«Sie hungern nach Rache, nicht wahr?«Volkmar stand auf und zog Loretta mit sich vom Sofa hoch.»Ich kann Ihren Gedankengängen nicht mehr folgen. Die Mafia hat nach wie vor Loretta und mich als Pfand!«
«Das wird sich erweisen. «Dr. Soriano winkte einladend in den Flur.»Gehen wir, meine Lieben. Ein zweites Mal legt man mich nicht herein.«
Später saß Dr. Volkmar am Swimming-pool seines Dachgartens und starrte in das vom Wind leicht gekräuselte Wasser. Worthlow hatte den Tisch abgeräumt, Soriano telefonierte mit Freunden, Loretta saß im Schlafzimmer vor dem Spiegel und fönte sich ihre Haare. Wenn Volkmar den Hals etwas reckte, konnte er über die Brüstung hinweg aufs Meer blicken. An dem neuen hölzernen Landesteg schaukelte die weiße Motoryacht. Fähnchengirlanden flatterten im Wind.
Das neue Leben. Der Dr. Heinz Volkmar, Dozent in München, war endgültig gestorben. Seit diesem Morgen gab es keine Rückkehr mehr.
Er ließ sich auf den Rücken fallen, zog die Knie an und breitete die Arme weit aus. Die Kälte des Marmorbodens durchdrang ihn und tat ihm wohl.
Ich habe kapituliert, dachte er. Verurteilt mich alle, alle! Aber ich bin auch nur ein Mensch! Was hättet ihr an meiner Stelle gemacht? Loretta geopfert?! Wer das sagt, den nenne ich auch einen Mörder!
Er zuckte zusammen. Loretta war zurückgekommen, beugte sich über ihn und küßte ihn. Ihr Haar duftete nach Rosen, ihr Körper fühlte sich wie seidiger Samt an.
Sie beugte sich weiter über ihn, bis ihre schönen Brüste über seinem Gesicht glänzten. Sie war nackt. Er griff nach ihr und zog sie zu sich herunter.
«Bist du verrückt?«flüsterte er.»Worthlow.«
«Ich habe die Türen abgeschlossen. O mein Liebling.«
Sie kroch über ihn wie eine Schlange, so glatt und so geschmeidig, ihre Hände erregten ihn maßlos wie ihre Lippen, die über sei-nen Körper tasteten.
«Wir leben. «sagte sie leise und biß ganz leicht in sein Ohr.»Mein Gott, wir leben! Weißt du denn, wie lange wir es dürfen?! Jede Stunde, jede Minute ist kostbar.«
Sie liebten sich auf dem Marmorboden am Rande des Schwimmbeckens und ließen sich dann mit dampfenden Körpern ins Wasser fallen. Loretta sagte lachend:»Warum habe ich mir eigentlich die Haare gefönt?«
Kapitel 17
Zwei Jahre später ereignete sich in Rom ein Unfall.
Ein Mann, der Kleidung nach sehr wohlhabend, trat aus einem Weinlokal, überquerte die Straße, um zu seinem Wagen zu kommen und achtete nicht darauf, daß ein jugendlicher Motorradfahrer von der anderen Seite heranbrauste. Ehe der junge Mann hupen oder bremsen konnte, prallten sie schon zusammen. Der ältere Herr flog ein paar Meter durch die Luft, krachte dann auf das Pflaster und blieb besinnungslos liegen.
«Er ist mir 'reingelaufen!«schrie der Junge, den sofort eine Menschenmenge feindlich umringte.»Ihr habt es doch alle gesehen! Kommt einfach über die Straße! Keiner hätte da noch bremsen können! Keiner! Mach mir das einer mal vor! Ich habe keine Schuld! Das kann ich beweisen.«
Vordringlich war zunächst, den verletzten älteren Herrn zu retten. Mit Blaulicht und Sirene raste der Krankenwagen ins Spital. Der junge Notarzt im Wagen beatmete den Verletzten mit einer Sauerstoffmaske, aber die Gesichtsfarbe des Mannes wurde immer bläulicher. Der Puls verebbte.
«Wenn das noch gut geht!«rief der Notarzt, als man die Trage im Spital aus dem Wagen schob. Ein Oberarzt betrachtete den Mann kurz und nickte.
«Sofort zur Herzmassage!«
Im Laufschritt brachten die Sanitäter den Sterbenden zum Un-fall-OP, wo — von der Pforte bereits informiert — ein Arzt und eine
Schwester warteten. Der Oberarzt, der neben der Trage herlief, winkte ab, als er die Beatmungsapparatur sah, die man heranrollte.
«Blödsinn!«rief er und rannte zu dem Sterilbecken, tauchte die Hände hinein und schüttelte sie aus.»Auf den Tisch! Intrathorakale Herzmassage! Macht sofort den Interkostalschnitt! Los! Los! Und 'ran mit dem Reanimator!«
«Herzstillstand!«sagte der junge Notarzt und sah seinen Oberarzt an.
