufelszeug, das sie ihm einspritzten, wesensmäßig so veränderten, daß er später nur noch stumpfsinnig vor sich hin brütend herumsaß, aß, seine Notdurft verrichtete und schlief — diese vier Zimmer hatten sich bald als viel zu klein erwiesen. Auch als in jedem Raum zwei Männer wohnten, kam man in Platznot, denn aus den Sammelstellen karrten die fleißigen Werber jede Woche mindestens einen Bus voll nach Camporeale.

So wurde der Flügel II, siebtes Stockwerk, in Tag- und Nachtarbeit umgebaut zu einem ausbruchssicheren, schalldichten Gefängnis. Die Fenster mauerte man zu, aber nur von innen. Wer an dem weißen Bau emporblickte, sah auch am siebenten Stockwerk das leuchtende Fensterband. Orangenfarbene Gardinen hielten die Sonne ab — es fiel keinem auf, daß sie immer vorgezogen blieben und sich nie ein Fenster zum Lüften öffnete.

Diese Etage hatte man in der Grundplanung für komfortable Krankenzimmer vorgesehen, in die man die Herzpatienten legen wollte, wenn die kritischen ersten zwei Wochen vorbei waren und die spontanen Immunreaktionen beherrscht werden konnten. Spezielle Klimageräte mit Filtern machten auch hier die Luft völlig keimfrei, um von Beginn an das auszuschalten, woran Professor Barnards erster Herztransplantationsfall gescheitert war: Eine Infektion von außen!

Spätestens wenn die jungen Burschen aus Neapel, Catania und Messina in diesen Zimmern hockten, immer vier Mann in einem Raum, nach Röntgenuntersuchungen, Blutabnahmen und eingehenden Labortests ihrer Eiweißgruppen, dämmerte es ihnen, daß hier etwas nicht stimmen konnte. Die Zimmer hatten keine Fenster, an den Türen waren keine Klinken, sie durften nicht ins Freie, bekamen ihr Essen gebracht und erhielten auf ihre immer dringlicher werdenden Fragen nur die Antwort:»Abwarten! Alles braucht seine Zeit!«

Der Luxus war perfekt, ohne Zweifel. Man konnte in großen Badewannen baden, es gab Duschen und sogar etwas, was sie noch nie gehört, geschweige gesehen hatten: ein Solarium! Eine künstliche Sonne! Jeden zweiten Tag legte man sie nackt darunter, auf eine weiß bezogene Bank, dann ging es in eine Art Sportraum, wo allerlei Trainingsgeräte standen, auch Hanteln, Expander, Trockenruderapparate gab es dort, Sprossenwände, Recks und Barren, Pun-chingbälle und Sandsäcke.

Hier tobten sich die >Anwärter auf den Ruhm von morgen<, wie ein Arzt sie einmal genannt hatte, in Gegenwart von drei Aufsehern aus. Das einzige, was störte, waren die Maschinenpistolen, die vor der Brust der >Kameraden< hingen und vermutlich schußbereit waren.

«Jetzt sind es schon dreiunddreißig Mann, Don Eugenio«, sagte drei Wochen später Dr. Nardo bei einer Besprechung zu Dr. Soriano.»Wir müssen abstoppen und eine Zeitlang tatsächlich nur Gemüse verkaufen. Oder wollen Sie eine ganz Kompanie zusammenstellen?«

«Wieviel brauchen Sie?«fragte Soriano zurück.

«Mit diesen dreiunddreißig komme ich vorerst aus. «Es war wirklich, als spräche man über die Lagerhaltung von Ersatzteilen.»Wir haben Glück gehabt. Ich kann über eine Auswahl verschiedener Eiweißgruppen verfügen. Die Herzen sind durchweg in bester Form. Sämtliche Tests sind von den Burschen mit Bravour durchgestanden worden. Auch die extremsten Belastungen.«

Soriano nickte. Er griff zum Telefon und rief Catania, Messina und Neapel an. Die Werbeaktion für die >Fremdenlegion< wurde gestoppt. Dr. Nardo wartete, bis die Gespräche beendet waren, und legte dann Soriano eine Liste vor.

«Dr. Volkmar hat vier Patienten für eine Transplantation vorgesehen«, sagte er.»Nach vergleichenden Laborergebnissen haben wir für sie auch die Herzen.«

«Vier?«Soriano hob die Augenbrauen.»Wir haben elf Kranke hier.«

«Bei sieben Patienten hält Dr. Volkmar einen Herzaustausch nicht für erforderlich.«

«Ich kläre das!«Soriano erhob sich.»Sprechen Sie mit den Kranken, Pietro, und versprechen Sie ihnen, daß ihnen geholfen wird.«

Unmöglich, dachte er, als er in seinem Wagen saß und zurück nach Solunto fuhr. Man muß das Enrico einmal klarmachen! Man kann doch nicht vierzehn Millionen Dollar einfach nach Hause schicken! Wie soll man das der >Gesellschaft< gegenüber verantworten?

Achmed ibn Thaleb hatte die totale Herzverpflanzung gut überstanden. Das neue Herz des jungen unbekannten Fischers schlug kräftig in seiner Brust, der Blutdruck war fast normal, der Schlagrhythmus, wie ihn der Schreiber des Meßgerätes aufzeichnete, zufriedenstellend. Thaleb hing noch an etlichen Tropfflaschen, seine Brust war überzogen mit Drähten und Kontaktbändern, an die man eine Reihe Instrumente angeschlossen hatte. Wer zu ihm wollte, mußte zwei Sterilzellen durchlaufen, wurde bestrahlt und besprüht, wechselte die Kleidung und war, wenn er das eigentliche Krankenzim-mer der Intensivstation betrat, nach menschlichem Ermessen frei von allen Keimen und Bakterien. In den ersten Tagen trug jeder auch noch Atemmasken, um keine Infektionen mit dem Atem einzuschleppen.

Louis Waskansky in Kapstadt war gestorben. Nach achtzehn Tagen mußte Professor Barnard vor der Lungenentzündung kapitulieren. Er war in einen Teufelskreis geraten: Einerseits mußte man Waskansky mit Mitteln vollpumpen, die eine Immunreaktion des Herzens aufhielten, andererseits entzog man damit dem Körper jede Abwehrbereitschaft gegen die einfachsten Infektionen. Ein aussichtsloser Kampf war beendet.