«Tun Sie's später!«sagte Soriano.»Nur eine kurze Frage: Kennen Sie Dr. Heinz Volkmar?«
«Den Transplantationsforscher?«
«Also Sie kennen ihn?«
«Nicht persönlich. Aber in der medizinischen Welt ist er.«
«Danke. Das genügt. «Soriano schnitt Dr. Nardo das Wort ab. Der fand nichts Beleidigendes daran. Wenn der Pate sprach, hatten die anderen zuzuhören. Es knackte in der Leitung. Dr. Nardo war froh, daß das Gespräch nur kurz gewesen war und Soriano nicht noch weiter spezielle Fragen gestellt hatte.
Bereits eine Stunde später schoß der Privatjet Dr. Sorianos in den wolkenlosen sizilianischen Himmel und nahm Kurs auf Sardinien. An Bord waren vier elegant gekleidete Männer, zwei dufteten nach süßlichem Parfüm. Sie flegelten sich auf den Sitzen, tranken Wein, den ihnen der Copilot servierte, und sprachen nur wenig miteinander.
Ihr Auftrag machte ihnen zu schaffen. Paolo Gallezzo war es, der immer wieder in die Zeitung starrte und die Unterlippe vor und zurück schob. Er war Uhrmacher und besaß einen schönen Laden in Palermo. In der >Familie< nannte man ihn nur den >Vollstrecker<.
Es war einfach, zu sagen:»Bringt ihn her!«
Wer das Hochland von Sardinien und den Stolz der Sarden kennt, kann verstehen, daß Gallezzo und seine Männer einige Sorgen hatten.
Bringt ihn her!
Wozu brauchte Dr. Soriano einen Herzspezialisten?
Ein großer Vorteil ist es, Verbindungen zu haben, einflußreiche Bekannte, >gute Adressen<, Empfehlungen, die einem verschlossene Türen öffnen. Man sollte auch gewisse Schwächen und peinlich versteckte Affären jener Personen kennen, dessen Dienste man benötigt.
So wunderte sich der Südfruchthändler Adriano Oreto in Cagliari nicht übermäßig, als vier modisch gekleidete Herren unter Ausschaltung seiner Sekretärin, die verstohlen den Alarmknopf drückte, in sein großes Büro traten und die Tür hinter sich schlossen.
Adriano hatte hinter seinem dicken Schreibtisch Deckung genommen und seine vornehmen Gäste begrüßt, indem er sie in den Lauf eines Schnellfeuergewehrs blicken ließ. Außerdem war durch den Alarm, den die schöne Lucia ausgelöst hatte, in den Lagerhallen der >Frucht-Compagnie Sardinien< ein Kommando zusammengerufen worden: zehn stämmige, schußerfahrene Burschen, die in wenigen Minuten zur Stelle sein mußten.
«Es wäre gut, sich ruhig zu verhalten!«sagte Oreto hinter seinem Schreibtisch, der wie eine Panzerplatte wirkte.»Reingekommen seid ihr, aber 'raus kommt ihr nicht mehr. Wer hat euch Idioten bloß zu mir geschickt?«
«Es wäre bedauerlich, Don Adriano, wenn hier Mißverständnisse aufträten. «Paolo Gallezzo nahm seinen weichen, weißen Hut ab und setzte sich in einen der Ledersessel, die dem Büro einen seriösen Anstrich verliehen. Die drei anderen stellten sich rechts und links von der Tür auf und steckten die Hände in die Hosentaschen. Ore-to wußte: sie taten das nicht etwa, weil sie kalte Hände hatten.»Ich soll Ihnen einen Gruß bestellen von Don Eugenio«, fuhr Paolo Gal-lezzo fort.
«Von wem?«fragte Oreto hinter seinem Tisch. Draußen hörte man das Geräusch vieler Füße, die über Marmorböden rannten. Es klappt, dachte Oreto zufrieden und stolz. Wir hatten es zwar noch nie nötig, aber wir haben es immer trainiert, so wie man auf jedem Schiff das Anlegen der Schwimmwesten und das Einbooten übt. Die Welt ist schlecht. Man muß auf alles gefaßt sein.
