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Dr. Soriano war sehr in Sorge, als im Fernsehen gezeigt wurde, wie Professor Barnard, abgespannt, mit tiefen Ringen unter den Augen, total erschöpft und sichtlich erschüttert, das Groote-Schuur-Hospital verließ und den Fernsehreportern gestand:»Wir haben alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Hier konnte kein Mensch mehr helfen.«

Aber auf die Frage:»Wollen Sie trotzdem weiter Herzen verpflanzen?«hatte Barnard ganz klar geantwortet:»Ja!«

Volkmar sah diese Sendung in seinem Gästehaus. Loretta war wieder bei ihm, in einem traumhaften Neglige aus gelber Seide, so dünn gesponnen, daß ihr herrlicher Körper wie von einem Schleier umgeben war. Sie lag auf der Couch, den Kopf in seinem Schoß, und streichelte seine behaarte Brust, während auf dem Bildschirm Professor Barnard weitere Reporterfragen abwehrte und zu seinem Wagen lief.

«In zwei Tagen ist Weihnachten«, sagte sie und küßte seine Hände, die über ihre Augen glitten.

«Erinnere mich nicht daran!«

«Ich weiß, was Pa dir schenken wird.«

«Zehn Herzkranke. Sie liegen schon in der Klinik.«

«Eine große Segelyacht. Morgen kommt sie direkt von der Werft.«

«Eine Segelyacht! Für mich! Das ist ja ein Hohn!«

«Mit vier Mann Besatzung.«

«Aha! Das sind vier Wächter, die verhindern sollen, daß wir vor dem Wind in die Freiheit segeln!«Er machte sich von Loretta frei, ging zum Fernseher, stellte ihn ab und blieb an der großen Glastür zum Dachgarten stehen. Es war eine für Sizilien kalte Nacht; eine Kältewelle zog von Osten über das Mittelmeer und hatte es in den Bergen von Monti Erei sogar schneien lassen. Seit drei Tagen versorgten Militärlastwagen die Bergbevölkerung mit Wasser und Lebensmitteln. Die Straßen waren vereist, die Wasserleitungen zugefroren.

«Wir müssen weg, Loretta«, sagte er leise.»Nur du kannst da noch helfen. Meine Überwachung ist perfekt. Ein eingleisiges Leben: Von hier zur Klinik und zurück, und immer sind zwei >nette Freunde< um mich.«

«Wo willst du hin?«fragte sie.»Zurück nach Deutschland? Dort bist du tot.«

«Man wird schnell begreifen, daß ich lebe.«

«Und dann?«Sie war hinter ihn getreten und hatte ihn umfaßt. Er spürte den Druck ihrer Brüste in seinem Rücken und wußte, daß er sich nie von dieser Frau würde trennen können.»Es ist nicht so einfach, als Toter wieder lebendig zu werden. Vor allem die Polizei wird dich fragen.«

«Natürlich. Und ich habe viel zu erzählen.«

«Du verlangst, daß ich meinen Vater vernichte?«

«Er ist der Chef der Mafia, Loretta.«

«Er bleibt mein Vater. Das kannst du nicht verlangen, Enrico.«

«Aber du kannst dich damit abfinden, daß ich für die Mafia heimlich Herzen verpflanze?! Pro Herz zwei Millionen Dollar als niedrigste Taxe. Damit kannst du leben?!«Er fuhr herum und drückte sie an sich. Sie verschränkte die Arme um seinen Nacken und war ganz Hingabe. Ihr Körper drängte ihm entgegen.»Ich liebe dich«, sagte er heiser.»Mein Gott, was sollen wir nur tun? So kann es doch nicht weitergehen.«

«Wir können aber auch Pa nicht verraten. Enrico, ist es nicht gleich, wo du operierst? Ob in München oder New York, London oder Pa-ris? Es sind doch Kranke, die zu dir kommen, Hilfesuchende. Und nur du kannst ihnen helfen!«

«Sie sind für deinen Vater eine Ware, weiter nichts. Er handelt mit ihnen. Herz gegen Herz, so wie man eine Kiste Apfelsinen kauft und weiterverkauft. Das ist so fürchterlich. Man könnte wahnsinnig werden, wenn man daran denkt. «Er preßte sie an sich und legte sein Gesicht in ihr langes schwarzes Haar.»Ich muß hier raus, Loretta«, sagte er. Es klang wie ein Stöhnen.»Auch ich habe nur Nerven. Die Welt ist doch groß genug für uns! Irgendwo wird es einen Platz geben, wo wir in Ruhe leben können.«

«Pa wird uns überall finden. Natürlich könnten wir flüchten. Aber es wäre eine Flucht ohne Ende. Nirgendwo hätten wir Ruhe! Nie!«

«Ich werde mich als kleiner Landarzt niederlassen. Ich werde in der Anonymität versinken.«

«Und das genügt dir? Das ist das Ziel deines Lebens? Du, der von Gott gesegnete Chirurg. Der erste Arzt, der ein Herz austauschen kann?«

«Ich sehne mich nach Ruhe, Loretta. Nur Ruhe! Ruhe! Und dazu deine Liebe. Sie ist allein ein ganzes Leben wert.«

«Wir können es versuchen, Enrico. «Sie führte ihn wie einen kleinen Jungen in das Schlafzimmer, zog ihn an ihre Seite auf das Bett und küßte seine Augen, seine Lippen, seine Stirn. Es war eine Zärtlichkeit, in die man sich verkriechen konnte wie ein sterbendes Tier in eine Höhle.

