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Sammara kam fröhlich und munter herein, schüttelte ihnen herzlich die Hand und wünschte Glück zum Fest. Man erkundigte sich nach der Fahrt, und sie erwiderte, es sei wunderbar gewesen, man müsse solche Fahrten unternehmen, um neu geschaffen zu werden. Khalid blickte von einem zum anderen und fragte:

»Wie, könnten wir tatsächlich neu geschaffen werden?« Sie blickten sich an, dann lachten sie aus vollem Halse. Mustafa Raschid sagte zu ihr:

»Sie allein sind daran schuld, weil Sie uns das Geheimnis Ihrer Ernsthaftigkeit und Ihres Eifers nicht eröffnet haben.«

»Ich werde nicht in die Falle gehen.«

»Es ist klar, daß Sie wie wir dem alten Glauben anhängen und daß Sie auch derselben Schicht angehören, die sich dem Abgrund entgegenbewegt. Wie haben Sie trotzdem einen Sinn gefunden? Sagen Sie wenigstens, was das für ein Sinn ist.« Sie zögerte lange, dann sagte sie: »Es ist das Leben, nicht der Sinn.«

»Wir fühlen seine pulsende Kraft in unseren Trieben; in diesen Grenzen erfreuen wir uns des Lebens.«

»Nein…«

»Wir haben früher gesagt…« Sie unterbrach ihn:

»Aber unsere Triebe beten, wie Sie wissen, heimlich den Tod an.«

»Und die Lösung?«

»Das Schneckenhaus verlassen.«

»Schöne Worte, aber sie führen weder vorwärts noch rückwärts.«

»Das Leben ist über jede Logik erhaben.«

»Seien Sie auf der Hut«, mahnte sie Ragab, »Sie sind in die Falle gegangen.«

Amm Abduh kam, um das Wasser zu erneuern, und Ali as-Sayyid pries die Qualität des Stoffs. Darauf sagte der Mann: »Gestern hat mir der Händler geraten, einen Monatsvorrat zu kaufen, denn die Polizei beobachtet ihn.«

»Eine Verschwörung, um Geld aus uns herauszuschlagen. Glaub ihm nicht!« Sammara fragte den Alten:

»Amm Abduh, fürchtest du dich nicht vor den Fahndern der Polizei?«

Er sei so alt geworden, daß er über dem Gesetz stehe, antwortete Mustafa Raschid für ihn.

Am Horizont funkelte ein Stern wie ein reines Lächeln. Er fragte ihn nach den Fahndern und ob sie den Händler tatsächlich beobachteten. Darauf antwortete er, daß sie die Nüchternen, nicht die Berauschten beobachteten. Daß die Sterne aufleuchteten, wenn sie sich der Erde näherten, und zusehends verblaßten, wenn sie ins All eindrängen. Daß so manches Licht, das das Himmelsgewölbe schmücke, Sternen entstamme, die sich bereits in Nichts aufgelöst hätten. Daß die Macht, die dich zum Frondienst am Nichts zwinge, stärker sei als jene, die dich an den Dienst der Dinge fesselte. Eine Sternschnuppe stürzte plötzlich nieder, und Anis glaubte, daß sie hinter dem Hausboot über den Veilchen niedergegangen sei. Er wandte sich an die Versammlung: »Außer mir haben alle Verwaltungsbeamten im Büro Prämien bekommen.«

Ahmad Nasr verfluchte den Amtsdirektor, Anis aber fuhr fort: »Ich stand erzürnt im Büro, um laut zu protestieren, aber ein heftiges Lachen überwältigte mich.«

Sie lachten, aber er zuckte mit den Schultern. Ali as-Sayyid erinnerte sie daran, daß sie die Hidschra gewöhnlich durch einen Ausflug zu den Nilschleusen in al-Qanatir gefeiert hätten. Ragab sagte dazu:

»Die beste Art, um die Auswanderung des Propheten zu begehen, ist, selbst auszuwandern.«

Sein Gesicht leuchtete auf, er schien einen neuen Einfall zu haben:

»Was sagt ihr zu einer Autofahrt ins Freie?«

»Wir sind aber noch nicht berauscht.«

»Fahren wir nach Mitternacht!«

Sammara begrüßte den Vorschlag, und Ahmad Nasr meinte, daß jede Bewegung zu begrüßen sei. Außer Anis erhob keiner Einspruch.

»Nein«, murmelte er.

