Выбрать главу

»Das erste Mal, dass der Fuchs kam, begann damit, dass in der hintersten Ecke des Hauses, zwischen den Hühnerleitern, eine Frau auftauchte, die sehr hübsch war. Sie nannte sich A Ze und versuchte mich zu sich zu locken. Und dies immer wieder, bis ich, für mich selbst überraschend, den Verlockungen nachgab. Sie wurde sogleich meine Frau, und noch am selben Abend waren wir in ihrem Hause … An ein Zusammentreffen mit Hunden kann ich mich nicht erinnern, nur, dass ich sehr, sehr froh war.«

»Das war ein böser Berggeist«, stellte ein Dao-Wahrsager fest.

In den Notizen über berühmte Berge heißt es: »Der Werfuchs war in sehr alten Zeiten ein loses Frauenzimmer, und ihr Name war A Ze. Später verwandelte sie sich in einen Fuchs.«

Deshalb werden Wertiere dieser Art heute meistenteils A Ze genannt.

Ich kann mich an den Mann entsinnen. Sein Kopf sah aus wie ein gelbes Ei, die Augen wie zwei an das Ei geklebte Papierschnipsel. Der Verlauf unserer Affäre ist nicht ganz wahrheitsgemäß wiedergegeben, außerdem irrt der Erzähler, wo er sagt, ich hätte A Ze geheißen. Der Leibwächter nannte mich bei meinem Namen A, das »Ze« war nur der Laut, den er zuletzt, als ihn die Lebensgeister verließen, zwanghaft von sich gab: Er sog beim Reden geräuschvoll Luft ein, wie um den hängenden Unterkiefer an seinen Platz zu saugen. Ferner ist unwahr, dass ich zuerst ein »loses Frauenzimmer« gewesen wäre und mich erst später in einen Werfuchs verwandelt hätte – so etwas kommt überhaupt nicht vor, soviel ich weiß. Nichtsdestoweniger spüre ich beim Wiederlesen dieser kleinen Passage altchinesischer Prosa die gleiche Aufregung wie eine gealterte Schauspielerin, wenn sie das früheste erhaltene Foto von sich betrachtet.

Woher der Name A kommt? Einem konfuzianischen Bibliophilen (der auf kleine Jungs stand und außerdem meine Bewandtnis kannte, was ihn nicht daran hinderte, meine Dienste bis an sein Lebensende in Anspruch zu nehmen) ist eine hübsche Erklärung dafür eingefallen. Dies sei der kurze Laut, den ein Mensch auszustoßen gerade noch in der Lage ist, wenn ihm die Kehlmuskeln versagen. Tatsächlich bringen manche der Männer, denen ich die Sinne verwirre, dieses gepresstes A-a… hervor. Übrigens hat mir jener Konfuzianer sogar eine kalligraphische Widmung verehrt – sie hebt an mit den Worten: A Huli, du Weide am nächtlichen Fluss …

Man könnte meinen, es müsste ein trauriges Schicksal sein, mit dem Namen A Huli in Russland zu leben. Ungefähr so wie in Amerika für einen, der Whatze Phuck heißt. Ich gebe zu, der Name verleiht meinem Leben einen bitteren Beigeschmack, und eine meiner inneren Stimmen ist in jedem Moment bereit zu fragen: Was hast du vom Leben erwartet, A Huli, Whatze Phuck? Aber das ist, wie gesagt, die geringste meiner Sorgen, eigentlich überhaupt keine, ich arbeite ja unter Pseudonym. Das Ganze hat eher etwas Humoristisches – schwarzer Humor, schon wahr.

Als Hure zu arbeiten fällt mir auch nicht weiter lästig. Dunja, meine Ablösung im Baltschug (dort unter dem Namen Adultera geführt), hat einmal definiert, was eine Hure von einer anständigen Frau unterscheidet: »Eine Hure will von dem Mann hundert Dollar dafür, dass sie es ihm ein bisschen nett macht. Eine anständige Frau will sein ganzes Geld dafür, dass sie ihm alles Blut aussaugt.« Ich mag diese radikale Ansicht nicht so ganz teilen, doch ein Körnchen Wahrheit steckt darin: Heutzutage sind die Sitten in Moskau so, dass, wenn man die Formulierung »aus Liebe« vom Hochglanz ins Juristische übersetzt, »für hunderttausend inklusive Hämorrhoiden« herauskommt. Sollte man auf die Meinung einer Öffentlichkeit, in der eine solche Moral herrscht, etwas geben?

Ich habe ernstere Probleme. Mein Gewissen zum Beispiel. Aber darüber werde ich im nächsten Stau nachdenken, wir sind gleich da.

Der Zylinder ist indirekt ein Kastenzeichen: Zugehörigkeit zur Elite unterstellend, was immer man von ihr hält. Begrüßt dich am Hoteleingang ein Mann im Zylinder und hält dir mit einem tiefen Bückling die Tür auf, so wirst du schon hierdurch auf eine soziale Stufe gehoben, die einer Schuldverschreibung gegenüber Leuten mit weniger Glück im Leben gleichkommt.

