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»Den Rebellen!« rief Colebrooke. »Verräter wollten einen Mann beseitigen, der den jungen König bis zum letzten Blutstropfen verteidigen würde.«

»Unsinn!« erwiderte Athelstan knapp. »Seine Gnaden, der Regent John von Gaunt, wird, wie Ihr selbst schon sagtet, Master Colebrooke, einen Nachfolger ernennen, der in seiner Loyalität nicht weniger glühend ist.«

»Mein Vater war etwas Besonderes!« platzte Philippa heraus. »Mistress.« Athelstan lenkte ihren tränenverschleierten Blick auf sich. »Gott weiß, daß Euer Vater etwas Besonderes war, in seinem Leben wie in seinen Geheimnissen. Ihr wißt etwas - warum erzählt Ihr es uns nicht?«

Das Mädchen schlug die Augen nieder. Sie zog die Hand unter ihrem Umhang hervor und warf ein vergilbtes Stück Pergament auf den Tisch. »Das hier hat das Leben meines Vaters verändert«, stammelte sie. »Nur der Himmel weiß, warum!« Athelstan griff nach dem Pergament und schaute rasch in die Runde. Die Hospitaliter wirkten plötzlich angespannt. Insgeheim mußte er lächeln. Gut, dachte er. Jetzt lüftet sich das Geheimnis.

4. Kapitel

Das Pergament war fettig und trug Fingerspuren. Es maß sechs Zoll im Quadrat; ein Dreimaster war roh in die Mitte und in jede Ecke ein dickes schwarzes Kreuz gezeichnet.

»Ist das alles?« fragte Athelstan und reichte das Pergament zurück.

Das Mädchen straffte sich. Ihre Unterlippe zitterte, und ihre Augen schwammen in Tränen.

»Da war doch noch etwas«, stellte Athelstan fest. »Nicht wahr?« Philippa nickte. Geoffrey nahm ihre Hand und streichelte sie sanft wie die eines Kindes.

»Da war noch ein Sesamkuchen.«

»Was?» bellte Cranston.

»Ein kleiner Sesamkuchen, wie ein Biskuit, und schmutziggelb.«

»Was ist daraus geworden?« fragte Cranston.

»Ich habe gesehen, wie mein Vater oben an der Brustwehr entlangging. Er wirkte sehr aufgeregt, holte weit aus und warf den Kuchen in den Wassergraben. Danach war er ein anderer Mensch, hielt jeden von sich fern und bestand darauf, in die Nordbastion umzuziehen.«

»Stimmt das?« fragte Cranston die anderen. »Selbstverständlich!« fauchte der Kaplan. »Mistress Philippa ist doch keine Lügnerin.«

»Nun, Pater?« fragte Cranston seidig, »hat Sir Ralph Euch seine Geheimnisse anvertraut?« Er hielt eine fette Hand in die Höhe. »Ich kenne das Siegel der heiligen Beichte. Ich frage nur: Hat er sich Euch anvertraut?«

»Das glaube ich kaum«, warf Colebrooke hämisch ein. »Sir Ralph hat dem Kaplan gewisse Fragen gestellt, was Vorräte und Lebensmittel anging, die anscheinend verschwunden sind.« Der Priester fuhr herum, und seine Lippen kräuselten sich wie die Lefzen eines wütenden Hundes.

»Hütet Eure Zunge, Lieutenant!« schnarrte er. »Sachen sind verschwunden, das stimmt. Aber das heißt nicht, daß ich der Dieb bin. Schließlich haben noch andere Zugang zum Wardrobe Tower«, fügte er vielsagend hinzu.

»Was soll das heißen?« rief Colebrooke.

»Ach, seid schon still!« befahl Cranston. »Hier geht es nicht um Lebensmittel, sondern um das Leben eines Menschen. Ich frage Euch alle: Bei Eurer Treue zum König - hier geht es vielleicht um einen Hochverrat -, hat Sir Ralph sich einem von Euch anvertraut? Sagt dieses Pergament einem von Euch etwas?« Ein vielfaches »Nein« ertönte, aber Athelstan sah, daß die Hospitaliter beiseite blickten, als sie ihre Antwort murmelten. »Hoffentlich sagt Ihr auch die Wahrheit«, meinte Cranston bissig. »Vielleicht wurde Sir Ralph von Bauemführem ermordet, die einen Aufstand planen. Euer Vater, Mistress Philippa, war ein naher Freund und treuer Verbündeter des Hofes.«

Athelstan versuchte, die Situation zu beruhigen. »Mistress Philippa, erzählt mir von Eurem Vater.«

Das Mädchen verschränkte nervös die Finger und schaute zu Boden.

