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»Reisende bei diesem Wetter?« Er sprach rollenden bäuerlichen Dialekt; seinem schneeweißen Haar und den leicht gebeugten Schultern zum Trotz war Pater Peter ein tatkräftiger, fröhlicher Mann. Er wartete nicht, bis sie sich vorgestellt hatten, sondern zog sie gleich in seine warme, duftende Stube, und er fragte und plauderte wie eine Elster. Zugleich nahm er ihnen die Mäntel ab, und sie mußten sich auf eine Bank setzen, die er vor das warme Feuer schob.

»Ein Coroner und ein Dominikaner kommen mich besuchen«, verkündete er in gespieltem Erstaunen. Er nahm drei irdene Schüsseln aus einem kleinen Schrank neben dem Kamin und verteilte üppige Portionen Suppe aus einem schwarzen Topf, der bedenklich schaukelnd an einem Eisenhaken über dem Feuer hing. Dann setzte er sich zu ihnen. »Rindfleisch, ein paar Kräuter, und was ich noch an Gemüse habe.« Der Priester verdrehte die Augen. »Ach ja, und ein paar Zwiebeln.«

Athelstan und der Coroner nahmen die warmen Schüsseln und tranken von der kräftigen Brühe, die ihnen zwar den Mund verbrannte, aber ein wenig Wärme in ihre kalten Bäuche brachte. Pater Peter sah ihnen zu. Athelstan lächelte und stellte seine Schüssel auf den Boden.

»Sie ist noch zu heiß, Pater«, sagte er entschuldigend. »Man kann den Topf nicht mal halten.«

Cranston kannte solche Schwierigkeiten nicht. Er schlürfte geräuschvoll wie ein verhungernder Hund und wischte das Gemüse mit harten Brotkrusten auf, die Pater Peter ihm auf einem Holzteller hinschob. Endlich rülpste er, wischte sich den Mund ab und gab seine Schüssel zurück.

»Das Beste, was ich seit Tagen gegessen habe, Pater. Wir danken Euch für Eure Gastfreundschaft.« Der Coroner streckte seine großen Hände dem Feuer entgegen. »Wir wollen Euch nicht lange aufhalten. Ihr kennt die Familie Burghgesh?«

Die Augen des Paters wurden schmal. »Aye«, antwortete er. »Ich weiß, wer sie sind.«

Athelstan begann vorsichtig, seine inzwischen etwas abgekühlte Suppe zu trinken.

»Werdet Ihr uns von ihnen erzählen, Pater?«

Der Priester zuckte die Achseln. »Was gibt es da zu sagen? Bartholomew Burghgesh und seine Frau wohnten in einem Herrenhaus bei Buxfield. Bartholomew war immer ein rastloser Mann, geboren für Schwert und Pferd, nicht für den Pflug und die Kontobücher des Gemeindedieners. Er ging nach London und diente im Gefolge der Großen. In den Tagen des alten Königs war er in der Garnison des Tower; dann zog er mit anderen nach Outremer, um dort zu kämpfen.«

»Und seine Frau?«

Pater Peter zuckte die Achseln. »Sie war eine stille, kränkliche Frau. Sie hatten einen Jungen … wie hieß er noch? Ach ja, Mark.« Der Pater seufzte. »Sie waren gut versorgt. Ein Verwalter führte das Gut, und Bartholomew schickte immer wieder Gold. Und dann - vor vierzehn, fünfzehn Jahren - kam die Nachricht von Bartholomews Tod. Er war an Bord eines Schiffes gewesen, das die Mauren im Mittelmeer gekapert hatten, und sie haben ihn umgebracht. Da war Mark schon ein junger Mann.

Der Tod seines Vaters schien ihn wenig zu berühren, aber die Mutter wurde krank und starb knapp ein Jahr nach ihrem Mann.«

»Und Mark Burghgesh?«

»Er war wie sein Vater, hatte den Kopf voller Geschichten über Roland und Oliver und vollbrachte Meisterleistungen mit seinen Waffen. Eine Zeitlang war er der Lord des Herrenhauses. Als der alte König seine Siege in Frankreich errungen hatte, lieh Mark Geld bei den Bankiers, kaufte sich ein Schlachtroß und eine Rüstung und stellte aus gleichgesinnten Männern des Dorfes einen kleinen Trupp Bogenschützen zusammen.« Der Priester schwieg und schaute ins Feuer. »Ich erinnere mich noch an den Morgen ihrer Abreise«, fuhr er dann versonnen fort. »Es war ein herrlicher Sommertag. Sir Mark auf seinem schwarzen Schlachtroß, das dunkelrote Haar eingeölt und gekämmt. Vor ihm ging sein Knappe mit einem Wimpel, der das Wappen der Burghgeshs trug, und dahinter marschierten sechs Bogenschützen mit Helmen, gesteppten Wämsern, Langbogen und Köchern voll gefiederter Pfeile. Was für ein Anblick.« Der Priester wiegte sich leicht vor und zurück. »Keiner kam zurück«, sagte er leise. »Sie starben alle in Blut und Schlamm.« Athelstan hielt den Atem an. Genauso klang seine eigene Geschichte. Er und Francis hatten sich auch einem solchen Gefolgszug angeschlossen. Athelstan war zurückgekommen, aber der Leichnam seines Bruders vermoderte auf irgendeinem gottverlassenen Feld in Frankreich.

