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»Hoffentlich kommen wir in den gleichen Genuß!« Sana schaute in die Nacht hinaus wie eine Zufluchtsuchende. Wie zur Entschuldigung legte Ragab seinen Arm um ihre Taille.

Ganz andere Fragen bestürmten Anis' Kopf. Waren die Freunde schon früher, schon zur Zeit Roms, so wie heute nacht zusammengekommen? Hatten sie nur andere Kleider getragen? Hatten Sie dem Brand Roms beigewohnt? Warum hatte sich der Mond von der Erde losgerissen und die Berge hinter sich hochgezogen? Wer von den Männern der Französischen Revolution wurde in der Badewanne von der Hand einer schönen Frau ermordet? Wie viele seiner Zeitgenossen starben an chronischer Verstopfung? Wann stritt sich Adam — nach der Vertreibung aus dem Paradies — mit Eva zum ersten Mal? Hat Eva es etwa versäumt, ihn für das Unglück verantwortlich zu machen, das sie selbst heraufbeschworen hatte?

Laila Zaidan schaute fragend zu Sammara hinüber: »Bleiben Sie immer vollkommen nüchtern?«

»Kaffee und Zigaretten, sonst nichts…« Darauf sagte Mustafa Raschid:

»Wir aber werden eines Tages vom endgültigen Plan zur Vernichtung der Rauschgifte hören und werden nicht wissen, was uns noch bleibt.«

»So weit geht das schon!«

Ragab bemerkte, daß sie noch Whisky hätten. Einem Glas stimmte sie zu, er stand auf und schenkte ein. Sie fragte nach dem Geheimnis ihrer Anhänglichkeit an die Wasserpfeife. Aber keiner war gewillt, eine Antwort zu geben, bis Ali as-Sayyid sagte: »Sie ist das Zentrum unserer Zusammenkünfte, und nur hier wird uns echtes Glück zuteil.«

Mit einem Kopfnicken gab Sammara zu, daß die Gesellschaft wahrhaft glücklich sei, doch Saniya Kamil erhob Einspruch. »Keine Ausflüchte, zu diesem Thema haben Sie sicher mehr zu sagen!«

»Die gängigen Klischees will ich nicht wiederholen, und ich will nicht durchfallen wie ein sozialistisches Tendenzstück.«

»Uns interessieren aber Ihre Ansichten«, sagte Ahmad Nasr. »Ich veröffentliche sie wöchentlich in Fortsetzungen. Aber was denken Sie selbst dazu?« fragte sie nach einem Schluck Whisky. »In der ersten Hälfte des Tages«, antwortete Mustafa Raschid, »arbeiten wir, um unseren Lebensunterhalt zu verdienen, danach kommen wir auf dem Boot zusammen, das uns in himmlische Sphären entführt.«

»Geht Sie tatsächlich nicht an, was sich um Sie herum abspielt?«

»Gelegentlich, sofern es uns belustigt.« Sie lächelte ungläubig, als Mustafa Raschid sagte: »Sie denken vielleicht, das sind Ägypter, Araber, Menschen und überdies Gebildete, sie müßten doch Sorgen über Sorgen haben. In Wirklichkeit aber sind wir weder Ägypter noch Araber, noch Menschen. Wir gehören nur dem Boot.« Sie lachte wie über einen Witz, Mustafa aber fuhr fort: »Solange die Tonnen in gutem Zustand, die Taue und die Ketten fest sind, und solange Amm Abduh darüber wacht und die Wasserpfeife gestopft ist, so lange haben wir keine Sorgen…«

»Das überzeugt mich nicht!«

»Warum nicht?«

Sie dachte kurz nach, dann trat sie den Rückzug an: »Ich werde nicht in die Falle tappen, nein, ich werde mir nicht gestatten, so unausstehlich wie ein sozialistisches Tendenzstück zu sein…«

»Sie dürfen Mustafa nicht wortwörtlich verstehen«, lenkte Ali as-Sayyid ein. »Wir sind nicht so egoistisch, wie er uns darstellt. Aber wir sehen, daß das Schiff seinen Weg nimmt, ohne uns zu fragen und ohne unsere Hilfe. Das Nachdenken darüber führt zu nichts. Es hat doch nur Verdruß und hohen Blutdruck zur Folge…«

Hohen Blutdruck und schlechte Haschischsorten. Als Medizinstudent erkrankte er zu Beginn seines Studiums an Einbildungen. Der Amtsleiter selbst war nicht schlimmer als der Sezierraum. Der erste Tag im Sezierraum und die erste Erfahrung mit dem Tod des liebsten Menschen. Und diese Besucherin ist — noch bevor sie den Mund auftut — bemerkenswert schön und duftend. Und die Nacht ist eine Lüge, weil sie das Negativ des Tages ist. Wenn es dämmert, schweigen die Zungen. Aber was ist es, woran du dich die ganze Zeit vergeblich erinnern willst? Khalid Azzuz richtete das Wort an Sammara: »Sie haben literarische Fähigkeiten?«

»Ich habe sie noch nicht ausprobiert.«

»Sie haben zweifellos ein Ziel vor Augen?«

»Auf alle Fälle bin ich dem Theater zugetan.«

»Nur dem Theater? Nicht der Leinwand?« fragte Ragab protestierend.

