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Ich liebe Dich und denk an Dich,

Deine A

Ich schickte den Brief ab und begab mich auf die Seite nutten.ru. Dort war allerhand los. Selbst die Werbe-PopUps hatten überwiegend einen thematischen Bezug.

Paris sehen und leben! Durex anal extra strong.

Geländekondome sozusagen. Der Markt suchte immer neue Wege und Nischen. Mir waren schon Kondome der Marke Occam's Razor untergekommen, auf denen das Bildnis des mittelalterlichen Scholastikers prangte, dazu sein Ausspruch als Slogan: Wesenheiten soll man nicht über Gebühr vermehren. William Ockham habe ich persönlich gekannt. Es war, glaube ich, im vierzehnten Jahrhundert, dass ich ihm bei einer Begegnung sagte, von seinem Rasiermesserprinzip sei es nur ein Schritt zur geistigen Kastration. Daraufhin machte er in seinem Münchner Haus ausführlich Jagd auf mich; zwei Jahrhunderte später kam die Reformation … Doch ich hatte keine Zeit, mich in Erinnerungen zu verlieren – die Annonce musste so schnell wie möglich in die Welt, und dafür wollte ich mich erst einmal mit existierenden Vorbildern vertraut machen.

Die gab es glücklicherweise in großer Zahl. Ein amüsantes Charakteristikum des Genres war, dass viele Mädchen ihre Annoncen mit ein paar lyrischen Einsprengseln schmückten, die zu den aufgelisteten Dienstleistungen in keiner Beziehung standen; eine Art Wortpiercing; ich bekam Lust, mich gleichfalls darin zu versuchen.

Nach einer Stunde war mein Text fertig. Ein strenger Kritiker hätte vermutlich eine Kompilation darin gesehen, doch ich hatte nicht vor, mir ein literarisches Renommee zuzulegen. Meine Annonce fing so an:

Ein süßer Fratz; zwar engelsgleich,

doch kundig im Intimbereich!

Dies Lächeln, dieser Gang – was willst du mehr?

Anal französisch, klassischer Verkehr!

Die zwei durch Leerzeile getrennten Doppelverse hatten in Reim und Versmaß keinerlei Beziehung zueinander – wie zwei verschiedene Ringe in einem Ohrläppchen. Das wirkte authentisch, die anderen Mädchen machten es genauso. Die Verse waren fett gesetzt, darunter folgte der informative Teiclass="underline"

Ein Märchen – und das Happy End bestimmen Sie!

Kleine Brust für großes Geld. Fuchsrotes Kätzchen wartet auf den Anruf des solventen Herrn. Klassischer Sex, Fellatio (Deep throat & Königsweg), Anal Petting, Bondage, SM (z. B. Russische Peitsche), Foot fetish, Strapon, Sakura-Zweig, Lesbis, orale & anale Stimulation, Cunnilingus (auch erzwungen), Rollenspiele, Golden & Silver Shower, Fisting, Piercing, Katheder, Kopro, Klistier, Domina hard & soft, Herrin & Sklavin. Facecontrol. Hausbesuch nach Vereinbarung. Vieles geht. Beinahe alles. Steig ein und vergiss! Wenn du kannst…

Von wegen Kätzchen, dachte ich beim Überlesen des Textes. Ehrlich gesagt, wusste ich nicht recht, worum es beim Bondage ging und was sich mit einem Sakura-Zweig anfangen ließ. Auch unter Fisting konnte ich mir wenig vorstellen – danach zu urteilen, dass in anderen Annoncen orales von vaginalem unterschieden wurde, war es ebenso eine Schweinerei wie alles Übrige. Fisting … Fist bedeutet Faust – man steckte also die Faust hinein? Und das ging auch per oris? In einer Annonce hatte ich folgende Aufzählung entdeckt: Fellatio, PR, Cunnilingus. Was war gemeint? Oder: Strapon. Klang nach Kosmos, den romantischen Sechzigern des vorigen Jahrhunderts. War aber wohl etwas anderes. Zum Glück brauchte ich nicht zu wissen, was Strapon bedeutete – Hauptsache, der Kunde wusste Bescheid.

