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Khalid jedoch redete weiter:

»Kann ein Leichtfertiger sich in eine ernsthafte Frau verlieben?«

Die Wasserpfeife kreiste, und die Augen wurden schläfrig. Du trugst das Kohlebecken auf die Veranda und bliesest die Asche ab, die Kohlen glühten wieder auf, knisterten und sprühten Funken. Anis näherte sich der Veranda, um die kühle Brise der Nacht einzuatmen.

Voller Staunen schaute er auf das Feuer und gab sich seinem sonderbaren Zauber hin. Er sagte sich, niemand kenne das Geheimnis der Gewalt wie das Delta. Die Mauergeckos, die Mäuse, die Mücken und das Wasser des Flusses, sie alle sind meine Gefährten, aber niemand begreift das Geheimnis der Gewalt besser als das Delta. Der ganze Norden ist eine wunderbare Welt, bedeckt mit Wäldern, die den Tag nur als kurze vorübergehende Lichtstrahlen kennen, die durch das Netz der Äste und Zweige hindurchdringen. Eines Tages zogen die Wolken eilig fort, und ein lästiger Gast mit rissiger Haut und nacktem Gesicht kam an, ein Gast, der Dürre hieß. Was tun, angesichts des auf uns zu kriechenden Todes. Das Grün verging, die Vögel zogen fort, die Tiere verendeten, du sagtest, da kommt der Tod und streckt seine Hand nach uns aus. Meine Vettern gingen nach dem Süden auf die Suche nach dem angenehmen Leben und den reifen Früchten, sollte es auch auf dem entlegensten Fleck der Erde sein. Meine Familie aber brach zu den Tümpeln auf, die der Nil zurückgelassen hatte, und sie hatte keine andere Waffe als ihren Willen und keinen anderen Zeugen ihres wahnwitzigen Abenteuers als das Delta. Stachliges Gewächs, Kriechtiere und Raubtiere, Fliegen und Mücken warteten vereint auf sie. Ein unerhörtes Mahl des Untergangs, und kein anderer Zeuge als das Delta. Sie sagten, wir hätten keine andere Wahl, als Fußbreit um Fußbreit uns durchzuschlagen und in Schweiß und Blut zu kämpfen. Blutige Arme, starrende Augen, horchende Ohren, aber allein die gleichförmigen Tritte des Todes waren zu hören. Gespenster gingen um, Geier kreisten oben, der Opfer harrend. Keine Rast, nur der mühsame Kampf, kein Anhalten, um die Toten zu begraben. Da war keiner, der fragte, wohin sie gingen. Wunder an Taten wurden vollbracht, wunderbare Saaten wurden gesät, und nur das Delta als Zeuge…

8

Jedesmal wenn eine neue abendliche Zusammenkunft beginnt, verdichtet sich das Gefühl der Gegenwart. Das Leben hält an, die Vorstellung vom Ende verschwindet, es bietet sich die seltsame Gelegenheit, das Gefühl der menschlichen Ewigkeit zu erleben. Weil es eine Mondnacht war, hatte er das Neonlicht ausgeschaltet und sich mit dem schwachen Licht einer blauen Lampe an der Außentür begnügt. Die Gesichter der Kameraden waren bleich. Der Mond warf einen silbernen Teppich in Form eines Parallelogramms auf die im Halbkreis sitzende Versammlung.

»Ihr habt sicher Sammaras Artikel über den neuen Film gelesen?«

»Sag besser über Ragab al-Qadi.«

Nein, er las weder Zeitungen noch Zeitschriften. Und wie Ludwig XVI. wußte er nichts von dem, was draußen vor sich ging. Ohne Rücksicht auf Sana sagte Laila Zaidan: »Die Ernsthaftigkeit! Jawohl, mich hat das nicht beeindruckt. Mir war von vornherein klar, daß sie mit einem bestimmten Ziel ganz anderer Art hierhergekommen war.« Sana wandte sich an Ragab: »Steh auf, wir wollen tanzen!« Mit abweisender Gelassenheit antwortete er: »Wir haben keine Musik.«

»Wie oft haben wir ohne Musik getanzt!«

»Gedulde dich, meine Liebe, sonst kann die Pfeife nicht kreisen.«

Er glaubte, daß er der Mittelpunkt des Weltalls sei und daß die Wasserpfeife nur seinetwegen kreise. In Wirklichkeit kreist die Pfeife, weil sich alles im Kreise bewegt. Bewegen sich die Gestirne gradlinig, so müßte man auch in der Haschischhöhle anders verfahren. Gestern nacht war ich von der Ewigkeit vollkommen überzeugt, aber ich vergaß die Gründe, als ich mich ins Amt begab. Khalid Azzuz sagte ironisch: »Ich glaube, der Artikel zählt zur engagierten Literatur, Ragab, was meinst du?«

Ragab antwortete, als säße Sana nicht neben ihm: »Ich betrachte ihn als ersten Schritt und als einen Gruß von ihrer Seite.«

»Das wird dadurch bestätigt, daß sie seit einigen Tagen weggeblieben ist!«

Das erste für ihn nicht sichtbare Viertel des Mondes verlieh der Nacht einen berauschenden Schimmer wie schläfrige Veilchenaugen. Erinnerst du dich, wie müde der Vollmond in den Nächten der Luftangriffe aussah? Da rüstete sich der Held zu einem neuen Feldzug. Und wie alle Eroberer wappnete er sich mit äußerster Härte wie mit einem Schutzschild. Ragab übersah seine Gefährtin noch mehr als bisher und sagte:

»Ich bedankte mich telefonisch und sagte, ich würde sie gern besuchen, fürchtete ich nicht, sie in Verlegenheit zu bringen. Sie aber meinte befremdet, in welche Verlegenheit!«

»Eine eindeutige Einladung.«

»Wenig später oder, wie manche sagen würden, wenige Augenblicke später, klopfte ich schon an ihre Tür, aber in der Klause saß bereits ein Gespenst, unser Freund Ali as-Sayyid.« Alle überschütteten Ali as-Sayyid mit Schmähungen. »Ich bedankte mich, trank meinen Kaffee und beteuerte, ihr Artikel sei imstande, mich völlig zu verwandeln.«

»Heuchler, Sohn eines Heuchlers aus einem Stamm, einer Nation, in der die Heuchelei eine uralte Tradition hat.«

»Ich setzte meinen Charme ein, und ihre Stimme zauberte im Lauf des Gesprächs zarte Töne hervor, wie sie die Zensur nur nach langwierigen, zähen Verhandlungen zuläßt.«

»Arrogante Einbildung!« sagte Ali as-Sayyid, »…das Gespräch war alltäglich, und ihre Stimme völlig normal…«

»Aber du warst ganz vertieft in das Gespräch mit einem Filmproduzenten, und du hast hart gefeilscht…« Ali as-Sayyid stieß ein lautes Gelächter aus. »Die ganze Geschichte drehte sich nur um einen Kasten Whisky, und er wird in unserem verfluchten Boot konsumiert werden.«

»Hat sich die Geschichte auf die zarten Töne beschränkt?« fragte Mustafa Raschid.

»Was erwartet ihr mehr von einem quasi offiziellen Zusammentreffen?«

Und jetzt verschwand die seriöse Dame hinter einer zarten weiblichen Hülle von der Art eines Schmetterlings, der zwischen den Blumen flattert und einer ähnlichen Tätigkeit nachgeht wie Amm Abduh auf der Nilallee.

Schrill und mißtönend wie eine falsch angeschlagene Saite sagte Sana:

»Was für ein Zauberer du bist!«

Er lächelte ihr matt zu, im bläulich-bleichen Licht erschien sein Lächeln wie ein Grinsen: »Meine liebe Kleine!« Sie unterbrach ihn scharf: »Ich bin nicht klein, bitte…«

»Klein an Jahren, aber groß an Würde!«

»Laß die Klischees, die schon seit Ende der Mamlukenzeit verbraucht sind!«

»Und wo sind wir heute, im Vergleich zur Mamlukenzeit«, stöhnte Ali as-Sayyid, »vorausgesetzt, wir gehörten zu den Mamluken!«

Sichtlich beleidigt sagte sie:

»Wie schnell sich die Leute vom Boot in herzlose Bestien verwandeln!«

Bestien mit Herz. Bestien sind sie nur ihren Feinden gegenüber. Ich werde nie den Wal vergessen, der sich von dem Hausboot zurückzog, während er sagte: »Ich bin der Wal, der Jonas rettete.«

Wieviel Millionen und aber Millionen Augen schauten in die im Mondlicht ruhende Nacht. Nichts beweist die Aufrichtigkeit Sammaras mehr als der Zug der Wandervögel. Was aber Sana betrifft, so hat sie trotz ihrer jungen Jahre das Wohnen in den Höhlen vergessen. Er schrie:

»Der gesüßte Tabak schmeckt wie Pech, wie angebranntes Papier.«

Er begann den Tabak in einem Tuch auszupressen. Währenddessen beteiligte er sich an einem Wettrennen und an einem Gewichtheben bei den olympischen Spielen in Japan und stellte neue Rekorde auf. Es läutete, Ragab ging ans Telefon, als hätte er darauf gewartet. Von dem Gespräch konnte man nur einzelne Worte hören, wie: verstanden. gewiß. sofort. Er legte auf und drehte sich zu den Anwesenden um: »Bitte entschuldigt mich!« Er blickte zu Sana hinüber: