Выбрать главу

»Mein Verlobter hat Euch etwas gefragt«, bekräftigte Philippa. »Woher wißt Ihr, daß der Ritter ermordet wurde? Und wieso interessiert Euch das, Sir Coroner? Auch mein Vater wurde ermordet - und seid Ihr dem Mörder inzwischen etwa auf die Spur gekommen?«

»Der Mord an Eurem Vater wird gesühnt werden«, blaffte Cranston. »Was Mowbray betrifft, so hatte er das verfluchte Pergament und einen zerbrochenen Sesamkuchen bei sich. Welchen Beweis braucht Ihr noch?«

Philippa schaute ihn kühl an.

»Nun«, brüllte Cranston, »jetzt habe ich Eure blöde Frage beantwortet!«

»Sir John«, erwiderte sie eisig, »mäßigt Euch. Mein Vater« - fast brach ihr die Stimme - »liegt aufgebahrt im Sarg in der Kapelle St. Peter ad Vincula. Ich, seine Tochter, trauere und verlange Gerechtigkeit, bekomme aber nichts außer der anstößigen Sprache der Gassen und Gossen von Southwark. Sir, ich bin eine Lady.«

Cranstons Augen wurden schmal und böse.

»Na und?« versetzte er, bevor Athelstan sich einschalten konnte. »Zeigt mir eine Lady, und ich zeige Euch eine Hure!«

Das Mädchen schnappte nach Luft. Ihr Verlobter sprang auf, und seine Hand griff nach dem Messer an seinem Gürtel, aber Cranston schenkte ihm nur einen verächtlichen Blick. Athelstan sah eine schnelle Bewegung des Hospitaliters und bemerkte mit Erschrecken, daß der Ritter einen seiner Handschuhe umklammerte.

Guter Gott! dachte der Ordensbruder, nicht hier, nicht jetzt! Das letzte, was Sir John gebrauchen kann, ist eine Forderung zum Duell!

»Sir John!« rief er. »Mistress Philippa hat recht. Ihr seid der Coroner des Königs. Sie ist eine Lady von hohem Stand, die ihren Vater verloren hat und nun erleben muß, daß einen seiner Freunde ein ähnlich schrecklicher Tod ereilt.« Er packte den Coroner beim Arm und drehte ihn zu sich; dabei behielt er den Hospitaliter, der jetzt hinter ihnen stand, im Auge.

»Sir John, reißt Euch zusammen, bitte«, sagte er leise. »Um meinetwillen.«

Cranston starrte ihn aus rotgeränderten Augen an. Er erinnerte den Bruder an den großen, zottigen Bären, der unten im Hof hockte. Der Priester berührte sanft Cranstons Hand.

»Sir John«, flüsterte er. »Bitte. Ihr seid ein Gentleman und ein Ritter.«

Der Coroner schloß die Augen, holte tief Luft, öffnete sie wieder und grinste.

»Wenn du da bist, Mönch«, knurrte er, »brauche ich kein verdammtes Gewissen.« Er wandte sich Philippa zu. »Mylady«, sagte er, »bevor Sir Brian oder Sir Fulke« - er warf einen verächtlichen Blick auf den Onkel des Mädchens, der immer noch zusammengesunken auf seinem Stuhl hockte - »mich zum Duell fordern, bitte ich überschwenglich um Vergebung.« Er schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. »Es gibt alte Männer, Mistress, und es gibt Trottel. Aber es gibt nichts Schlimmeres als einen alten Trottel.« Er griff nach der nicht widerstrebenden Hand des Mädchens und küßte sie auf eine Weise, um die ihn der professionellste Höfling beneidet hätte.

»Ich war äußerst unhöflich«, dröhnte er. »Ihr müßt mir verzeihen, zumal jetzt, da der Leichnam Eures Vaters noch nicht unter der Erde ist.«

7. Kapitel

Die Atmosphäre im Raum entspannte sich. Athelstan schloß die Augen. Guter Gott, betete er, ich danke Dir! Der Hospitaliter war drauf und dran gewesen, Sir John mit dem Handschuh zu schlagen, und dann - Athelstan kannte Cranston - wäre es zu einem Duell à outrance gekommen - bis zum Tode. Mistress Philippa lächelte und trat ins Licht, und Athelstan begriff, wie rüpelhaft Cranston sich aufgeführt hatte.

