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»Sie sind nahe daran, mir von jeder Beschäftigung mit der Dichtung abzuraten.«

»Nein, aber ich sage Ihnen, daß, ebenso wie das Gute zu den Guten und das Schlechte zu den Schlechten, das absurde Theater zu den Absurden gehört. Bruder Ali as-Sayyid würde es Ihnen nicht ankreiden, daß weder Handlung noch Personen, noch Dialoge vorhanden sind, und keiner wird Sie mit der Frage nach der Bedeutung von diesem oder jenem in Verlegenheit bringen. Da es keine Maßstäbe für die Wertung gibt, müssen Sie sich nicht aufregen, wenn jemand Sie heruntermacht; und Sie werden gewiß auch jemanden finden, der Sie in den Himmel lobt, und jemanden, der sagen wird, Sie hätten durch ein chaotisches Drama eine Welt dargestellt, deren Wesen das Chaos ist.«

»Aber wir leben nicht in einer Welt, deren Wesen das Chaos ist.« Er aber stöhnte:

»Damit sind wir geschiedene Leute, und nun können Sie zu den Blicken von Bruder Ragab zurückkehren.« Nichts spielte sich hier ab, dessen Sinn er mit Sicherheit begriff, abgesehen vom Rauchen der Wasserpfeife. Bald würde der Schlaf aus seiner geheimnisvollen Heimat zwischen den Sternen herabsteigen und die Zunge lähmen. Es war höchst wahrscheinlich, daß die neue Liebe in den letzten Stunden der Nacht unter dem Guavenbaum einen Kuß hervorbringen würde. Millionen und Abermillionen Jahre lang hatte sich die Erde gedreht, bis sie auf dem Wasser des Nils diese Sitzung hervorbrachte. Der Mond verschwand vor seinen Blicken, und er sah oben an der Tür zur Veranda einen Mauergecko, der lief, anhielt und wieder weiterlief, als suchte er etwas. Er fragte: »Warum gibt es Bewegung?«

Sie wandten sich ihm zu in Erwartung irgendeiner Überraschung, und Mustafa fragte ihn: »Was für eine Bewegung meinst du, Vormund?« Er murmelte und setzte dabei seine Arbeit fort: »Was für eine Bewegung…«

14

Das Fest der Hidschra[12] verbrachte Anis zwischen Veranda und Wohnraum in vollkommener Entrückung. Amm Abduh kam, um die Sitzung vorzubereiten, und wünschte zum dritten oder vierten Mal ein frohes Fest, glaubte aber immer wieder, es zum ersten Mal zu tun. Auf Anis' Frage, was er über den Anlaß des Festes wisse, erwiderte der Alte, es sei der Tag, an dem der Prophet sich von den Ungläubigen abgewandt und nach Medina ausgewandert sei. Dann verfluchte er die Ungläubigen. »Sie werden in Kürze zu der Sitzung, die du vorbereitest, zusammenkommen«, erwiderte Anis. Der Alte lachte und wollte es nicht glauben.

Anis scherzte weiter:

»Amm Abduh, du fliehst in den Glauben.«

»Fliehen! Ich kam eines Tages auf dem Dach eines Zuges hierher.«

»Aus welcher Gegend?«

»Uoh!«

»Nach welchem Verbrechen?«

»Uoh!«

Er beharrte darauf, zu vergessen. Vielleicht war er auf der Flucht nach einem Verbrechen hierhergekommen; vielleicht hatte ihn die Woge der Revolution von 1919 hierhergespült. Er wußte es nicht, und keiner würde es je wissen. Scherzend fragte er ihn weiter: »Bist du ein ernsthafter Mensch, Amm Abduh?«

»Uoh!«

»Weißt du nicht, daß Sammara eine neue Prophetin ist?«

»Gott, der Allmächtige verzeihe es mir!«

»Sie hat aus uns ein Heer rekrutiert, das gegen das Nichts kämpfen und dann vorwärtsmarschieren soll.«

»Wohin?« fragte der Mann naiv. »Ins Gefängnis oder in die Heilanstalt.«

Der Alte sagte aber, schon im Begriff, zum Abendgebet zu gehen:

»Ich suche eine Katze gegen die vielen Mäuse in der Gebetskapelle auf der Landzunge.«

Da kamen auch schon die Gefährten, früher als gewöhnlich, um den Feiertag zu begehen. Anis nahm seine Arbeit auf, und sie sprachen eine Weile von familiären Angelegenheiten. Ragab gab seine Absicht bekannt, seine Honorarforderung für jede Rolle auf fünftausend Pfund zu erhöhen. Khalid Azzuz gratulierte ihm zu diesem Schritt, er beweise damit seine Loyalität gegenüber dem arabischen Sozialismus. Ragab lachte, kommentierte aber die Worte seines Kameraden nicht, sondern sprach über Sana und darüber, wie sie in der Gesellschaft und im Studio als Ra'ufs Verlobte auftrete, er aber sei sicher, daß die Verlobung nicht zu einer Heirat führen werde.

