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Colebrookes Mißvergnügen, als er Cranston und Athelstan sah, war unübersehbar.

»Habt Ihr den Mörder gefunden?« schrie er.

»Nein, Master Lieutenant«, antwortete Cranston. »Aber wir werden ihn finden. Und wenn es soweit ist, könnt Ihr die Galgen bauen.«

Cranston trat beiseite, als ein Metzger und zwei Bogenschützen Fässer mit gepökeltem Schweinefleisch zum Vorratslager rollten. Der Coroner rümpfte die Nase. Trotz der starken Gewürze und der dicken weißen Salzschicht roch das Fleisch faulig, und er mußte würgen, als er Insekten über den Rand der Fässer krabbeln sah. Im stillen schwor er sich, kein Essen aus den Vorratskammern oder den Küchen des Tower anzunehmen. Colebrooke sah, daß seine Besucher sich nicht abschrecken ließen, wandte sich ab und erteilte ein paar Befehle. Athelstan nutzte den Moment, um zu dem Bären hinüberzuschleichen, der in seinem eigenen Kot hockte und einen Berg Unrat plünderte. Der verrückte Rothand saß da wie ein Kobold und betrachtete das Untier fasziniert.

»Du bist zufrieden, Rothand?« fragte Athelstan leise.

Der Mann zog eine Grimasse und wedelte mit den Händen, wie um den Bären zu imitieren. Athelstan kauerte sich neben ihn. »Magst du den Bären, Rothand?«

Der Bursche nickte, ohne den Bären aus den Augen zu lassen. »Der Ritter aber auch«, sagte er mit schwerer Zunge, und Athelstan roch Weingestank.

»Welcher Ritter?«

»Der mit dem Kreuz.«

»Du meinst Fitzormonde?«

»Ja, ja, Fitzormonde. Der kommt oft und gafft ihn an. Rothand mag Fitzormonde. Rothand mag auch den Bären. Den Colebrooke mag Rothand nicht. Colebrooke würde Rothand umbringen.«

»Mochtest du Burghgesh?« fragte Athelstan schnell, und er sah, daß die Augen des Irren aufleuchteten. »Du kanntest ihn«, fügte er hinzu. »Als junger Soldat hat er hier gedient.«

Rothand blickte weg.

»Du erinnerst dich doch?« drängte Athelstan.

Der Verrückte schüttelte den Kopf und starrte den Bären an, aber Athelstan sah, daß er mit den Tränen kämpfte. Der Ordensbruder erhob sich seufzend und klopfte sich das Eis von der Kutte.

»Bruder Athelstan!« schrie Cranston. »Master Colebrooke ist ein vielbeschäftigter Mann. Er sagt, er kann nicht den ganzen Tag warten, während du dich mit einem Verrückten unterhältst!«

»Master Colebrooke sollte begreifen«, erwiderte Athelstan, »daß es Ansichtssache ist und wohl auch dem Urteil Gottes unterliegt, wer verrückt ist und wer nicht.«

»Pater, es war ja nicht böse gemeint«, sagte Colebrooke; er nahm den kegelförmigen Helm ab und hielt ihn in den Armen. »Aber ich habe hier eine Garnison zu führen. Ich werde tun, was Ihr wollt.«

Athelstan lächelte. »Gut. Mowbrays Leichnam - wo liegt der?« Colebrooke deutete auf die Kapelle von St. Peter ad Vincula. »Vor dem Chorgitter. Morgen wird er auf dem Friedhof der Allerheiligenkirche begraben.«

»Ist er schon eingesargt?«

»Nein, nein.«

»Gut. Ich will die Leiche sehen, und danach würden Mylord Coroner und ich gern mit all denen sprechen, die von Sir Ralphs Tod berührt sind.«

Colebrooke stöhnte auf.

»Wir sind hier im Auftrag des Regenten«, betonte Athelstan.

»Wenn die Angelegenheit geklärt ist, werde ich in meinem Bericht auch die Unterstützung erwähnen, die wir bei unseren Ermittlungen bekommen oder nicht bekommen haben. Wir erwarten die Leute in der Kapelle von St. John.«

Colebrooke lächelte gezwungen und eilte davon; unterwegs befahl er einigen Soldaten, Sir Fulke und die anderen zu suchen. Cranston und Athelstan gingen zu St. Peter. Die Kirche war ein strenger, ernster Ort, kalt und klamm. Das Kirchenschiff war viereckig, und runde Säulen bewachten dunkle Seitengänge. Eine kleine Fensterrosette in der Giebelwand spendete Licht. Das Chorgitter war aus poliertem Eichenholz, und davor lagen, von Kerzen umgeben, die beiden Toten Sir Ralph Whitton und Sir Gérard Mowbray. Die Einbalsamierer hatten getan, was sie konnten, aber schon im Kirchenschiff drang Cranston und Athelstan der Geruch der Verwesung in die Nase.

