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»Meine Buße, Vater?« wiederholte er.

»Eure Buße ist die Schuld, die Ihr getragen habt. Außerdem sollt Ihr für Burghgeshs Seele und auch für Sir Gérard und Sir Ralph beten. Und noch etwas.«

»Ja, Vater?«

»Ihr sollt hinuntergehen und vor Sir John wiederholen, was Ihr gebeichtet habt.«

»Er wird mich wegen Mordes verhaften!«

Athelstan grinste. »Sir John ist ein alter Soldat und, wenn er nüchtern ist, ein eifriger Erforscher des menschlichen Herzens. Er hat mehr Mitgefühl in seinem kleinen Finger als mancher Priester. Er wird Euch anhören und dann wahrscheinlich nach einem Becher Wein brüllen.«

Fitzormonde ging hinaus und machte die Tür leise hinter sich zu. Athelstan trat ans Fenster und schaute hinaus; geistesabwesend betrachtete er die große Sturmglocke, die an ihrem eisverkrusteten Seil über der schneebedeckten Wiese hing. Die Sonne ging gerade unter, und die Glocke schimmerte wie Silber. Als Athelstan sich umdrehte, sah er Fitzormonde mit Cranston sprechen. Der Coroner nickte und hörte sich aufmerksam an, was der Hospitaliter zu gestehen hatte.

Athelstan ging langsam zurück zu Philippas Gemach, aber dort war niemand. Er dachte über das nach, was Fitzormonde ihm berichtet hatte. Erstens, die Morde an Sir Ralph und Mowbray hingen zusammen mit jenem schrecklichen Verrat, der vor so vielen Jahre auf Zypern begangen worden war. Zweitens, und hier schauderte es Athelstan, würde es weitere Morde geben. Er packte sein Schreibzeug zusammen und dachte über die anderen Möglichkeiten nach. Erstens, Burghgesh konnte überlebt haben und zurückgekommen sein, um Rache zu üben. Zweitens, jemand anders, vielleicht Burghgeshs Sohn, war zurückgekommen, um die Mörder seines Vaters für ihre Tat büßen zu lassen. Aber in jedem Fall blieb die Frage: Wie hatte der Täter in den Tower gelangen, auf mysteriöse Weise die Sturmglocke läuten und Mowbrays Sturz arrangieren können? Der Mord an Sir Ralph Whitton war eine simple Sache verglichen mit den verzwickten Umständen von Mowbrays Tod. Athelstan rieb sich das Kinn und erinnerte sich, daß er Benedicta versprochen hatte, sie vor dem Fleet-Gefängnis zu treffen, wo Simon, der Zimmermann, seine letzte Nacht auf Erden verbringen würde. Der Gedanke an Benedicta ließ ihn lächeln. Die Beziehung zwischen ihnen war ruhiger geworden, sanfter; dann mußte er an Doktor Vincentius denken, und er hoffte, der Arzt werde sie nicht umgarnen. Athelstans Lächeln wurde breiter. Da stand er nun, ein Ordensbruder, ein Priester, ein Mann, der Keuschheit gelobt hatte, und war eifersüchtig wegen einer Frau, die doch nur seine Freundin sein durfte.

Er schüttelte diese Gedanken ab und sah sich um. Die Morde… Wer kam dafür in Frage? War es einer aus der Gruppe? Nicht Fitzormonde - aber vielleicht Horne, der Kaufmann? Oder Colebrooke, der Sir Ralphs düstere Vergangenheit aufgedeckt hatte und nun unter dem Deckmantel der Rache für vergangene Verbrechen seinen eigenen Ehrgeiz verbarg? Athelstan legte sich den Mantel um die Schultern, nahm sein Schreibzeug und betrachtete die schöne Stickerei auf der Stuhllehne. Natürlich - so schrecklich diese Vorstellung auch sein mochte, Mistress Philippa war kühl und beherrscht genug, um einen Mord zu begehen, und Parchmeiner konnte durchaus ihr Komplize sein. Hammond, der Kaplan, hegte genug Groll, und Sir Fulke hatte viel zu gewinnen.

Athelstan hörte, wie Cranston seinen Namen brüllte; er verließ das Gemach und ging die Treppe hinunter. Unten stapfte der Coroner geistesabwesend im Schnee hemm.

»Geht es Euch besser, Sir John?«

Cranston grunzte.

»Und Fitzormonde hat Euch alles erzählt?«

Der Coroner blickte auf. »Ja, ich glaube schon, Athelstan. Denkst du das gleiche wie ich?«

Athelstan nickte. »Unsere Sünden«, murmelte er, »holen uns immer wieder ein. Die Griechen nennen sie Furien. Wir Christen sagen: Der Zorn Gottes.«

Cranston wollte antworten, als Colebrooke auf sie zukam. Er sah blaß und angespannt aus.

