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Athelstan bemerkte das säuerliche Lächeln des Kaplans. Sir Ralph war sicher ein Geizkragen, dachte er. Er warf einen Seitenblick auf Cranston und stöhnte leise. Der brave Coroner machte eines seiner kurzen Nickerchen; sein fetter Wanst hing schlaff herab, und der Mund stand halb offen. O Gott, betete Athelstan, bitte sorge dafür, daß er nicht schnarcht.

»Warum wohnt Ihr im Tower, der schließlich für jedermann eine trostlose Behausung ist?« fragte Athelstan unvermittelt.

Sir Fulke zuckte die Achseln. »Mein Bruder hat mich bezahlt, damit ich ihm offiziell zur Seite stand.«

Er wie Athelstan ignorierte das schnaubende Gelächter, in das Colebrooke ausbrach. Cranston nickte still vor sich hin, rülpste leise und schmatzte. Mistress Philippa machte einen schmalen Mund, und Athelstan fluchte insgeheim: Er wollte seine Vernehmung nicht in Hohngelächter untergehen sehen.

»Sir Gérard, Sir Brian!« Er brüllte fast, um Cranston zu wecken. »Wie lange seid Ihr schon im Tower?«

»Seit zwei Wochen«, antwortete Fitzormonde. »Wir kommen jedes Jahr.«

»Es ist ein Ritual«, antwortete Mowbray. »Seit wir mit Sir Ralph in Ägypten waren. Wir treffen uns und sprechen über alte Zeiten.«

»Ihr wart also mit Sir Ralph eng befreundet?«

»In gewissem Sinne. Kollegen, Veteranen aus alten Kriegen.« Mowbray strich sich über den sorgfältig getrimmten Bart. »Aber ich will ehrlich mit Euch sein: Sir Ralph war jemand, dem jeder eher Furcht und Respekt als Liebe entgegenbrachte.« Athelstan hielt ihnen das vergilbte Pergament hin.

»Wißt Ihr, was diese Zeichnung oder der Sesamkuchen zu bedeuten haben?«

Die beiden Ritter schüttelten den Kopf, aber Athelstan war sicher, daß sie logen. »Warum?« fragte er leise. »Warum sollte Sir Ralph solche Angst davor haben?« Langsam ließ er den Blick durch die Runde wandern.

»Einen Becher Weißen!« murmelte Cranston undeutlich.

»Wer hat es gefunden?« fragte Athelstan rasch.

Sir Fulke deutete auf Rastani, dessen dunkles Gesicht ängstlich wirkte.

»Was bedeutet das, Rastani?« fragte Athelstan.

Der Diener starrte ihn ausdruckslos an.

»Wo hast du es gefunden?«

Der Mann machte plötzlich seltsame Zeichen mit den Händen.

»Er kann hören, aber nicht sprechen«, erinnerte Philippa den Ordensbruder.

Fasziniert beobachtete Athelstan die seltsamen Gebärden, die Philippa ihm übersetzte.

»Auf einem Tisch in der Kammer meines Vaters hat er es gefunden«, sagte sie. »Vor vier Tagen. Früh am Morgen des neunten Dezember - das Pergament und den hartgebackenen Kömerkuchen.«

Athelstan schaute Rastani fest in die Augen.

»Du warst Sir Ralph ein treuer Diener?«

Der Mann nickte.

»Warum bist du nicht mit deinem Herrn in die Nordbastion gezogen?«

Der Mann klappte den Mund auf und zu wie ein gestrandeter Karpfen.

»Darauf kann ich Euch antworten«, erbot sich Philippa. »Als diese Botschaft gefunden wurde, zog sich mein Vater von Rastani zurück - weiß Gott, warum.« Sie streichelte dem Mann sanft die Hand. »Wie gesagt, Vater wurde sonderbar. Selbst ich erkannte ihn nicht wieder.«

Cranston schmatzte mit den Lippen und geriet plötzlich in Bewegung.

»Ja, ja, alles sehr schön«, blökte er. »Aber ist denn einer von Euch in der Mordnacht zum Turm an der Nordbastion gegangen?«

Diese Frage wurde entschieden verneint.

»Ihr könnt alle Rechenschaft über Euren Aufenthalt geben?«

»Ich kann es«, erklärte der Bruder. »Rastani und ich waren überhaupt nicht hier. Wir hatten den Auftrag, bei einem Händler in Cripplegate Vorräte zu kaufen. Dort ist zumindest sein Speicher. Ihr könnte Master Christopher Manley in der Heyward Lane bei All Hallows fragen.«

»Ist das in der Nähe des Tower?«

»Jawohl, Sir John.«

»Und wann seid Ihr hier fortgegangen?«

»Vor dem Abendessen. Wir sind erst heute morgen nach dem Frühgebet zurückgekommen und erfuhren hier, daß Sir Ralph tot ist. Rastani und ich können füreinander zeugen. Und wenn Ihr noch Zweifel habt, sprecht mit Master Manley. Er hat gesehen, wie wir in einem Gasthaus in der Musewell Street Quartier bezogen.«

Sir John stand auf und streckte sich.

