Ali as-Sayyid: Ursprünglich Azharit[11], studierte später an der philosophischen Fakultät. Englisch hat er an der Berlitz School fließend gelernt. Er ist ein Streber, und er ist sich über seine nächsten Ziele im klaren. Er hat zwei Frauen, die alte vom Lande und die neue aus Kairo, aber auch eine Hausfrau, eine gewöhnliche Frau, die seine patriarchalischen Bedürfnisse nach Herrschaft befriedigt. Er preist sein großes Herz, weil er seine erste Frau nicht verstieß, aber er ist ein Schwein, wie seine sonderbare Beziehung zu Saniya Kamil beweist. Als Kunstkritiker ist er ein großer Schuft, der seine ästhetischen Maßstäbe nach dem materiellen Vorteil ausrichtet. Er sagt seine wahre Meinung lediglich dann, wenn er mit etwas anderem kein Glück hat. Dann aber verwandelt er sich in einen unbarmherzigen Polemiker. Verfolgt ihn das Gefühl der Nichtigkeit oder des Verrats oder verführt ihn der Leichtsinn, dann ergibt er sich der Haschischpfeife und seinen verworrenen Träumen von einer neuen Humanität, die vor seinen verschleierten Augen im Haschischdunst aufsteigen. Er ist typisch für viele Zeitgenossen, die dahinvegetieren ohne Glauben und ohne Moral. Er wird vor keiner Tat zurückschrecken, wenn er sich vor Strafe sicher glaubt.
Khalid Azzuz: Er hat ein Mietshaus geerbt, das ihm trotz seiner offensichtlichen Untüchtigkeit ein bequemes Leben sichert. Er fand seine Zuflucht in der Haschischpfeife, in der Sexualität und in einer verschwommenen Kunst, die seinen Verfall und seine Zügellosigkeit verrät. Es läßt sich schwer sagen, ob der Verlust des Glaubens seinen Niedergang bewirkte oder sein Niedergang den Verlust des Glaubens zur Folge hatte. Deshalb halte ich es nicht für ausgeschlossen, daß er eines Tages in den Schoß des traditionellen Glaubens zurückkehrt. Im Unterschied zu den anderen ist er arbeitslos. Er nimmt, ohne etwas zu geben, es sei denn Geschichten von der Art des Flötenspielers, dessen Flöte sich in eine sich ringelnde Schlange verwandelt. Ich halte es nicht für unwahrscheinlich, daß er eines Tages von den Höhen des Absurden auf uns herabschaut.
Ragab al-Qadi: Er ist die Hoffnung des Stücks. Sollte er sich nicht entwickeln, dann wäre es um das Stück geschehen. Sein Vater ist, wie Ali as-Sayyid mir erzählte, Barbier, und trotz der glänzenden Karriere seines Sohnes übt er immer noch seinen Beruf in Kum Hamada aus, entweder aus Selbstachtung oder genötigt durch die Undankbarkeit seines Sohnes. Ragab ist ein Lebemann, einer der Götter, die im sechsten Lebensjahrzehnt sterben, und wie alle angebeteten Götter hart, nur die Liebe macht ihn etwas milder. Wie die anderen ist er ohne Glaube und ohne Prinzipien, aber weniger als sie von Nervosität und Krisen geplagt. Er ist schön und anziehend, berühmt wegen seiner dunklen Bräune und seiner Herrschaftsgelüste. Seine Zuflucht findet er in der Sexualität, die Haschischpfeife interessiert ihn nur wenig. Die Möglichkeiten, die er für das Stück bietet, sind klar.
Anis Zaki: Ein untauglicher Beamter, ehemaliger Ehemann und Vater, schweigsam und geistesabwesend Tag und Nacht. Ein Gebildeter, so wird gesagt; von den Gütern der Welt besitzt er nur eine gute Bibliothek. Mir scheint manchmal, daß er halb verrückt oder halb tot ist. Es ist ihm gelungen, vollständig zu vergessen, wovor er flieht, sogar sich selbst. Seine große Gestalt läßt große Kraft vermuten. Man könnte ihm jede beliebige Eigenschaft zuschreiben, ebensogut scheint er völlig ohne Eigenschaften zu sein. Sein Geheimnis steckt in seinem Kopf. Man kann sich ihm anvertrauen, wie man sich einem leeren Stuhl anvertrauen kann. Verwendbar wäre er in einer Komödie, aber nicht in diesem Stück.
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Es wäre besser, die weiblichen Figuren auf zwei zu begrenzen: die Heldin, wegen ihrer Bedeutung im Handlungsverlauf, und Sana, um den emotionalen Konflikt im Drama zu steigern. Überdies ist sie eine moderne Jugendliche, die dem Stück eine aufreizende Atmosphäre verleihen könnte. Der Sieg der Heldin über sie würde das Symbol des Sieges der Ernsthaftigkeit über die Leichtfertigkeit sein. Denn solange Ernsthaftigkeit die Frau — als Mutter der Zukunft — nicht erfüllt, bleibt sie ohne Konsequenzen.
Saniya Kamil, die die Polygamie auf ihre eigene Weise ausübt, ist überflüssig, ebenso wie die blonde altjüngferliche Übersetzerin, die sich für eine tapfere Pionierin hält, während sie doch lediglich ein süchtiges, dekadentes, gieriges Geschöpf ist.
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Damit endeten die Notizen. Es fand sich noch eine Überschrift mitten in einer Zeile: »Wichtige Bemerkungen«, aber es folgte nichts. Er durchblätterte die restlichen Seiten, aber kein Wort mehr. Er steckte das Notizbuch in die Tasche und murmelte: »Die Schlaue.« Er holte das Notizbuch wieder heraus, las es erneut und steckte es wieder ein. Er lachte. Er blickte in die leere Tasse und sagte sich: »Vergebens.« Er würde lange warten müssen, vielleicht würde er noch bis zum Beginn der Sitzung nüchtern bleiben. Von der Gebetskapelle klang Amm Abduhs Stimme zu ihm herüber, die zum Abendgebet rief. Er murmelte wieder: »Die Schlaue.«
Das Hausboot schaukelte und kündigte damit einen Besucher an. Er wandte sich zur Tür und fragte sich, wer so früh käme. Hinter dem Wandschirm erschien Sammara Bahgat.
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Sie trat herein und grüßte mit gezwungenem Lächeln. Etwas beschäftigte sie, soviel war klar. »Sie sind nicht wie sonst!«
Sie blickte sich in dem Raum um, alles genau prüfend. »Was fehlt Ihnen?«
»Ich habe wichtige Dinge verloren.«
»Hier?«
»Ich hatte sie bei der gestrigen Sitzung bei mir.«
»Worum handelt es sich?«
»Um ein Notizbuch und eine unbedeutende Geldsumme.«
»Sind Sie sicher, daß Sie sie hier verloren haben?«
»Ich bin nicht ganz sicher.«
»Amm Abduh fegt den Raum jeden Abend, und den Kehricht holt die Müllabfuhr morgens ab.« Sie setzte sich in einen Sessel.
»Sollten sie gestohlen worden sein, dann wäre zu überlegen, warum der Dieb nicht die ganze Tasche stahl, warum er nur das Notizbuch nahm und die Börse liegenließ.«
»Vielleicht ist es Ihnen herausgefallen?«
»Alles ist möglich.«
»Ist es ein großer Verlust?«
Noch bevor sie ihm antworten konnte, erbebte das Hausboot und Stimmen waren zu vernehmen. Sie bat ihn rasch, dieses Thema zu vergessen und kein Wort darüber zu verlieren. Sie sagte es, während sie auf ein Sitzkissen hinüberwechselte. Die Freunde traten nach und nach herein, bis die Versammlung vollständig war. Anis widmete sich der Wasserpfeife voller Energie und Begierde. Er war noch ungewöhnlich nüchtern, infolgedessen regten sich in ihm diabolische Gelüste. Er wagte einen lauernden Blick auf Sammara.
»Es ist nun erwiesen, daß Sie nur so früh hierherkommen, um Anis allein zu treffen!« wandte sich Mustafa an sie. »Meinen Sie nicht auch, daß er mein Traumjüngling ist?«
»Wir sind Jünglinge, aber in den Vierzigern«, sagte Ahmad Nasr. Ohne gerufen zu sein, erschien Amm Abduh neben dem Wandschirm.
»In Imbaba ist ein Hausboot gesunken«, meldete er. Kaum interessiert wandten sich ihm die Köpfe zu. »Ist jemand ertrunken?« fragte Ahmad Nasr. »Nein, aber die gesamte Einrichtung ist untergegangen.«
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