Unter dem Streicheln ihrer Hände wurde er ruhiger.

Er streckte sich aus, schloß die Augen und atmete tiefer.

Loretta beugte sich über ihn. Seine Lider vibrierten, durch die Mundwinkel lief ab und zu ein Zucken.

«Ich werde alles versuchen«, sagte sie leise.»Alles. Du weißt gar nicht, wie ich dich liebe.«

«Danke.«, antwortete er.

Seine Stimme war weit weg, aber er hatte sie gehört und war glücklich.

Am nächsten Tag war alles wieder anders.

Dr. Nardo rief aus der Klinik an. Auch die Patienten hatten im Fernsehen den Bericht aus Kapstadt verfolgt und waren unruhig geworden. Waskansky war tot. Die erste bekanntgewordene Herztransplantation endete mit einer Niederlage der Ärzte. Wiederholte sich das alles nun hier im stillen? Oder konnte man hier mehr als in Kapstadt? Gab es hier bessere Chirurgen als Professor Barnard? War das Todesurteil schon gesprochen, wenn man in den Operationssaal gerollt wurde? Zwei Millionen Dollar hatte man für ein neues Herz hingeblättert. Vorauskasse. Da war Dr. Soriano vorsichtig und eisern. Kaufte man für zwei Millionen Dollar nicht mehr als ein verlängertes Sterben?

Dr. Nardo ging von Zimmer zu Zimmer und versuchte, die Kranken zu beruhigen. Er zeigte Fotos von Achmed ibn Thaleb, der munter im Bett saß und aß. Zwar war es noch flüssige Kraftnahrung — aber er saß aufrecht im Bett, von allerlei Drähten und Schläuchen umgeben, und lächelte in die Kamera. Ein paar Ärzte umringten ihn und lächelten siegessicher mit.

Fotos! Was sagten sie schon aus? Fünf Minuten nach diesen Aufnahmen konnte Thaleb schon zusammengebrochen sein und mit dem Tod ringen. Das fotografierte man nicht. Eine Besichtigung des Operierten war ausgeschlossen, wegen der Infektionsgefahr, aber man hatte Thaleb ein Tonband besprechen lassen, das Dr. Nardo nun in jedem Zimmer abspielte.

Thaleb sagte mit recht munterer Stimme:»Mir geht es gut. Das neue junge Herz ist wunderbar! Ich fühle mich um dreißig Jahre jünger! Früher konnte ich nur einen Satz sprechen, dann mußte ich nach Atem ringen. Jetzt — Sie hören es ja! Man hat in mir die Zeit zurückgedreht. Ich bin so glücklich, daß ich weinen könnte vor Glück. Ich lebe weiter, und mein neues Herz klopft, klopft, klopft. Ein unbeschreibliches Gefühl!«

Auch dieses Tonband überzeugte nur halb. Männer, die zwei Millionen Dollar bezahlt haben, sind mißtrauisch. Wer garantierte, daß auf dem Band nicht ein Arzt gesprochen hatte? Auch Dr. Nardos kecke Erzählung, Thaleb habe schon wieder Interesse an Frauen und habe gefragt, wann er wieder, nach langer, langer Zeit, so richtig, mit Freuden — fand nur ein geteiltes Echo. Der Fernsehbericht aus Kapstadt war greifbarer, glaubhafter. Den toten Waskansky gab es wirklich. Den geretteten Thaleb hatte noch keiner gesehen!

«Sie müssen selbst überzeugen, Chef!«sagte Dr. Nardo am Telefon.»Die beste Wahrheit ist die greifbare. Wenn Sie jetzt neue Transplantationen vornehmen würden! Die Gelegenheit ist sehr günstig. In Palermo liegt ein Autounfall, der mit den Geweben von Basil Hodscha harmonieren könnte.«

Basil Hodscha war Patient Nr. 6 auf der Liste. Ein steinreicher Kaufmann aus Lyon, mit einem irreparablen Herzklappenfehler, der dem massigen Mann nur gestattete, sich im Zeitlupentempo zu bewegen. Sorianos Agenten hatten ihn in Kapstadt angesprochen und sofort nach Camporeale gebracht, nachdem Professor Barnard die Operation abgelehnt hatte. Das besondere an Basil Hodscha, einem geborenen Armenier, war, daß er statt zwei Millionen Dollar von sich aus drei Millionen geboten hatte, wenn er ein neues Herz bekäme. Soriano hatte nur zwei kassiert; die andere Million sollte als Erfolgshonorar gelten.