»Er war immer Soldat«, begann sie. »Er diente in Preußen gegen die Letten, auf dem Kaspischen Meer, und dann reiste er nach Outremer, Ägypten, Palästina und Zypern.« Sie blinzelte und nickte zu den Hospitalitern hinüber. »Sie können mehr darüber berichten als ich.« Sie holte tief Luft. »Vor fünfzehn Jahren war er in Ägypten bei der Armee des Kalifen, und danach kam er als reicher Mann und ruhmbedeckt nach Hause. Ich war drei Jahre alt. Meine Mutter starb ein Jahr später, und wir kamen zum Haushalt John von Gaunts. Mein Vater wurde einer seiner wichtigsten Gefolgsleute. Vor vier Jahren wurde er zum Konstabler des Tower ernannt.«

Athelstan lächelte verständig. Er kannte Menschen wie Sir Ralph: ein Berufssoldat, ein Söldner, der für den Glauben auf einen Kreuzzug gehen würde, aber nichts dagegen hatte, in den Armeen der Ungläubigen zu dienen. Athelstan sah sich in der Gruppe um. Alle schienen ruhig und gelassen, aber er spürte, daß etwas nicht stimmte. Hinter dem Übereifer, mit dem sie seine Fragen beantworteten, verbargen sie Abneigungen und Rivalitäten.

»Ich nehme an«, bemerkte er trocken, »Ihr habt Sir Ralphs Papiere bereits durchgesehen?«

Er sah Sir Fulke an, und der nickte.

»Selbstverständlich habe ich die Dokumente meines Bruders geprüft, seine Haushaltsabrechnungen, Memoranden und Briefe. Es war nichts Ungewöhnliches dabei. Schließlich« - er sah sich im Raum um, als erwarte er Widerspruch - »bin ich Sir Ralphs Testamentsvollstrecker.«

»Natürlich, natürlich«, meinte Cranston beschwichtigend. Athelstan stöhnte leise auf. Ja, dachte er, und wenn irgend etwas Kompromittierendes dabei war, dann ist es jetzt weg. Er schaute den jungen Mann an Philippas Seite an.

»Wie lange, Sir, kennt Ihr Eure Verlobte schon?«

Geoffreys vom Wein gerötetes Gesicht erstrahlte, und er umfaßte ihre Hand noch fester. »Zwei Jahre.«

Athelstan entging das verschwörerische Lächeln nicht, das die beiden Verliebten wechselten. Cranston glotzte das Mädchen lüstern an und dachte, wie wenig die beiden zueinander paßten. Geoffrey war außergewöhnlich gutaussehend und vermutlich ziemlich reich, Philippa dagegen geradezu reizlos. Überdies war Sir Ralph Soldat gewesen, und Geoffrey schien auf den ersten Blick nicht der Mann zu sein, den eine solche Familie willkommen heißen würde. Dann mußte Cranston an Maude denken und an die Leidenschaft, mit der er sie umworben hatte. Die Liebe ging seltsame Wege, wie Athelstan immer wieder sagte, und Gegensätze zogen sich oft an.

»Sagt mir, Geoffrey, wieso seid Ihr in den Tower gezogen?« Der junge Mann rülpste und blinzelte, als sei er kurz davor einzuschlafen. »Nun«, murmelte er, »der große Frost hat allen Handel in der Stadt zum Stillstand gebracht. Sir Ralph wollte mich in der Weihnachtszeit hier haben - um so mehr, seit er so verstört und aufgebracht war.«

»Kanntet Ihr den Grund für seine Furcht?«

»Nein«, lallte Geoffrey. »Woher?«

»Mochtet Ihr Sir Ralph?«

»Ich habe ihn geliebt wie ein Sohn den Vater.«

Cranston wandte seine Aufmerksamkeit Sir Fulke zu, der jetzt unverhohlen unruhig wurde.

»Sir Fulke, Ihr seid Sir Ralphs Testamentsvollstrecker?«

»Jawohl. Und bevor Ihr fragt: Ich bin auch einer der Erben, sofern das Testament vom Nachlaßgericht für Rechtens befunden wird.«

»Was sieht das Testament vor?«

»Nun, Sir Ralph hatte Grundbesitz neben dem Kartäuserkloster in St. Giles. Dieser und alles Geld, das sich auf der Bank der Lombards in Comhill befindet, geht an Philippa.«

»Und Ihr?«

»Ich bekomme die Wiesen und Weiden von Holywell in der Nähe von Oxford.«

»Ein reiches Gut?«

»Ja, Sir John, ein reiches Gut, aber nicht reich genug, um dafür einen Mord zu begehen.«

»Das habe ich nicht gesagt.«

»Aber angedeutet.«

»Sir Ralph«, unterbrach Athelstan heftig, »war wohl ein reicher Mann?«

»Er hat seinen Reichtum auf seinen Reisen gesammelt«, erwiderte Sir Fulke bissig. »Und er ist mit seinen Finanzen vorsichtig umgegangen.«