»Nun gut«, trompetete er. »Jetzt würden mein Schreiber und ich gern jeden von Euch allein befragen. Mistress Philippa und Geoffrey sollten allerdings besser zusammenbleiben.« Er grinste das Mädchen an. »Master Colebrooke, es gibt ein Stockwerk tiefer noch einen Raum. Vielleicht könnten unsere Gäste dort warten?«

Protestgemurmel und Gestöhn folgten, aber Cranston, erfrischt nach seinem Nickerchen, zog die dichten Brauen zusammen und funkelte in die Runde. Von Colebrooke angeführt, gingen alle hinaus; nur Philippa und Geoffrey blieben sitzen.

»Euer Gemach, Master Geoffrey«, begann Athelstan, »wo liegt es?«

»Über dem Torhaus.«

»Und dort wart Ihr die ganze Nacht?«

Der junge Mann lächelte schwach. »Ihr seid ein Mann, dem nichts entgeht, Sir John. Deshalb habt Ihr mich aufgefordert zu bleiben, oder? Ich habe die Nacht bei Philippa verbracht.«

Das Mädchen schlug errötend die Augen nieder. Cranston grinste und klopfte dem Mann leicht auf die Schulter. »Warum habt Ihr Sir Ralph nicht selbst geweckt?«

Der junge Mann rieb sich die Augen. »Ich hatte keinen Schlüssel, und - Gott ist mein Zeuge! - ich wußte, daß da etwas nicht stimmte. Im Gang war es kalt, und aus Sir Ralphs Kammer kam kein Laut.« Er lächelte Athelstan betrübt an. »Ich bin nicht gerade der Tapferste. Ehrlich gesagt, mir hat es nicht gepaßt, daß Sir Ralph mich als Pagen benutzte, aber den anderen hat er mißtraut.«

»Ihr meint, Colebrooke und den anderen.«

»Ja, das glaube ich.«

Cranston schaute Philippa an. »War Euer Vater schon öfter in solch dunkler Stimmung?«

»Ja, vor etwa drei Jahren einmal, kurz vor Weihnachten. Aber das ging vorüber, als, wie immer, seine Kameraden kamen und er mit ihnen in der Goldenen Mitra speiste.«

»Wer waren diese Kameraden?« wollte Athelstan wissen.

»Nun, die beiden Hospitaliter, Sir Gérard Mowbray und Sir Brian Fitzormonde. Und dann noch Sir Adam Horne; der ist Kaufmann in der Stadt.«

»Waren das alle Waffenbrüder Eures Vaters?«

»O nein, da war noch einer namens Bartholomew …« Das Mädchen nagte an der Oberlippe. »… Burghgesh, glaube ich. Aber der ist nie gekommen.«

»Warum nicht?«

»Ich weiß es nicht. Ich glaube, er ist tot.«

»Und wieso hat Euer Vater sich jedes Jahr vor Weihnachten mit seinen Freunden getroffen?«

»Ich weiß es nicht. Irgendein Pakt, den sie vor langer Zeit geschlossen haben.«

Athelstan musterte das Mädchen aufmerksam. Er war sicher, daß sie etwas verheimlichte. Er versuchte es auf anderem Weg. »Sagt, gibt es eigentlich mehr als eine Seitenpforte zum Wassergraben?«

»O ja«, sagte Philippa. »Mehrere sogar.«

Athelstan warf Cranston einen Blick zu. »Mylord Coroner, habt Ihr noch Fragen?«

»Nein«, sagte Sir John. »Genug ist genug. Master William Hammond soll jetzt hereinkommen.«

Der Priester kam, mißmutig und verdrossen, und er nagte an seinem Daumennagel, bis das Blut kam, während er Athelstans Fragen wortkarg beantwortete. Ja, er habe den Abend in der Festung verbracht, aber in seiner Kammer im Beauchamp Tower, in der Nähe der Kirche St. Peter ad Vincula.

Die beiden Hospitaliter-Ritter waren höflicher, aber ebenso unerschütterlich. Sie bewohnten Gemächer im Martins Tower und hatten fast den ganzen Abend über getrunken oder sich am Schachspiel versucht.

»Ich versichere Euch, Sir John«, schnarrte Mowbray, »wir finden uns ja schon bei Tage kaum im Tower zurecht, von einer eiskalten Wintemacht ganz zu schweigen.«

»Aber Ihr wißt, was das hier bedeutet, nicht wahr?« attackierte Athelstan die beiden und hielt das gelbe Pergament in die Höhe. »Beim Himmel, das wissen wir nicht!« antwortete Fitzormonde. »Sir«, versetzte Athelstan, »ich glaube, Ihr wißt es, und Ihr wißt auch, was der Kuchen bedeutet.«