Dem Tumult des Vorstellens und der üblichen Komplimente folgte ein Schweigen. Das Gluckern sang mit der Nachtgrille. Geschickt vermied es Sammara, den Blick, der etwas hätte verraten können, auf die Pfeife zu richten. Als sie ihr von Anis' Hand angeboten wurde, nahm sie als Grußgeste das Bambusrohr zwischen die Lippen, ohne zu rauchen, und gab es an Ragab weiter. Der nahm es und sagte: »Wie es Ihnen gefällt.«
»Ich habe Sie in Ihrem letzten Film >Baum ohne Frucht< gesehen, und ich kann versichern, daß Sie Ihre Rolle vortrefflich gespielt haben.«
Obwohl seine Bescheidenheit sich keines Lobes schämte, fragte er vorsichtig:
»Meinung oder Kompliment?«
»Meinung, und es ist die Meinung von vielen.« Durch den Tabakdunst blickte Anis auf Sana und sah sie ihre widerspenstige Haarsträhne bändigen. Er lächelte. Selbst der Amtsleiter mit der Machtfülle, die ihm die Rahmenverordnung für Finanzen und Verwaltung überträgt, überschreitet in seiner Zuständigkeit nicht den Bereich der Eingänge und Ausgänge. Und es gibt Tausende von Meteoren, die von den Planeten auf die Erde zu fallen, um zu verglühen und zu verlöschen, ohne durch die Registratur zu gehen oder in den Eingangsbüchern vermerkt zu werden. Die Pein ist allein dem Herzen bestimmt. Plötzlich redete Sammara Khalid Azzuz an: »Vor kurzem habe ich Ihre Geschichte >Der Flötenspieler< gelesen.«
Khalid rückte an seiner Brille.
»Der Flötenspieler«, fuhr sie fort, »dessen Flöte sich in eine Schlange verwandelt…«
»Seit er diese Geschichte veröffentlicht hat, verdient er mit Recht, Khalid die Natter genannt zu werden«, schaltete sich Mustafa Raschid ein.
»Eine ungewöhnliche, aber spannende Geschichte.«
»Unser Freund ist ein hervorragender Vertreter der L'art pour l'art«, sagte Ali as-Sayyid. »Sie dürfen auch nicht erwarten, daß je andere Kunst aus unserem Boot hervorgeht.«
»Bald wird aus ihm die Dichtung des Irrationalen hervorgehen, bekannt als die Dichtung des Absurden«, ergänzte Mustafa Raschid.
Ragab ergriff das Wort:
»Das Absurde weilte zur Genüge unter uns, noch bevor es zur Kunst wurde. Ihr Kollege, Ali as-Sayyid, ist für seine absurden Träume bekannt, und Mustafa Raschid läuft dem Irrationalen im Namen des Absoluten nach, und es macht den Lebensinhalt unseres Bootsherrn aus, seit er vor zwanzig Jahren der Welt den Rücken gekehrt hat.«
Sammara lachte und gab ihre bisher bewahrte Zurückhaltung auf:
»Ich bin tatsächlich eine Scheichin, eine Eingeweihte, denn meine Ahnung hat mir gesagt, daß ich bei euch sonderbare, aufregende Dinge finden würde!«
»Ihre Ahnung oder Ali as-Sayyids lose Zunge?« fragte Ragab.