»Keiner kam zurück?« wiederholte Cranston und hatte große Mühe, die Erregung in seiner Stimme zu beherrschen. »Das heißt, Mark Burghgesh könnte noch am Leben sein, oder?« Der Priester schaute ihn an und schüttelte den Kopf. »O nein, Sir John. Ich habe mich falsch ausgedrückt. Keiner kam lebend zurück. Kommt, ich zeige Euch, wo Mark ist.«

Sie standen auf; Pater Peter reichte ihnen ihre Mäntel und nahm seinen eigenen von einem hölzernen Haken, und sie folgten ihm hinaus in die Kälte. Der Junge stand immer noch da wie ein Soldat, hielt die Zügel der Pferde fest und bewachte eifrig die dampfenden Dunghaufen, die Philomel und Cranstons Pferd pflichtschuldig hatten fallen lassen. Pater Peter blieb stehen. »Junge, bring die Pferde nach hinten in den Stall. Da findest du auch Hafer für sie. Und dann gehst du ins Haus und nimmst dir Suppe. Keine Sorge, die Pferde laufen nicht weg.«

Der Junge schaute Athelstan an.

»Nur zu, Kleiner«, meinte der Bruder. »Du wirst erfrieren, wenn du hier stehenbleibst. Und ich verspreche dir, der Pferdemist gehört dir.«

Pater Peter schloß die Kirchentür auf, und sie betraten den Innenraum. Es war dunkel dort drinnen, und die Luft war eisig. Athelstan betrachtete die eckigen, gedrungenen Säulen, die mit grünen Girlanden geschmückt waren wie die in St. Erconwald, aber nicht so schön. Er hat keinen Maler, dachte er. Pater Peter sah ihn an, und Athelstan schämte sich wegen seines kleinlichen Stolzes.

»Eine schöne Kirche, Pater«, murmelte er.

Pater Peter grinste. »Wir geben uns Mühe, Bruder. Aber ich gäbe ein Vermögen für einen guten Maler und Handwerker.« Sie schritten unter dem einfachen Chorgitter hindurch in eine kleine Marienkapelle in der hinteren Ecke der Kirche. Eine große hölzerne Statue der Jungfrau mit dem Kind ruhte auf einem Steinsockel, und ringsum an den Wänden standen Sarkophage, einfach und kantig, ohne Bildwerk oder Zierat. Pater Peter ging zu einem und klopfte sacht darauf.

»Sir Mark Burghgesh liegt hier«, sagte er leise. »Sein Leichnam wurde zur Beerdigung heimgebracht.«

Cranston betrachtete enttäuscht den grauen Schiefersarkophag. »Seid Ihr sicher, Pater?«

»Ja«, antwortete der Priester. »Die Einbalsamierer haben ihr Bestes getan, um den Toten zurechtzumachen: Bevor der Sarg hineingestellt wurde, habe ich mir das Gesicht noch einmal angesehen. Sir Mark hatte eine schreckliche Wunde am Kopf, wo ihn eine Streitaxt oder eine Keule getroffen und getötet hat. Aber ich bin sicher, daß er es war.«

Athelstan verbarg seine Enttäuschung und schaute Cranston niedergeschlagen an. Die Reise über das bitterkalte Land von Essex war umsonst gewesen.

»Warum wollt Ihr das alles wissen?« fragte Pater Peter und führte sie hinaus.

»In London ist ein Mord geschehen, Pater«, erklärte Cranston und nagte an der Lippe. »Wir hatten gehofft, unsere Reise hierher würde neues Beweismaterial erbringen. Ist Euch im Dorf etwas Ungewöhnliches aufgefallen?«

»Was zum Beispiel? «

»Irgend etwas«, sagte Athelstan flehentlich. »Neuigkeiten oder Klatsch über die Familie Burghgesh zum Beispiel.«

Der Priester schüttelte den Kopf. Athelstan und Cranston wechselten bedrückte Blicke, als sie in das Haus des Priesters zurückkehrten, wo der Junge eben seine zweite Schale Suppe ausschleckte und gleich in eine Ecke huschte. Der Priester ließ sie wieder Platz nehmen, ging zu einem Krug vor der kleinen Speisekammer und goß ihnen großzügig bemessene Becher Ale ein.