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«Unser Sohn!«sagte Emma ehrfürchtig.

«Ja.«

«Für 250.000 Lire?«

«Da liegen sie!«

«Mein Sohn ist aber mehr wert!«sagte Emma, die treue. In diesem Augenblick bewunderte Pier-Luigi seine Alte. Sie hatte die Situation begriffen.

Tartazzi behielt sein nettes Lächeln. Was bedeutet Geld?»350.000 Lire!«

«Diese krummen Zahlen! 400.000!«

«Abgemacht. Mein letztes Wort, oder ich gehe!«Tartazzi erhob sich.»Können wir sofort fahren?«»Sofort?«

«Ja.«

«So wie wir sind? Ohne Trauerkleidung? Giulmielmo hat es verdient, daß man um ihn trauert, wenn er ein so guter Junge war. «Pier-Luigi sah seine Emma an. Sie nickte und faltete sogar die Hände.»Wir ziehen uns schnell um. Wir sind gleich fertig.«

Tartazzi nickte, packte die Geldscheine wieder in seinen Pelzmantel und verließ das Haus. Pier-Luigi löste den Gürtel an seiner Hose und ließ sie auf seine Schuhe rutschen. Die gute Emma knöpfte ihr Kleid auf und ging zu einem alten Schrank.

«Nun hast du doch einen Sohn«, sagte Alvio und stieg aus seiner Hose.

«Aber tot!«

«Und 400.000 Lire!«

«Ich glaub' das noch nicht. «Sie holte die Trauerkleider aus dem Schrank und warf sie über eine Holzbank. Pier-Luigi betrachtete seine Emma, als sie jetzt aus dem Kleid schlüpfte und in der Unterwäsche herumlief. Sie ist alt und dick geworden, dachte er. Vor Jahren war sie ein schlankes, junges Mädchen mit langen schwarzen Locken und dünnen Beinchen gewesen, hatte gepiepst wie eine Maus, wenn er es mit ihr trieb, manchmal dreimal am Tag, so ein Kerl war er damals! Aber Kinder kamen nie dabei heraus, der Himmel weiß, warum nicht! Man hatte doch getan, was man nur konnte.

Früher. Jetzt ist sie siebenundsechzig, die gute Emma, dachte PierLuigi. Klein, dick, etwas wabbelig, mit Birnenbrüsten.

Was macht man mit 400.000 Lire?

Man sollte zuerst eine Kerze opfern für den toten Giulmielmo. Das ist man ihm schuldig.

Später, im Wagen, kam Pier-Luigi ein Gedanke.»Signore«, fragte er,»gibt es denn wirklich einen Überfahrenen?«

«Ja.«

«Warum holen Sie nicht seine Eltern?«

«Er hat keine mehr.«

«Dann ist es doch gleichgültig, ob er begraben wird oder nicht.«

«Der Chefarzt will aber Eltern sehen! Da fängt es an, kompliziert zu werden, und da solltet ihr für 400.000 Lire nicht mehr fragen. Weint und jammert und unterschreibt, mehr braucht ihr nicht zu tun.«

Und so geschah es eine Stunde später im Sekretariat des Kinderheimes von Camporeale. In Gegenwart von Dr. Soriano — diesmal in seiner vollen Würde als Notar — brachen die Alvios in herzzerreißendes Klagen aus, lagen sich weinend in den Armen, konnten sich kaum beruhigen. Dann unterzeichneten sie die Abtretungsurkunde. Giulmielmo gehörte der Klinik. Sein junges, gesundes Herz konnte in Basil Hodscha eingepflanzt werden.

Dr. Volkmar, der nur ein paar Fragen an die armen Leutchen hatte, schien zufriedengestellt zu sein und verließ das Sekretariat. Er glaubte ihnen die Trauer. Was hinter seinem Rücken geschah, wäre für ihn unfaßbar gewesen.

«Können wir unseren Giulmielmo einmal sehen?«fragte Emma, als sie nach dem notariellen Akt wieder in der großen Halle aus Marmor und Glas standen. Auf den eingerahmten Brief des Papstes schien die kalte Wintersonne.

Tartazzi zuckte zusammen, als habe man ihn getreten.

«Nein!«sagte er ziemlich grob und ohne sein berühmtes Lächeln.»Er wird schon operiert.«

«Schade. «Pier-Luigi hob die alten Schultern.»Wäre schön gewesen. Hätte gern gesehen, was 400.000 Lire wert ist.«

Das brave Ehepaar Alvio aus der Nähe des Dorfes San Cipirello blieb von diesem Tag an verschwunden. Auch die besten Detektive hätten sie nicht mehr gefunden, denn wer käme auf den Gedanken, zwei kleine Bäuerlein mit Dr. Sorianos Löwen und Krokodilen in Verbindung zu bringen?