Die beiden Leichname lagen unter Leintüchern auf geflochtenen Matten und Holzgestellen. Cranston blieb stehen und winkte Athelstan weiterzugehen.

»Ich habe zu fett gegessen, Bruder«, brummte er. »Sieh dir an, was du willst, und dann laß uns verschwinden.«

Athelstan gehorchte nur zu gern. Er ignorierte Sir Ralphs Leichnam und schlug die Insignien des Hospitaliters und das Leintuch darunter beiseite. Mowbrays Gesicht wollte er nicht sehen; er kannte das Gesicht des Todes. Statt dessen untersuchte er die weißen, schorfigen Beine des Hospitaliters. Er nahm eine der Kerzen, um den bläulichgelben Bluterguß am rechten Bein des Toten unter dem Knie zu inspizieren. Befriedigt zog er das Leintuch wieder an seinen Platz, steckte die Talgkerze in den Halter, kniete kurz vor dem Allerheiligsten und ging zum Ausgang. Cranston folgte ihm, so schnell er konnte. Draußen blieben sie stehen und sogen gierig die erfrischende kalte Luft ein.

»Gütiger Gott, Sir John«, sagte Athelstan. »Ich dachte ja immer, St. Erconwald ist schlimm; aber wenn ich jemals wieder darüber jammere, müßt Ihr mich an diese Kirche erinnern, und ich halte den Mund.«

Cranston grinste. »Aber mit Vergnügen, Bruder. Hast du gefunden, was du gesucht hast?«

»Ja, Sir John. Ich glaube, Sir Gérard wurde nicht von der Mauer heruntergestoßen, sondern jemand hat einen Speer oder ein Stück Holz oben über die Treppe gelegt, als der Hospitaliter am anderen Ende des Wehrganges auf seinem gewohnten Platz beim Salt Tower stand. Im Schutze der Dunkelheit wäre das möglich gewesen, wenn Sir Gérard in Gedanken versunken war.« Mit schmalen Augen schaute er zur fernen Mauer hinüber. »Die Sturmglocke ertönte. Mowbray lief den Wehrgang entlang. Im Dunkeln sah er das Hindernis nicht, stieß mit dem Bein dagegen, rutschte und stürzte in den Tod.«

»Aber wir wissen nicht, wer die Glocke geläutet oder die Stange über die Treppe gelegt hat«, sagte Cranston. »Du darfst nicht vergessen, daß außer Colebrooke und Fitzormonde alle bei Mistress Philippa waren.«

»Colebrooke könnte es getan haben«, meinte der Bruder. »Er könnte den Ritter oben an der Brustwehr gesehen, sich hinaufgeschlichen und die Stange hingelegt haben, um dann auf irgendeine Weise die Sturmglocke läuten zu lassen.«

»Aber wir haben keine Beweise.«

»Nein, Sir John, noch nicht. Aber wir tragen sie zusammen, Stück für Stück.« Athelstan seufzte. »Nur die Zeit wird zeigen, ob wir Erfolg haben.«

Sie fanden Colebrooke und die anderen in der Kapelle von St. John. Das Mißvergnügen über diese Versammlung war unübersehbar. Hammond drehte ihnen halb den Rücken zu. Fulke räkelte sich auf seinem Platz und schaute an die Decke. Rastani wirkte selbstbewußter; Athelstan sah den sarkastischen Spott in seinen dunkel funkelnden Augen. Colebrooke marschierte auf und ab wie bei einer Parade, und Mistress Philippa lehnte an der Wand und starrte betrübt auf das Tower Green hinunter.

»Wo ist Geoffrey?« fragte Athelstan.

»Geoffrey Parchmeiner«, antwortete Fulke, »mag ein ziemlich ängstlicher, törichter junger Mann sein, der viele Laster hat.« Der Ritter ignorierte den erbosten Blick seiner Nichte. »Aber er arbeitet schwer. Er hat Besseres zu tun, als im Tower herumzulungern und müßige Fragen zu beantworten, während brave Männer getötet werden und der Mörder ungeschoren herumspaziert.«

»Ich danke Euch für diese Rede, Sir Fulke«, versetzte Cranston und strahlte mit gespielter Freundlichkeit in die Runde. »Wir haben nur eine Frage - und ich muß mich bei Euch entschuldigen, Sir Brian -, aber es ist nur ein Name, weiter nichts. Bartholomew Burghgesh. Sagt das einem von Euch irgend etwas?«