«Aufmachen! Verdammt!«
Der Oberarzt stürzte zum Tisch und setzte das ihm gereichte Skalpell an. Es ging um Sekunden. Die Sauerstoffunterbindung zum Hirn konnte irreversible zerebrale Schädigungen hervorrufen. Das bedeutete ein Weiterleben im Stadium blöder Hilflosigkeit.
Die Schwester und der Arzt rissen dem Verletzten das Hemd auf. Zwei weitere Ärzte stürzten in den Unfall-OP, um zu helfen. Und dann standen sie alle, einschließlich des Oberarztes, erschrocken vor dem bloßgelegten Brustkorb. Eine große, gebogene Narbe zog sich über den ganzen Thorax.
«Maria!«sagte der Oberarzt leise.»Das sieht aus, als habe er schon mal eine Thoraxoperation gehabt! Wir müssen aufmachen! Sauerstoff her! Blutplasma! Ich brauche einen Cro-Tubus! Verdammt noch mal, welche Lahmärsche stehen hier herum.«
Der Interkostalschnitt. Der Griff in den Brustkorb. Ein Muskelklumpen, der nur noch unmerklich zuckte. Die Finger des Oberarztes drückten und schnellten zurück, zwangen das Herz, weiterzupumpen. Gleichzeitig wurden die Infusionen gegen den Unfallschock gelegt, reiner Sauerstoff flutete mit dem Blut ins Gehirn.
«Wir schaffen es!«stöhnte der Oberarzt.»Jungs, wir haben ihn bald soweit. Das Herz kommt wieder! Da… es macht wieder mit! Gewonnen.«
Drei Stunden später — der gerettete ältere Herr, der laut Paß, den er bei sich getragen hatte, Leone Tortalla hieß und ein bekannter Bankier aus Mailand war, schlief noch in tiefer Erschöpfung und unter der Schockeinwirkung — hatten sich im Zimmer des Chefarztes
Professor Latungo alle Ärzte des Spitals versammelt. An der Lichtwand hingen nebeneinander zehn Röntgenbilder, Thoraxaufnahmen von verschiedenen Seiten, bis in die Einzelheiten scharf. Die Ärzte standen vor dieser einmaligen Bildergalerie und sahen sie mit stummer Verwunderung an. Sie dachten alle das gleiche: Das ist unmöglich!
Professor Latungo sprach es aus:»Meine Herren, ich brauche Ihnen das nicht zu erklären. Sie sehen es alle! Signore Tortalla hat eine Herztransplantation hinter sich. Das ist ungewöhnlich, aber im Grunde nicht mehr sensationell. Aber: Was Sie da sehen, ist etwas, was es gar nicht gibt: eine vollkommene Transplantation. Ein völlig neues Herz! Und transplantiert mit einem unbekannten Verfahren! Noch nie in der Medizin ist bisher ein ganzes Herz ausgetauscht worden. Nie hat es diese Operationsmethode gegeben, wie Sie sie jetzt auf den Bildern sehen! Das ist ungeheuerlich!«Professor Latungo wischte sich über die Augen.»Nirgendwo ist eine solche Operation in der Literatur beschrieben worden! Wo also wurde diese Transplantation gemacht? Wer hat sie gemacht?! Und dann das Rätsel aller Rätseclass="underline" Wieso hat Signore Tortalla sie überlebt?! Das müssen wir klären.«
Es gab nichts zu klären. Leone Tortalla verweigerte jede Auskunft, schnitt jede Frage ab.
«Ich verlange, daß man mich zurück nach Mailand bringt!«sagte er, als er kräftig genug war, und das war er, zur Verwunderung der Ärzte, bereits nach zwei Tagen.»Ich verlange, daß man mich endlich in Ruhe läßt! Wer hat Ihnen überhaupt erlaubt, meinen Brustkorb zu öffnen?! Haben Sie keine anderen Methoden zur Wiederbelebung? Ein Skandal! Ich möchte sofort zurück nach Mailand.«
«Sie haben ein neues Herz«, sagte Professor Latungo geduldig.
«Nein!«
«Signore Tortalla! Die Röntgenbilder, der Thoraxschnitt. Sie können doch einem Arzt nicht erzählen. An Ihnen ist eine vollkommene Herztransplantation vorgenommen worden. Eine — ich gebe es zu — phantastische Operation. Erzählen Sie uns bitte, wo sie gemacht wurde und wer der Operateur war.«
«Ich will meine Ruhe!«schrie Leone Tortalla.»Ich habe Sie nicht gebeten, in meinen Thorax hineinzufotografieren!«
«Sie haben — «, setzte Professor Latungo wieder an. Aber Tortalla hieb mit der Faust gegen das Bett.