»Nein, da habe ich keine Ambitionen.«

»Theater ist nichts als Wörter.«

»Damit gleicht es unserem Hausboot«, meinte Mustafa Raschid lächelnd.

Aber sie wehrte ab:

»Das Gegenteil ist richtig, das Theater ist Konzentration, jedes Wort muß eine Bedeutung haben.«

»Das ist der entscheidende Unterschied zwischen dem Theater und unserem Hausboot.«

Ihre Augen begegneten Anis' Augen, während er die Pfeife kreisen ließ, als entdecke sie ihn erst jetzt: »Warum reden Sie nicht?« Sie will dich verführen, um dir im entscheidenden Augenblick zu sagen, sie sei keine Dirne. Sie erinnert mich an etwas, woran ich mich doch nicht erinnern kann. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß sie Kleopatra ist oder die Hökerin, die den gesüßten Tabak in der al-Gamamiz-Gasse verkauft. Sie ist eine Skorpion-Geborene. Weiß sie nicht, daß ich ein Rendezvous mit einer Idee sexueller Natur habe? Mustafa Raschid entschuldigte sich für ihn: »Wer arbeitet, spricht nicht.«

»Warum arbeitet er allein?«

»Das ist seine liebste Beschäftigung, er erlaubt niemandem, ihm dabei zu helfen.«

»Er ist der Vorsteher unseres Hausboots«, ergänzte Ragab al-Qadi, »manchmal nennen wir ihn unseren Vormund. Im Vergleich zu ihm ist jeder von uns ein Neuling und Amateur, denn er erwacht nie…«

»Zumindest ist er nüchtern, wenn er morgens aus dem Schlaf erwacht!«

»Nur für kurze Augenblicke, dann schreit er schon nach dem schwarzen Kaffee…« Nachdrücklich richtete sie sich an ihn: »Und was tun Sie in diesem Augenblick?« Ohne seinen Blick zu heben, sagte er: »Ich frage mich, warum ich lebe.«

»Schön. Und wie beantworten Sie sich die Frage?«

»In der Regel versinke ich in Trance, bevor ich die Antwort finde.«

Sie lachten länger als nötig, und er lachte mit. Durch den aufsteigenden Dunst betrachtete er die Frauen. Kein Auge spiegelte auch nur die geringste Zuneigung zur Besucherin wider. Manch ein Löwe frißt das Fleisch allein und überläßt den anderen die Knochen. Die Knochen der neuen Besucherin sind übervoll von schreckenerregendem Mark. Aber solange die Mücke ein Säugetier ist, brauchen wir keine Angst zu haben. Und in der Tat, kreisten die Planeten nicht um die Sonne, so wäre uns die Ewigkeit beschieden.

Ragab schaute auf seine Armbanduhr, dann sagte er ernsthaft: »Es ist Zeit, daß wir mit dem Gefasel aufhören. Diese Nacht ist ein Markstein in unserem Leben. Zum erstenmal ehrt uns ein ernsthafter Mensch mit seinem Besuch. Er besitzt, was keiner von uns besitzt. Wer weiß, vielleicht erhalten wir mit der Zeit Antwort auf Fragen, die bis heute ohne Antwort geblieben sind…«

Vorsichtig und fragend blickte sie ihn an: »Verhöhnen Sie mich, Herr Ragab?«

»Gott behüte, ich baue vielmehr meine Hoffnung darauf, daß Sie zu uns gehören werden.«

»Ich habe den gleichen Wunsch, ich werde, soweit es die Zeit erlaubt, keine Gelegenheit, bei Ihnen zu sein, versäumen.« Eine resignierende Bewegung breitete sich aus, die Anwesenden schickten sich an zu gehen. Der Fluch war da, der jedem Ding ein Ende macht. War dies der Gedanke, der dem Gedächtnis so lange widerstrebt hatte? Im Kohlebecken blieb nur Asche zurück. Sie gingen nacheinander, bis er mit seiner Einsamkeit allein war. Eine neue Nacht stirbt, und das Dunkel draußen schaut ihm zu. Und da kommt Amm Abduh, um dem Raum sein voriges Aussehen wiederzugeben. »Hast du den neuen Gast gesehen?«

»Soweit das Sehen reicht…«

»Es wird behauptet, daß sie von der Polizei ist.«

»Uoh!«

Als der Alte sich anschickte wegzugehen, sagte er: »Such mir ein Mädchen für die Nacht!«