»Wie lange bleibt das Sitzkissen der Ernsthaftigkeit noch leer?« fragte Laila Zaidan darauf.

Ali as-Sayyid erwiderte, daß die Delegation der Journalisten am Vortag vom Besuch der Industrieanlagen zurückgekehrt sei und daß Sammara höchstwahrscheinlich heute abend kommen werde.

Khalid Azzuz forderte Ragab auf, sich offen über sein Verhältnis zu ihr zu äußern, aber er lächelte nur.

»Gibt es etwa ein Appartement, das hinter unserem Rücken gemietet wurde?« fragte der andere.

»Nein, ihr müßt mir glauben, vor den Stammgästen des Hausboots gibt es kein Geheimnis.«

»Du mußt also die erste Niederlage deines Lebens zugeben.«

»Nein, ich habe den Angriff nicht verstärkt, um die Erinnerung an die platonische Liebe wieder wachzurufen«, sagte Ragab. »Liebe ist also vorhanden?«

»Selbstverständlich.«

»Auch von deiner Seite.«

Er tat einen langen Zug, stieß den Rauch langsam aus und sagte: »Ich bin nicht frei von Liebe.«

»Eine Liebe à la Ragab?« fragte Saniya Kamil. »Aber ein neues Modell.«

»Das heißt, daß sie im Grunde nichts bedeutet.«

»Warten wir's ab, wir werden sehen.«

»Sie ist wirklich hübsch«, sagte Ahmad Nasr. »Und hat einen starken Charakter«, fügte Ali as-Sayyid hinzu. »Das trifft bei Frauen sonst nicht zusammen«, meinte Saniya Kamil, um dann jedoch, als Laila sie mißbilligend musterte, munter einzuschränken, »abgesehen von seltenen Fällen…«

»An der Stärke der Festungen mißt man die Größe der Eroberer.«

Laila Zaidan versetzte jedoch:

»Aber die Atombombe hat die Festungen wertlos gemacht, und von den Verdiensten der Eroberer kann keine Rede mehr sein.«

»Sie hat eine prächtige Partie abgelehnt«, sagte Ahmad Nasr, »und das ist ein Verhalten, das an sich schon Bewunderung verdient.«

»Urteile nicht, bevor du Bescheid weißt«, entgegnete Saniya Kamil, dann wandte sie sich an Ragab: »Hat sie nicht irgendwelche Anspielungen auf eine Heirat gemacht?«

»Die Heirat kommt manchmal wie der Tod ohne vorherige Ankündigung.«

»Sage mir offen, könntest du ernsthaft an Heirat denken?« Er zögerte etwas, ehe er die Frage verneinte. Sein Zögern wirkte tief auf die Anwesenden.

Warum soll ich nicht das Kohlebecken auf die Veranda tragen, um das Fest der Flammen zu genießen. Sein Glühen ist unvergänglich, nicht wie das Glühen falscher Sterne. Die Frau aber gleicht dem erlesenen Stoff; an seinem schweren Wohlgeruch ist er nicht zu erkennen, sondern erst, wenn er verbrennt und die Atemzüge in die Tiefe gelangen. Das Geheimnis von Kleopatras Herzen blieb trotz ihrer vielen Liebschaften letztlich unbekannt. Die Liebe der Frauen ist wie die Tendenzkunst, deren höheres Ziel keinem Zweifel unterliegt, deren Aufrichtigkeit aber von Zweifeln umgeben ist. Kein Geschöpf zieht mehr Gewinn aus diesem Hausboot als die Maus, die Schabe und der Mauergecko. Nichts ist der Trauer vergleichbar, die dich ungeladen an deinem Zufluchtsort überrascht. Gestern, als es graute, sagte ihm die Morgendämmerung, daß er in Wahrheit keinen Namen habe.

Er wurde auf die anderen aufmerksam, als sie über das einheimische Fleisch, den russischen Fisch, die harte Währung und den hohen Umrechnungskurs diskutierten und lärmend lachten. Das Hausboot bebte und kündigte einen neuen Besucher an. Es wurde still. »Die Braut!« murmelte Saniya Kamil.

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12

Hidschra (Al-Higra): Die Auswanderung des Propheten Muhammad von Mekka nach Medina im Jahre 622.