Das spiegelt sich beispielsweise auf der Getränkekarte wider. Ich setzte mich auf einen Hocker an der Bar, studierte das Angebot und versuchte meine Nische zwischen Vierzig-Dollar-Whiskey und Sechzig-Dollar-Cognac (für vierzig Gramm, wohlgemerkt) zu finden. Die Namen der Longdrinks fügten sich zu einem Hardcore-Thriller: Tequila Sunrise, Blue Lagoon, Sex on the Beach, Screwdriver, Bloody Mary, Malibu Sunset, Zombie. Ein fertiges Filmexposé.

Doch ich bestellte einen Cocktail der Rusty Nail hieß – nicht aus Anlass der bevorstehenden Begegnung, wie ein psychoanalytisch denkender Mensch vermuten könnte, sondern dieses rätselhaften Drambuies wegen, der neben Scotch zu den Ingredienzen zählte. Man soll ja nach Möglichkeit jeden Tag im Leben etwas Neues kennen lernen. Außerdem war die Getränkekarte zweisprachig, und auf Russisch hieß der Cocktail Rasti Nail1. Da wächst der liebe gute Nail heran in seinem ukrainischen Kaff Shmerinka, schmiedet große Pläne und ahnt nicht, dass sein Weg nach der Emigration vorbestimmt ist: zu den rostigen Nägeln … Schon haben wir das nächste Exposé: die Geschichte eines Russen in Amerika, aufgebrochen zu den Leuchttürmen seines großen Traums, bei Prozak gelandet. Wieso war ich eigentlich nicht im Filmgeschäft?

Zwei meiner Mitstreiterinnen saßen an der Bar: Karina, das Ex-Model, und die Transe Nelly, die aus dem Moskwa nach dessen Schließung herübergewechselt war. Obwohl Nelly vor kurzem die fünfzig überschritten hatte, florierte bei ihr das Geschäft. Auch jetzt gerade beturtelte sie wieder einen galanten Skandinavier, während Karina sich einsam an ihrer Zigarette festhielt – nicht die erste, wie der mit lippenstiftbeschmierten Kippen gefüllte Aschenbecher zeigte. Ich weiß bis heute nicht recht, wie das zuging, es war immer dasselbe: Nelly, die Schreckschraube mit ihrer Komsomolzenvergangenheit, machte mehr Kohle als das junge Gemüse mit Modeloberfläche. Die Gründe dafür konnten verschieden sein:

1. sieht sich der westliche Mann, der die Ideale weiblicher Gleichberechtigung mit der Muttermilch aufgesogen hat, nicht in der Lage, eine Frau aufgrund ihres Alters oder irgendwelcher körperlicher Makel abzuweisen, denn er sieht in ihr vorrangig den Menschen.

2. bedeutet die Entscheidung, seine sexuellen Gelüste mit Hilfe eines Fotomodels zu befriedigen, für den reflektierenden westlichen Mann nichts anderes, als den Ideologen der Konsumgesellschaft auf den Leim zu gehen, und das ist das Letzte.

3. lässt sich der westliche Mann weit mehr vom sozialen Instinkt als vom biologischen leiten, sodass er selbst in einer so intimen Angelegenheit wie dem Sex den am wenigsten konkurrenzfähigen Akteuren der Marktwirtschaft eine Chance gibt.

4. nimmt der westliche Mann an, dass die Schreckschraube ihn billiger kommt, und nach einer Stunde Peinlichkeit hat er Geld gespart, um seinen Jaguar abzuzahlen.

Wie Serge, der Barkeeper, mich geheißen hatte, riskierte ich keinen Blick in seine Richtung. Hier im National denunzierte jeder jeden, man musste vorsichtig sein. Außerdem interessierte mich Serge in diesem Moment am allerwenigsten, ich war gespannt auf den Kunden.

Zwei Anwärter für diese Rolle waren in der Bar zugegen: Ein Sikh im dunkelblauen Turban, der wie ein Schokoladenhase aussah, und ein Mann mittleren Alters im Dreiteiler, mit Goldrandbrille. Beide saßen allein – der mit der Brille trank Kaffee und sah durch den Glasgiebel auf das Hofgeviert hinaus; der Sikh las die Financial Times, seine Lackschuhspitze wippte im Takt, den die Klavierspielerin vorgab, die das kulturelle Erbe des neunzehnten Jahrhunderts meisterhaft zu akustischen Tapeten verarbeitete. Gerade spielte sie Chopin, das Regentropfen-Prélude – das der Bösewicht in Moonraker spielt, als Bond erscheint. Diese Musik fand ich himmlisch. Aus gutem Grund hatte Tolstois Witwe Sofija Andrejewna, als sie die letzten Jahre ihres Lebens an der Widerlegung der Kreutzersonate ihres Gatten arbeitete, ihr Buch Die Préludes von Chopin nennen wollen …