»Mylord Coroner?« rief er. »Ihr seid hier fertig?«

»Mit anderen Worten«, flüsterte Cranston Athelstan zu, »der Bursche fragt, wann wir uns endlich verpissen.«

»Wir gehen gleich«, rief Athelstan laut. »Darf ich Euch vorher noch um einen Gefallen bitten?«

Colebrooke verbarg seinen Widerwillen hinter einem künstlichen Lächeln.

»Aber natürlich, Bruder.«

»Ihr habt doch Boten hier. Könnt Ihr einen zur Witwe Benedicta in St. Erconwald in Southwark schicken? Sie möge Sir John und mich in den Drei Kranichen in Cheapside treffen. Und - Master Lieutenant?«

»Ja?«

»Sir Ralphs Leiche - war sie kalt und das Blut geronnen?«

»Ich bin Soldat, Bruder, kein Arzt. Aber - jawohl, ich glaube, so war es. Warum?«

»Oh, nur so«, murmelte Athelstan. »Ich danke Euch.« Colebrooke nickte und ging davon. Cranston streckte sich träge. »Ein schöner Schlamassel, Bruder.«

»Pst, Sir John. Nicht hier. Ich glaube, diese Wände haben Ohren, und unser lieber Kumpan Rothand wünscht eine Audienz.« Cranston drehte sich um und fluchte leise, als er den Verrückten, japsend wie einen freudig erregten Hund, durch den Schnee heranpurzeln sah, um sie zu begrüßen.

»So viel Blut! So viel Blut!« krähte er. »Viele tot, dunkle Geheimnisse! Drei Kerker, aber nur zwei Türen. Dunkle Gänge. Rothand sieht sie alle! Rothand sieht die Schatten knarren!« Der Irre tanzte vor ihnen im Schnee. »Auf und ab! Auf und ab fällt der Körper! Was glaubt Ihr? Was denkt Ihr?«

»Hau ab, Rothand«, knurrte Cranston, nahm Athelstan beim Arm und ging mit ihm an der Großen Halle vorbei zum Tor unter dem Wakefield Tower. Plötzlich fiel Athelstan der Bär ein; er ging zurück zu dem Tier, das angekettet in der Ecke saß, wo die Mauer an den Bell Tower stieß. Der Bruder war fasziniert und unterdrückte ein Lächeln. Hoffentlich merkte Sir John es nicht, aber es bestand eine große Ähnlichkeit zwischen dem zottigen Ungeheuer und dem korpulenten Coroner.

»Es stinkt wie im Totenhaus«, stöhnte Cranston.

Der Bär drehte sich um, und Athelstan sah die Wut in den kleinen roten Augen. Die mächtige Bestie kam schwerfällig auf die Beine und zerrte an der Kette um den Hals.

»Ich frage mich, wer verrückter ist«, brummt Cranston. »Der Bär oder Rothand.«

Der Bär schien zu verstehen, was Sir John gesagt hatte, denn er sprang mit dumpfem Gebrüll auf ihn zu. Sein Maul kräuselte sich, und eine Reihe Zähne, so spitz wie Dolche, kam zum Vorschein.

»Ich glaube, Ihr habt recht, Sir John«, sagte Athelstan. »Vielleicht sollten wir gehen.«

Der Ordensbruder sah mit Erschrecken, wie die Kette um den Hals des Bären knirschte und der Eisenhaken, der in die Mauer getrieben war, zitterte. Sie wandten sich nach links, um ihre Pferde aus dem Stall zu holen.

»Wir könnten sie auch hierlassen«, schlug Athelstan vor, »und mit dem Boot flußabwärts fahren.«

»Gott behüte, Bruder«, widersprach Cranston. »Hast du den Verstand verloren? Das verfluchte Eis treibt noch, und unter der London Bridge hindurchzuschießen habe ich selbst an einem schönen Tag keine Lust.«

8. Kapitel

Sie verließen den Tower und ritten durch Eastchepe und Gracechurch, vorbei am Commarket, wo St. Peter on Comhill stand, und in die Cheapside. Der Krach auf dieser Hauptstraße war ohrenbetäubend: Händler, Kaufleute und Lehrjungen schrien sich heiser und versuchten, das entgangene Geschäft aufzuholen. Auch die Gemeindediener und Büttel hatten alle Hände voll zu tun: Zwei Trunkenbolde mit Fässern auf den Köpfen wurden über den Marktplatz geführt, und eine Horde schmutziger, zerlumpter Straßenjungen bewarf die Unglücklichen mit Eis und Schneebällen.

An der Ecke der Threadneedle Street war ein Bettler gestorben. Der Leichnam war inzwischen steif und vor Kälte blau geworden. Ein kleiner Junge versuchte, mit einem Stock zwei hungrig aussehende Hunde zu vertreiben, die verdächtig an den blutigen Füßen des toten Bettlers schnupperten. Cranston warf dem Jungen einen Penny zu, stieg auf ein umgestürztes Faß und brüllte so laut, daß der halbe Markt ihn hören konnte, er sei der Coroner der Stadt, und warum niemand dem armen Bengel helfe, den Toten wegzuschaffen?