Sollte die Gesellschaft in zwei Wagen fahren? Nein, nur in einem, sonst wäre die Fahrt sinnlos, wie? Sie seien neun, und der Wagen habe nur Plätze für sieben. Laila sollte auf Khalids und Saniya auf Alis Schoß sitzen. Die Begeisterung für die unvorhergesehene Fahrt verdoppelte sich. Anis aber blieb lustlos: »Nein.« Sie beharrten jedoch darauf, daß er sie begleite; ohne ihren Vormund könne ein solches Abenteuer nicht stattfinden. Aber er wollte sich nicht rühren und weigerte sich, sich umzuziehen. Sie aber bestanden darauf, ihn mitzunehmen, und sei es auch in seiner Gallabiya. Um Mitternacht brachen sie auf, und Anis gab widerwillig nach. Als sie früher als sonst das Hausboot verließen, erhob sich Amm Abduh vor seiner Hütte wie eine Palme und fragte: »Soll ich aufräumen?«

»Laß alles, wie es ist, bis wir zurück sind!« antwortete Anis.

15

Der Wagen setzte sich in Bewegung. Auf dem Vordersitz saßen Ragab, Sammara und Ahmed Nasr, die übrigen waren auf dem Rücksitz zu einem breiten fünfköpfigen Leib zusammengepreßt. Der Wagen fuhr in Richtung PyramidenAllee durch fast verlassene, menschenleere Straßen. Ragab schlug als Ziel den Sakkaraweg vor. Sein Vorschlag fand Zustimmung sowohl bei denen, die den Weg kannten, als auch bei denen, die ihn nicht kannten. Anis, an die rechte Seite im Auto gequetscht, verharrte stumm in seiner Gallabiya. Sie durchfuhren die Pyramiden-Allee in wenigen Minuten, dann bogen sie in den Sakkaraweg ein. Dort raste der Wagen mit überhöhter Geschwindigkeit den dunklen, verlassenen Weg entlang. Die Fahrbahn wurde durch die Scheinwerfer nur schwach erhellt; sie erstreckte sich endlos ins Dunkle. Auf beiden Seiten war sie von mächtigen Laubbäumen begrenzt, deren Geäst in der Höhe ineinander verschlungen war. Eine stille, ländliche Weite umgab sie, auf der linken Seite der Straße zog sich ein Kanal entlang. Seine Wasserfläche hob sich unter dem schwachen Sternenschimmer durch ihr bleiernes Dunkel von der Umgebung ab. Der Wagen fuhr jetzt noch schneller. Trockene, erfrischende, vom Duft der Pflanzen erfüllte Luft strömte herein. Saniya Kamil mahnte Ragab: »Fahr langsamer!«

»Fahr nicht schneller, als es gut ist für den Zustand von Berauschten«, fügte Khalid Azzuz hinzu. Sammara fragte:

»Lieben Sie den Rausch der Geschwindigkeit?« Er lachte, fuhr etwas langsamer und erwiderte: »Wir statten einem alten pharaonischen Friedhof einen Besuch ab, beten wir al-Fatiha[13]

Als der Wagen wieder in seine frühere Geschwindigkeit zurück fiel, schlug Khalid vor, eine Weile anzuhalten und sich im Dunkeln ein bißchen die Füße zu vertreten. Alle stimmten zu, der Wagen fuhr langsamer, dann bog er zwischen zwei Bäumen ein und hielt an einer staubigen Stelle. Die Türen wurden aufgerissen, Ahmad, Khalid, Saniya, Laila, Mustafa und Ali stiegen aus. Anis rückte vom Wagenschlag ab und saß jetzt bequemer, schüttelte seine Gallabiya aus und suchte mit einem Fuß nach dem im Gedränge verlorenen Pantoffel. Sie forderten ihn auf, ihnen zu folgen, er sagte nur kurz: »Nein.« Sammara wollte aussteigen, da ergriff Ragab ihre Hand: »Wir dürfen den Vormund nicht allein lassen.« Die Gesellschaft bewegte sich lachend und schwatzend zum Ufer des Kanals hin. Im Schimmer der Sterne verwandelten sich die Gehenden zu Schemen. Bald verschwanden sie ganz, und man hörte aus ihrer Richtung nur noch Stimmen. »Wozu diese Fahrt?« fragte Anis träge.

»Wichtig ist nur die Fahrt, nicht das Wozu«, erwiderte Ragab scherzend.

Sammara protestierte leise gegen diese Anspielung, aber Anis beklagte sich:

»Die Finsternis verführt zum Schlafen…«

»Genieß den Schlaf, Vormund!« sagte Ragab enthusiastisch und wandte sich Sammara zu:

»Wir sollten über unsere Beziehung offen sprechen, so offen, wie es der umgebenden Natur entspricht.«

Der Schlaf fällt einem, der einer Liebeskomödie beiwohnt, schwer. Die Offenheit schmeckt nach Mitternacht auf dem Sakkaraweg. Da schleicht sich ein Arm auf der Lehne des Sitzes entlang. Auf dem Sakkaraweg kann eben alles passieren. »Doch, sprechen wir über unsere Liebe.«

»Na?«

»Unsere Liebe, ja, genau das meine ich.«

»Es fällt mir schwer, zu einem Gott in Beziehung zu treten.«

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13

Al-Fatiha: Die erste Sure des Koran.