Die Transplantation des Herzens nach der neuen Methode Dr. Volkmar gelang auch bei Basil Hodscha technisch einwandfrei. Aber als man den Thorax eröffnet hatte und die Teflonprothesen zwischen die großen Gefäße einnähte, bewahrheitete sich, was Volkmar gesagt hatte: Basils Adersystem war durch jahrzehntelanges Wohlleben stark geschädigt, durch Ablagerungen verengt, und der Blutstrom konnte nur noch gehemmt fließen.

«Da ist nun nichts zu machen!«sagte Volkmar am Ende der Operation.»Eine neue Pumpe hat er jetzt, und wenn er weiter so frißt und säuft, wird auch die bald im Eimer sein! Im wahren Sinne des Wortes.«

Diesmal saß Dr. Soriano nicht im Ärztezimmer am Fernsehschirm, um begeistert zu klatschen, wenn Dr. Volkmar aus dem OP zurückkam. Er war in Palermo, wo in dem großen Besprechungszimmer seiner Anwaltspraxis eine Sondersitzung des >Großen Rates< stattfand. Die erste Bilanz der neuen Klinik hörte sich bereits vorzüglich an, und das kaum vier Wochen nach Aufnahme der Arbeit. Zwei vollendete Herztransplantationen zu zwei Millionen und drei Millionen Dollar, acht Herzempfänger auf der Warteliste, bereits in Camporeale eingetroffen mit je zwei Millionen Dollar. Das war ein Kapital von einundzwanzig Millionen Dollar. Die Unkosten dagegen waren gering. Das Gehalt der Ärzte und Pfleger, der technische Aufwand: Zahlenkolonnen, die in der Addition geradezu lächerlich waren gegenüber den Einnahmen. Dr. Volkmar arbeitete sogar umsonst.

«Umsonst ist übertrieben«, sagte Dr. Soriano sarkastisch, als dieser Punkt abgehakt wurde.»Er kostet mich meine Tochter! Gut, ich habe mich jetzt daran gewöhnt, einen deutschen Schwiegersohn zu bekommen. Er ist mir nicht unsympathisch, im Gegenteil, ich mochte ihn von Anfang an. Aber ich hatte andere Pläne mit Loretta. Immerhin — wenn Enrico jede Woche ein Herz transplantiert, bringt er mehr Kapital herein, als es die beste Partie vermöchte. Ihr seht — «, er blickte in die Runde des >Großen Rates<, diese ihm seit Jahren bekannten Gesichter der Chefs der einzelnen >Familien< —»ich bin kein Phantast, wie ihr immer gesagt habt! Das größte und sonderbarste geheime Unternehmen steht auf festen Füßen! Es dürfte wenige Institutionen geben, mit denen man jeden Monat mindestens acht Millionen Dollar verdient! Ich glaube, wir dürfen zufrieden sein,

liebe Freunde.«

Zufrieden war auch Dr. Volkmar mit seinem ersten Patienten Achmed ibn Thaleb. Der Libanese lief seit drei Tagen fröhlich herum, war aus dem Keller und seinen Sterilschleusen verlegt worden in die vorbereiteten schönen Krankenzimmer und genoß seine Gesundung wie ein geschenktes neues Leben. Er saß viel auf der völlig verglasten und keimfrei gemachten Veranda, sonnte sich in der Wintersonne, die durch das dicke Glas geradezu sommerlich wärmte, saß vor dem Fernseher, oder hörte Schallplatten, die selbstverständlich auch steril gemacht worden waren, und aß mit gutem Appetit die vor dem Servieren bestrahlten Speisen.

Ständige Kontrollen bewiesen: Die Abstoßerscheinungen waren eingestellt worden. Thaleb war fieberfrei, die Medikamente unterdrückten jede Immunreaktion.

«Das ist ein Balanceakt, Mr. Thaleb!«sagte Dr. Volkmar einmal zu ihm.»Mit ihm werden Sie nun zeitlebens zu tun haben: Die Unterdrückung der körpereigenen Abwehr und der Kampf gegen Infektionen, die von außen kommen und gegen die sich Ihr Körper nicht mehr abschirmen kann.«

«Ich werde es schaffen, Doktor. «Thaleb war von einem fast kindhaften Vertrauen.»Dr. Nardo sagt, einmal — früher oder später — wird sich der Körper an das neue Herz gewöhnt haben und nicht mehr reagieren.«

«Das sind Wunschträume. Bis jetzt noch. Sie sind jedenfalls der erste Mensch, der ein vollkommen neues Herz hat und noch lebt! Sie werden zum Modell einer neuen Herzchirurgie werden. Nur wird es leider nie einer erfahren. Ich kann Sie nie zum Beweis vorzeigen.«