«Don Eugenio Soriano.«
«Palermo?«Oretos Kopf tauchte hinter dem Schreibtisch auf. Er konnte es wagen, auch wenn es eine Falle sein sollte. Draußen vor der Tür standen seine Männer. Er drückte auf eine Taste, die einen Lautsprecher im Sekretariat einschaltete, und sagte:»Wartet noch! Ich habe vier ehrenwerte Männer zu Besuch. Sie wollen Erklärun-gen abgeben. Wie sieht es aus, Alfredo?«
«Gut, Don Adriano. «Der Mann, der Alfredo hieß, schien noch etwas kurzatmig vom schnellen Laufen.»Türen sind besetzt, Fenster werden beobachtet. Wir sind zwanzig Mann.«
«Sehr gut, Alfredo. «Oreto schaltete den Lautsprecher aus und wuchs nun hinter seinem Schreibtisch zu ganzer Größe. Er war ein flotter Sechziger mit weißem, gepflegtem Haar. Er hätte beispielsweise einen sehr ansehnlichen Kardinal abgegeben. Doch seine Augen strahlten keineswegs klerikale Milde aus; scharf und unruhig blickten sie von einem Mann zum anderen.
«Haben Sie das nötig?«fragte Gallezzo und schlug die Beine übereinander.»Ist das hier eine so wilde, unzivilisierte Gegend?«
«Hat Don Eugenio keine — Freunde?«fragte Oreto zurück.»Was haben Sie mir zu sagen?«
«Es geht um eine Auskunft. «Gallezzo warf die Zeitung auf den Schreibtisch. Den Artikel über Dr. Volkmar hatte er rot umrandet. Adriano warf nur einen Blick darauf und schüttelte den Kopf.
«Ich habe es gelesen, Signori. Aber damit haben wir nichts, gar nichts zu tun. Unsere Interessen liegen auf wirtschaftlichem Gebiet und in der Unterhaltungsbranche. Was sollen wir mit einem deutschen Arzt?«
«Es war uns klar, daß Sie in solche Geschäfte nicht einsteigen«, sagte Gallezzo.»Don Eugenio ist aber der Ansicht, daß Sie uns trotzdem weiterhelfen könnten. Wer hat Dr. Volkmar entführt? Wer ist hier auf diese Art Handel spezialisiert? Nennen Sie uns Namen, die Ihnen einfallen. Jeder Name ist nützlich!«
«Ist dieser Dottore ein so wichtiger Mann?«fragte Oreto. Er las die rotumrandete Notiz noch einmal und hob die Schultern.»Madonna, habt ihr es in Palermo schon nötig, mit solchen Geschäften Geld hereinzubringen? Was ist los bei euch da drüben auf Sizilien?«
«Namen, Don Adriano!«sagte Gallezzo laut.»Wir haben wenig Zeit. Wir machen uns Sorgen.«
«Um den deutschen Arzt?«
«Er ist seit über vier Tagen verschwunden, und noch keiner hat Lösegeld gefordert.«
«Vielleicht ist er tatsächlich ertrunken?«
«Namen!«
Adriano Oreto setzte sich in seinen breiten Schreibtischsessel, legte das Schnellfeuergewehr wie einen riesigen Brieföffner auf die Schreibtischunterlage und blickte an die Decke. Wer käme da in Frage, überlegte er angestrengt. Man kennt sie ja alle, die lieben Brüder und Schwestern, die in der Sonne stehen, aber mit den Schatten arbeiten. Doch es kann auch Einzelgänger geben, Neulinge, Wirrköpfe, die den Segen einer guten Organisation noch nicht erkennen wollen. Da ist es fast unmöglich, einen Hinweis zu wagen.
Was Oreto im stillen befürchtet hatte, sprach Gallezzo aus:»Es waren keine Profis, Don Adriano. Sie haben zum Beispiel das Auto des Dottore stehenlassen. Ein solches Nebengeschäft läßt man sich doch nicht entgehen.«
«Dann ist es aussichtslos, Signori. «Oreto hob beide Hände, als verkünde er tieftraurig seinen Konkurs.»Wenn irgend jemand auf Sardinien einen Arzt klaut, wie soll ich das wissen?!«
«Ein paar Namen würden uns vielleicht doch weiterhelfen, Don Adriano.«
Oreto nickte. Und dann tat er etwas, was er später sehr bereuen sollte. Er nannte die Namen von zehn Leuten, denen er zutraute, daß sie mit Kidnapping ihr Geld verdienten.
«Aber keiner ist dabei, der ein so schönes Auto nicht in die nächste Lackierkabine fahren würde, um es umspritzen zu lassen«, sagte er noch.»Es sind kluge Jungs, alle.«
Gallezzo verließ nach einigen Höflichkeitsfloskeln das Büro Don Adrianos. Im Sekretariat warteten Alfredo und sechs Mann mit schußbereiten Maschinenpistolen, an allen Türen und vor dem Haus standen weitere gut ausgebildete Schützen.
«Keine Aufregung, Fratello!«sagte Gallezzo freundlich und drückte den Lauf der MPi in Richtung Boden.»War alles ein Irrtum! Wer sagt jetzt den anderen Bescheid, daß wir das Haus ver-lassen dürfen?«