»Er hat nur Gutes gesagt.«
»Also, unser Hausboot ist nicht einzig in seiner Art.«
»Vielleicht, aber wie viele Leute gibt es, und wie wenige eignen sich zu Freunden.«
»Ich dachte, ein Journalist wäre der letzte, der so etwas sagte.«
»Die Leute begegnen uns gewöhnlich mit ihrem Fotografiergesicht.«
»Wir aber begegnen Ihnen mit Aufrichtigkeit und schlichter Natürlichkeit«, entgegnete Khalid Azzuz. »Wann werden Sie sie erwidern?«
»Betrachten Sie es als schon geschehen«, lachte sie, »oder geben Sie mir noch eine ganz kurze Frist!«
Anis trug das Kohlebecken auf die Schwelle zur Veranda, nachdem er kleine Kohlestücke nachgelegt hatte. Dort stand es im Zug. Die glimmenden Kohlestückchen wurden angefacht, bis die Schwärze sich in eine tiefglühende Röte verwandelt hatte, brüchig und samtweich. Viele Zünglein flackerten in den Farben des Abendrots, noch vereinzelt und zerstoben, dann aber umschlangen sich ihre Flügel und formten eine kristallene Woge, gekrönt von phantastischen bläulichen Spitzen. Es knisterte, und aus dem Inneren erhob sich ein Funkenregen. Weibliche Stimmen kreischten auf, Anis brachte das Kohlebecken an seinen Platz zurück. Er gestand sich seine unendliche Bewunderung für das Feuer ein. Es ist schöner als Rosen, überhaupt als alle Pflanzen und schöner als die violette Morgendämmerung. Wie war es möglich, daß es in seiner Brust die höchste zerstörende Kraft einschloß? Wenn du einmal Lust dazu verspürst, solltest du ihnen die Geschichte von dem Mann erzählen, der das Feuer entdeckt hat, von jenem alten Freund, der die Nase von Ali as-Sayyid hat, die Anziehungskraft von Ragab al-Qadi und die mächtige Gestalt von Amm Abduh. Wo ist die merkwürdige Idee hingekommen, die du zur Diskussion stellen wolltest, als du das Kohlebecken auf die Veranda trugst? »Ich bin Rechtsanwalt«, sagte Mustafa Raschid, »und als solcher naturgemäß mißtrauisch. Ich kann mir vorstellen, woran Sie jetzt denken.«
»Nichts von all dem, wovor Sie sich fürchten.«
»Ihre Artikel strotzen vor bitterer Kritik der Passivität. Wir könnten in manchen Augen als die leibhaftige Passivität erscheinen.«
»Nein. nein, man soll die Leute nicht nach ihrem Treiben in ihrer Freizeit beurteilen.«
»Sie meinen wohl, daß ihr ganzes Leben ein leeres Treiben ist«, lachte Ragab.
»Sie erinnern mich daran, daß ich fremd unter euch bin.«
»Es ist nicht gut, uns selbst zum Thema der Unterhaltung zu machen«, wandte Ahmad Nasr ein. »Viel wichtiger wäre, zu erfahren, was wir über Sie nicht wissen.«
»Ich bin kein Rätsel.« Und Ali as-Sayyid fügte hinzu:
»Alle Texte eines Schriftstellers geben Auskunft über ihn.« Da fragte Mustafa Raschid: »Gilt das auch für deine kritischen Artikel?« Ein allgemeines Gelächter brach aus, sogar Ali as-Sayyid lachte lange, und lachend fügte er hinzu:
»Ich bin einer von euch, ihr dekadenten Modernen, und wer seinen Freunden ähnlich ist, der ist nicht aus der Art geschlagen.«
»Jeder schreibt über den Sozialismus, aber die meisten träumen vom Reichwerden, vom An-sich-Raffen und von den roten Nächten in al-Ma'mura«[4], gab Khalid Azzuz zu. »Diskutieren Sie öfter in dieser Weise?« fragte Sammara. »Nein, aber wir werden dazu gezwungen, wenn einer unsere Art zu leben angreift.«
Anis rief Amm Abduh. Der mächtige Greis kam, nahm die Pfeife, ging durch die Nebentür und kehrte mit ihr zurück, nachdem er das Wasser erneuert hatte. Sammaras Augen hefteten sich auf ihn. Als er verschwunden war, murmelte sie: »Was für ein schöner Riese!«
Da erinnerte sich Ali as-Sayyid, daß Amm Abduh der einzige Angehörige des Hausboots war, den er ihr nicht vorgestellt hatte:
»Er ist ein echter Riese, aber er tut den Mund kaum auf, er verrichtet alle Arbeiten und spricht selten. Oft kommt es uns vor, als wäre er für immer im gegenwärtigen Augenblick versunken. Aber auch das ist nicht sicher. Und das Sonderbare ist, daß auf ihn jede Beschreibung zutrifft: Er ist rüstig und schwach, anwesend und abwesend, er ist der Imam der benachbarten Gebetskapelle und ein Zuhälter.«
»Ich muß gestehen, ich mochte ihn sofort«, lachte Sammara. Spontan erwiderte Ragab: