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Sie trat ein und zog dabei einen eleganten, jungen Mann hinter sich her. Ragab erhob sich, um ihn zu begrüßen: »Willkommen, Ra'uf!«

Er stellte ihn den Gefährten vor: »Der bekannte Schauspieler.« Sie setzten sich nach einem gleichgültig förmlichen Gruß. »Es hat mich Mühe gekostet, ihn zu überreden, hierherzukommen«, erklärte Sana in ungewohnter Offenheit. »Er meinte, wir dürften Leute, die sich zurückgezogen haben, nicht stören. Aber er ist mein Verlobter und das Hausboot meine Familie.« Von allen Sitzkissen wurde sie beglückwünscht. Sie hob erneut an, ihrem Atem entströmte der Dunst von Alkohol. »Er gehört zur selben Sippe wie ihr«, und dabei deutete sie lachend auf die Haschischpfeife.

Anis kümmerte sich nicht um die allgemeine Verlegenheit und ließ die Pfeife eifrig kreisen.

»Das ist ein glückliches Zusammentreffen. Ra'uf«, sagte Sana. »Das hier ist der große Kritiker Ali as-Sayyid und dies die bekannte Journalistin Sammara Bahgat, und wen die Wasserpfeife vereint, entzweien weder Überzeugungen noch Geschmack.«

»Aber Sammara hat leider keinen Umgang mit der Wasserpfeife«, bedauerte Ragab.

»Warum kommt sie dann regelmäßig zum Hausboot?« spottete Sana.

Ra'uf flüsterte ihr etwas ins Ohr, was aber keiner verstehen konnte, doch sie lachte übermütig.

Amm Abduh kam, um das Wasser der Pfeife zu erneuern. Als er gegangen war, fragte Sana ihren Begleiter: »Glaubst du, daß dieses Gestell ein einziger Mann ist?« Sie lachte als einzige. Das gespannte Schweigen hielt etwa eine Viertelstunde an, bis Ra'uf ihr bedeutete, daß es an der Zeit sei, zu gehen. Er erhob sich und nahm ihren Arm. »Entschuldigen Sie, aber ich muß einer dringenden Verabredung wegen gehen. Es war ein erfreuliches Treffen.« Ragab geleitete sie zur Tür, dann kehrte er zu seinem Platz zurück. Die Gesellschaft schien bedrückt zu sein, obwohl die Wasserpfeife weiter kreiste. Ragab lächelte begütigend zu Sammara hinüber, sie aber deutete mit dem Kopf auf die Wasserpfeife: »Was auch immer Sie sagen, keiner wird es mir glauben.«

»Auf jeden Fall ist es keine entehrende Anschuldigung«, warf Laila Zaidan ein. »Außer bei meinen Feinden.«

»Sie haben keine Feinde, abgesehen von den Resten Ihrer bürgerlichen Erziehung«, meinte Ragab.

Sie wußte aber von Gerüchten in Pressekreisen zu berichten und erzählte, daß ihr spätes Nachhausekommen in ihrer alten Wohngegend in al-Manyal üble Nachrede bei den Nachbarn hervorgerufen habe.

»Als meine Mutter ihnen erklärte, daß meine Arbeit bei der Presse mich dazu zwinge, meinten sie, wer mich denn gezwungen hätte, dort zu arbeiten.«

»Aber jetzt wohnen Sie ja in der Qasr-al-Aini-Straße«, bemerkte Ragab.

Mustafa suchte Anis dazu anzustiften, seine heftigen Ausfälle von gestern zu wiederholen, um das bedrückende Schweigen zu zerstreuen, aber er ging nicht aus seiner Welt heraus. Er dachte an den sinnlosen Leerlauf, der ihn tagtäglich umgab, an den Sonnenauf- und -Untergang, an das Erscheinen des Mondes und an sein Verschwinden, an das Betreten und Verlassen des Amts, an den Beginn und das Ende der Sitzung, an das Erwachen und den Schlaf. Dieser Ablauf mahnte an das Ende und machte aus jedem Etwas ein Nichts. Väter und Großväter kreisten in ihm. Die Erde aber wartete gelassen, um aus unseren Hoffnungen und Freuden Dünger für ihren Boden zu gewinnen. Es tut gut, wenn die Sehnsüchte in den vom Wohlgeruch des verbotenen Zaubers erfüllten Rauchschwaden heftiger erwachen. Was Laila betraf, quälte sie sich mit ihrer fruchtlosen Liebe, ins All gerissen wie ein Raumschiff, das aus seiner Bahn geschleudert wurde. Der Gott der Liebe streckte sein Bein aus, bis sein weißer Schuh neben dem Feuerbecken stand, und er schaute verstohlen mit seinen schwarzen lockenden Augen das beunruhigend schöne Mädchen an. Sie schwatzten lange über Sana und ihren Verlobten, aber Ragab hielt sich zurück. Als schließlich auch die Gefährten seine intensiven Bemühungen um Sammara bemerkten, sagte Mustafa Raschid:

»Wir schätzen uns glücklich, eine große Liebesgeschichte mitzuerleben.«

»Nennen wir sie doch beim Namen«, sagte Khalid Azzuz. »Bei Gott, zerstöre uns nicht den Traum!« wandte Ahmad Nasr ein.

Und Laila Zaidan fügte hinzu:

»Neu daran ist nur, daß sein neuer Anziehungspol ein ernsthafter Mensch ist.«

»Wie verhält sich eine ernsthafte Frau gegenüber einem leichtfertigen Geliebten?« fragte Khalid Azzuz.

»Sie reinigt ihn von seiner Leichtfertigkeit«, antwortete Ragab.

»Auch wenn die Leichtfertigkeit sein unabänderliches Wesen ist?«

»Der Sieg der Liebe ist schließlich doch unvermeidlich.« Sammara lachte ironisch. Khalid sagte:

»Ich möchte gern einmal ein ernsthaftes Mädchen verliebt sehen, denn das Ausrutschen des Wesirs ist komischer als das eines Gauklers.«

»In der Liebe gibt es keinen Unterschied zwischen einem ernsthaften und einem frivolen Mädchen. Ernsthaftigkeit verlangt das gleiche Engagement für öffentliche wie für private Probleme.«

Khalid blinzelte zu Sammara hinüber: »Mit welchen Fragen mag sie jetzt beschäftigt sein?« Ein Lachen erscholl. Aber Khalid fragte unbeirrt weiter: »Besteht irgendeine Hoffnung, uns für öffentliche Belange zu interessieren?«

»Sie setzt ihre Hoffnungen auf die neue Generation.« Khalid schielte zu Ragab hinüber:

»Es scheint, daß die Generation der Vierziger sich nur noch für die Liebe eignet.«

»Wenn sie sich nur wirklich dazu eignete!«

»Die neue Generation«, klagte Ahmad Nasr, »ist besser als wir.«

Daraufhin überlegte Mustafa Raschid: »Gibt es keine Hoffnung, daß wir uns ändern?«

»Wir ändern uns nur in Theaterstücken und in Filmen, das ist der Grund für deren Schwäche«, antwortete Khalid. Und Ali as-Sayyid fuhr fort:

»Das ist der Grund für den Erfolg der satirischen Lustspiele, die unsere Wirklichkeit getreu widerspiegeln.«

»Warum gestehst du das nicht in deinen Artikeln ein?«

»Weil ich ein Heuchler bin. Mit meiner letzten Bemerkung meinte ich die westlichen Lustspiele. Unsere hiesigen Lustspiele enden dagegen mit einer plötzlichen Wandlung der komischen Figuren, im Sinne einer abgeschmackten Lebensweisheit. Deshalb ist der dritte Akt gewöhnlich der schwächste, und in Wirklichkeit wird er speziell für die Zensur geschrieben.« Khalid wandte sich an Sammara:

»Sollten Sie eines Tages auf den Gedanken kommen, ein Schauspiel über unseresgleichen zu schreiben, dann rate ich Ihnen als Kollege, schreiben Sie eine Komödie, wählen Sie die Form der Posse oder die des absurden Theaters, beides ist gleich.« Sie antwortete ihm und übersah Ragabs Blick: »Eine Idee, die der Prüfung wert ist.«

»Vermeiden Sie die positiven Helden, die nicht lächeln und nur von hohen Idealen reden und zu diesem und jenem aufrufen. Sie lieben aufrichtig, bringen Opfer und können sich nicht damit genugtun, ihre Parolen zu wiederholen, und am Ende martern sie die Zuschauer mit ihrer Unausstehlichkeit zu Tode.«

»Ich werde Ihrem Rat folgen und werde über die anderen schreiben, die die Zuschauer mit ihrer Liebenswürdigkeit martern.«

»Aber diese werfen auch künstlerische Probleme auf, sie leben ohne Glauben, vertreiben sich ihre Zeit mit schlechtem Tun, um zu vergessen, daß sie sich bald in Asche, Knochen, Eisen, Stickstoff, Nitrogen und Wasser auflösen werden. Es belastet sie, daß ihnen das Alltagsleben übertriebene, sinnentleerte Formen ernsthaften Tuns aufzwingt, daß Wahnsinnige in ihrer Umgebung sie in jedem Augenblick zu vernichten drohen. Solche Figuren handeln nicht und entwickeln sich nicht. Was wollten Sie mit Ihnen in einem Stück anfangen, für das Sie sich Erfolg erhoffen?«

»Das ist die Frage?«

»Und noch ein anderes Problem: Alle Figuren in dieser Art Dramen sind einander fast gleich, keine von ihnen stellt eine bestimmte Person dar, jede setzt sich wie eine Ruine aus sich auflösenden Bestandteilen zusammen. Wir können zwischen zwei Häusern unterscheiden, aber nie zwischen zwei Haufen von Steinen, Holz, Glas, Beton, Mörtel, Erde und Farbe. Es ist wie bei den Bildern der modernen Kunst, eines gleicht dem anderen; wie wollen Sie da das Spiel mit mehreren Personen auf der Bühne rechtfertigen?«