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»Wieso war das mutig?«

»Nun, wenn er ertappt worden wäre, hätte man ihn von der Kehle bis zum Unterleib aufgeschlitzt, ihm die Genitalien abgerissen und in den Mund gestopft, und dann wäre er enthauptet und der Kopf auf eine Stange über dem Stadttor aufgespießt worden. Bartholomew war bereit, die Börse zu verstecken, stellte aber die Bedingung, daß er die Hälfte bekam und wir den Rest. Wir waren einverstanden, flohen in der Nacht aus dem Heerlager des Kalifen und fuhren übers Meer nach Zypern.«

»Daher das Schiff?« fragte Athelstan.

»O nein. Wir kamen wohlbehalten auf Zypern an, aber der Kalif schickte uns Assassinen hinterher, Haschischoni, die Anhänger des Alten vom Berge, erfahrene Meuchelmörder, die nachts kamen. Sie fühlten sich so sicher, daß sie uns ihre Ankunft sogar ankündigten.«

»Mit einem flachen, kleinen Sesamkuchen?« fragte Athelstan. »Ja. Aber Bartholomew erwartete sie. Eines Nachts schlichen sie sich in unser Haus. Aber er hatte dafür gesorgt, daß wir auf dem Dach schliefen, und er beobachtete unsere Schlafkammer durch eine Ritze von oben. Wißt Ihr, Bartholomew zeigte überhaupt keine Angst«, sagte er mit träumerischer Stimme. »Er sperrte alle drei in die Kammer und brachte sie um.« Sir Brians Stimme brach. »Er war der Beste - Bartholomew, meine ich. Er war ehrenhaft und anständig. Ich habe nie einen furchterregenderen Kämpfer gesehen. Aber wir haben ihn ermordet.« Athelstan stand auf, holte den Weinkrug und schenkte dem Mann nach.

»Fahrt fort, Sir Brian.«

»Bartholomew wollte nach Hause in sein Landhaus in Woodforde. Seine Frau war kränklich, und er fürchtete um das Leben seines kleinen Sohnes. Außerdem hatte er Schwierigkeiten mit Sir Ralph Whitton.« Fitzormonde starrte in seinen Weinbecher. »Ralph war die Raupe auf der Rose. Ich glaube, insgeheim war er eifersüchtig auf Bartholomew. Er fing an, gegen die Aufteilung des Schatzes zu protestieren, aber Bartholomew nahm ihn nicht ernst. Er fand, ein Handel sei ein Handeclass="underline" Er hatte den Schatz gefunden, er hatte den Zorn des Kalifen riskiert, und er hatte die drei Assassinen getötet. Aber er vertraute seinen Blutsbrüdern und ließ den Schatz bei uns, als er Zypern zu Schiff verließ.« Fitzormonde starrte Athelstan an, und der Ordensbruder ahnte plötzlich, was sich hinter den Zeichnungen auf dem Pergament verbarg.

»Was geschah mit dem Schiff, Sir Brian?«

Der Ritter leerte seinen Weinbecher in einem Zug. »Ein paar Tage später erfuhren wir, daß Whitton dem Kalifen eine geheime Botschaft gesandt hatte.« Er zuckte die Achseln. »Der Rest ist klar. Das Schiff, auf dem Bartholomew reiste, wurde aufgebracht und versenkt.«

Athelstan fuhr herum, als die Tür krachend aufflog. Cranston stand mit böser Miene und trüben Augen im Türrahmen. »Verdammt, was ist los, Mönch?« schrie er. »Wo zum …« Cranston ließ einen obszönen Fluch hören und funkelte den Ritter an. »Wollt Ihr mich noch immer herausfordem, Sir Brian?« Athelstan sprang auf, packte Cranston beim Arm, schob ihn hinaus und schloß die Tür.

»Sir John!« fauchte er dann. »Ich nehme diesem Mann die Beichte ab.«

Cranston versuchte, ihn beiseite zu schieben. »In drei Teufels Namen«, erwiderte er, »das ist mir scheißegal.«

»Sir John, dies hat nichts mit Euch zu tun.«

Mit aller Kraft stieß er Sir John zurück, der taumelnd den Gang hinunterstolperte. Als Cranston sein Gleichgewicht wiedergefunden hatte, zog er einen langen, gefährlich aussehenden Dolch aus der Scheide und kam langsam, den Blick starr auf Athelstan gerichtet, zurück. Der Ordensbruder versperrte ihm die Tür.

»Was habt Ihr vor, Sir John?« fragte er leise. »Wollt Ihr, der Lord Coroner, einen Priester ermorden, einen Kollegen und Freund?«

Sir John blieb stehen, sackte gegen eine Wand und starrte hinauf zu den dicken Deckenbalken, die auf ihren Kragsteinen ruhten. »Gott verzeih mir, Athelstan«, flüsterte er. »Ich bitte auch Sir Brian um Vergebung; sag ihm das. Ich warte unten auf dich.« Der Ordensbruder kehrte ins Zimmer zurück. Fitzormonde saß noch immer auf der Bank und hatte das Gesicht in den Händen vergraben. Athelstan berührte leicht seine Schulter.

»Kümmert Euch nicht um Cranston«, sagte er. »Sein Bellen ist schlimmer als sein Biß. Sir Brian, ich soll Euch die Beichte abnehmen. Burghgesh wurde also ermordet. Die Schuld liegt doch sicher bei Sir Ralph.«

Fitzormonde schüttelte den Kopf und blickte auf. »Ihr braucht mich nicht in Schutz zu nehmen, Vater. Ralph sagte uns, was er getan hatte. Wir hätten es verhindern können. Wir hätten Sir Ralph vor Gericht bringen, das Meer absuchen können, um zu sehen, ob Bartholomew vielleicht überlebt hatte.«

»Könnte das sein?«

»Vielleicht. Manchmal verkaufen die Mohren Gefangene auf dem Sklavenmarkt. Aber wir suchten auch dort nicht. Wir hätten uns um Bartholomews Witwe und seinen kleinen Sohn kümmern können, aber auch das haben wir nicht getan. Wir hätten Sir Ralph hinrichten sollen. Statt dessen wurden wir seine Komplizen und teilten uns den unverdienten Reichtum.«

»Was ist aus Bartholomews Witwe geworden?«

»Ich weiß es nicht. Unsere Wege trennten sich. Irgendwann plagte das Gewissen Mowbray und mich so sehr, daß wir zu den Hospitalitern gingen und dem Orden unseren Besitz übereigneten. Horne kehrte nach London zurück und kam durch sein Geld zu großer Macht. Whitton trat bei John von Gaunt in Dienst.« Fitzormonde stellte den Becher vor sich auf den Boden. »Erst als Whitton tot war, wurde mir klar, wie sehr er uns alle in einem bösen Bann gehalten hatte.« Fitzormonde schwieg. Dann fragte er: »Habt Ihr den großen Bären im Hof des Tower gesehen?«

»Ja.«

»Jeden Nachmittag gehe ich hin und starre ihn an. Das Tier ist eine mörderische Bestie, aber er fasziniert mich. Whitton war genauso. Er hat aus seiner Schuld ein Band geschmiedet, das uns alle zusammenhielt. Im Laufe der Jahre wurden wir immer zuversichtlicher; wir hielten unser Verbrechen für vergessen und begannen, jedes Jahr zusammen Weihnachten zu feiern. Dabei sprachen wir kein Wort über Bartholomew.«

Athelstan nickte. »Das ist das Schreckliche an der Sünde, Sir Brian. Wir lassen zu, daß sie ein Teil unser selbst wird, wie ein fauler Zahn, den wir ertragen und schließlich vergessen.« Fitzormonde rieb sich das Gesicht.

»Aber was ist vor drei Jahren passiert?« fragte Athelstan.

»Ich weiß nicht. Wir kamen zur Weihnachtszeit als Ralphs Gäste in den Tower und aßen wie gewöhnlich in der Goldenen Mitra in Petty Wales, aber als wir Sir Ralph begegneten, sah er aus, als hätte er ein Gespenst gesehen. Er behauptete tatsächlich, eines gesehen zu haben, aber mehr wollte er nicht sagen.«

Athelstan ergriff das Handgelenk des Mannes und zwang ihn aufzublicken. »Habt Ihr jetzt alles gebeichtet, Sir Brian?«

»Alles, was ich weiß.«

»Und das Pergament?«

»Soll uns an das Schiff erinnern, auf dem Bartholomew segelte.«

»Und die vier Kreuze?«

»Stehen für Bartholomews vier Gefährten.«

»Und der Sesamkuchen?«

Fitzormonde seufzte. »Eine Erinnerung daran, daß Bartholomew uns vor den Assassinen gerettet hat, und eine Warnung vor unserem eigenen nahenden Tod.«

»Wißt Ihr, wer Sir Ralph und Sir Gérard ermordet hat?«

»Bei Gott, ich weiß es nicht!«

»Könnte es sein, daß Bartholomew noch lebt?«

»Das wäre möglich.«

Athelstan starrte an die weißgekalkte Wand. »Was ist mit Bartholomews Sohn? Der dürfte inzwischen ein junger Mann sein.« Fitzormonde zuckte die Achseln. »Daran habe ich auch schon gedacht. Aber ich habe mich erkundigt: Der junge Burghgesh ist in Frankreich gefallen. Vater, was soll ich zur Buße tun?« Athelstan hob die Hand und sprach die Absolution; dabei machte er ein ausladendes Kreuzzeichen über Fitzormondes gesenkten Kopf. Sir Brian blickte auf.