Das Mädchen war kreidebleich, ihre Augen rotgerändert und von tiefen Schatten umgeben. Aber sie spürte, daß Cranston sie nicht absichtlich beleidigt hatte; sie beugte sich vor und küßte ihn zart auf die Wange. Dies vergrößerte nur die Bestürzung des Coroners; er schlug die Augen nieder und scharrte mit den Füßen wie ein unbeholfener Schuljunge. Philippa ging zu einem Tablett mit Bechern, füllte zwei und brachte sie herüber. Einen gab sie Athelstan, den anderen drückte sie Sir John in die große Pranke. Der Coroner betrachtete lächelnd den Wein, hob den Becher und stürzte ihn in einem Zug herunter. Schmatzend zwinkerte er dem Mädchen zu und hielt ihr den Becher hin, damit sie nachschenken könnte. Philippa gehorchte lächelnd, und Athelstan stöhnte. Er wußte nicht, was schlimmer war - Cranston, wenn er schmollte, oder Cranston, wenn er betrunken war.

Sir John nahm den Becher, ging zum Fenster und schaute hinaus auf den Schnee, der in der Sonne glitzerte. Die anderen rührten sich kaum, als seien sie ganz fasziniert von dem, was der Coroner sagte und tat. Sie beobachteten ihn so aufmerksam, wie Schüler ihren gefürchteten Lehrer im Auge behalten. Cranston betrachtete den Schimmer der Sonnenstrahlen auf der großen Sturmglocke und drehte sich dann unvermittelt um. »Mowbray«, verkündete er, »ist ermordet worden. Zumindest glaube ich das. Er hat die gleiche Botschaft erhalten wie Sir Ralph. Ich glaube, er ist auf die Mauer hinaufgestiegen, und die Sturmglocke ist geläutet worden, damit er rannte. Ich habe den Wehrgang äußerst gründlich untersucht…«

Athelstan mußte daran denken, wie Cranston kraftlos an der Brustwehr gelehnt hatte, und verbarg sein Lächeln.

»Ich habe den Wehrgang äußerst gründlich untersucht«, wiederholte Cranston und funkelte Athelstan wütend an. »Mowbray ist nicht aus Versehen ausgerutscht. Dort oben liegt eine zolldicke Schicht aus Sand und Kies. Nein - jemand hat den Absturz geplant.«

»Hat Mowbray getrunken?« fragte Athelstan.

Cranston sah den anderen Hospitaliter an. Sir Brian schüttelte den Kopf.

»Er war ein erfahrener Soldat«, sagte der Ritter. »Er hätte auf einem solchen Wehrgang blind durch einen Schneesturm laufen können.«

»Was ist eigentlich gestern abend geschehen?« fragte Cranston. »Ich meine, bevor Mowbray abstürzte?«

Sir Fulke ergriff das Wort. Er lächelte. »Mistress Philippa hatte uns zum Abendessen eingeladen. Wir waren alle hier.«

»Ich nicht!« fauchte Fitzormonde. »Ich war in meiner Kammer und habe darauf gewartet, daß der arme Mowbray zurückkam.«

»Und Rastani natürlich auch nicht«, stotterte der Kaplan und wand sich auf seinem Schemel.

»Ja«, knurrte Fitzormonde. »Der Morisco war auch nicht hier.« Athelstan stand auf und hockte sich vor Rastani auf den Boden. Er schaute ihm in das stumme, angstvolle Gesicht.

»Mylady Philippa«, bat er über die Schulter, »ich möchte mit Rastani sprechen. Allerdings vermute ich, daß er weiß, was ich ihn fragen werde.«

»Ich weiß es auch!« schrie Sir Fulke. »Ich werde für ihn antworten.«

»Nein, Sir, das werdet Ihr nicht!« herrschte Cranston ihn an. Athelstan berührte Rastanis Hand. Sie war kalt wie Eis. Der Ordensbruder schaute in ein Paar feuchte schwarze Augen. Der Mann hatte große Angst, aber wovor? Vor der Entdeckung? Vor der Enttarnung?

»Wo warst du, Rastani?« fragte er.

Neben ihm machte Philippa seltsame Gebärden mit den Fingern, und Rastani antwortete in derselben Zeichensprache.

»Er sagt, er hat schrecklich gefroren«, übersetzte Philippa. »Er ist im alten Gemach meines Vaten im White Tower geblieben.«

»Er ist leichtfüßig wie eine Katze«, bemerkte Cranston. »Er könnte in der Festung umherschleichen, ohne daß irgend jemand ihn bemerken würde.«

»Was wollt Ihr damit andeuten, Sir John?« fragte Philippa. »Rastani könnte die Glocke geläutet haben.«