Vermutlich muss man Werfuchs sein, um zu verstehen, wie einer Strapon-Dienste leisten kann, ohne zu wissen, was das ist. Es lässt sich schwer erklären, man kann allenfalls Analogien heranziehen. Also: Ich nehme das Bewusstsein eines Kunden als warme, elastische Kugelform wahr, und um den armen Kerl ins Reich seiner Träume zu geleiten, muss ich zuvor mit meinem Schweif in diese Kugel, da wo sie am heißesten ist, eine Delle drücken. Anschließend muss ich dafür sorgen, dass diese Delle wieder ausgebeult wird, was ein Flimmern und Kräuseln auf der restlichen Kugeloberfläche bewirkt. Nichts anderes ist Strapon. Bringt man diese Delle nun noch mit sanfter Gewalt dazu, sich nach der anderen Seite zu beulen, als dünnes Häkchen hervorzuwölben, dann ist das ein Strapon, dem der Kunde noch ewig hinterhersabbern wird, so lange, bis sein Verstand im kalten Meer des Alzheimer versinkt.

Das Gleiche gilt für Fisting, Domina soft et cetera. Selbst wenn es Sie gelüsten sollte, einen alten Transvestiten mit Goldzahn und Musikhochschulabschluss unter Einsatz eines Baseballschlägers zu Tode zu prügeln, kann ich Ihnen bei diesem zweifelhaften Projekt behilflich sein. Wobei ich lieber gar nicht bis ins Letzte wissen möchte, was das fremde Bewusstsein bewegt – so kann ich meine Seele leichter rein halten.

Aus diesem Grund hatte ich keine Zweifel, meiner Liste von Offerten, welcher Art auch immer, gerecht werden zu können. Trotzdem, irgendetwas fehlte noch an dem Text. Ich überlegte ein bisschen und klemmte hinter Fuchsrotes Kätzchen wartet auf den Anruf des solventen Herrn das Folgende:

Transe, universell begabt, 26x4. Immer nur den Regeln zu folgen heißt, sich um jedes Vergnügen zu bringen! Man muss auch Dummheiten anstellen können, wie die Natur sie von uns verlangt.

Wenn die wüssten, was unsere Natur ist!, seufzte ich und strich die Transe wieder aus. Wie der Leibkoch von Großfürst Michail Alexandrowitsch zu sagen pflegte: Mit Butter kann man den Grießbrei nicht verderben – mit Brei die Butter aber schon! … Etwas anderes war gefragt. Nach einigem Nachdenken beschloss ich, Herrin und Sklavin durch Herrin, Sklavin und die Schöne Dame zu ersetzen. Das verpflichtete nicht zu mehr körperlichem Einsatz, nicht einmal im Bereich der Imagination, schuf jedoch neuen Raum für die Phantasie.

Noch einen Lacküberzug aus klassischer Dichtung vielleicht? Frei nach Alexander Block?

Glücksgefilde, ungekannt,

taten sich auf in diesen Armen …

Dann fielen die Arme klingelnd herab …

Mein Traum war dagegen zum Gotterbarmen!

Oder dasselbe doch besser in lyrischer Prosa:

In ihren geschnittenen Augen sah er ein neues, wunderbares Glück aufscheinen, und das Klingeln der Reifen an ihren Handgelenken, während sie herabsanken, war lauter als in seinen kargen Träumen …

Träume, ach … Eine Kurtisane aus meinem Bekanntenkreis in der späten Han-Zeit hatte oft und gern behauptet, die Schwachstelle des Mannes sei sein träumerischer Geist. Im vorgerückten Alter wurde sie einem Nomadenführer als Abfindung überlassen, und der kochte die Arme in Stutenmilch, weil er glaubte, so könnte er ihr zu neuer Jugend verhelfen. Auch eine Schwachstelle kann eben mitunter gewalttätig werden.

Nein, entschied ich, Block hat hier nichts zu suchen – seine Verse läutern die Seele, wecken in ihr hehre Gefühle. Und sind im Kunden erst einmal hehre Gefühle erwacht, dann ist er für uns verloren, das sagt Ihnen jeder Marktforscher. Also setzte ich anstelle des Nachtigallengartens den folgenden Zweizeiler ans Ende: