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»Oho!«, sagte sie, »du kannst immer noch so schön rot werden wie vor tausend Jahren. Geradezu beneidenswert! Wie machst du das bloß? Dafür muss man vermutlich noch Jungfrau sein?«

Das Seltsame ist, dass ich ausschließlich in Gegenwart anderer Werfüchse erröte, im Umgang mit Menschen kommt es nie dazu. Eigentlich bedauerlich – man hätte die Tarife deutlich erhöhen können.

»Jungfrau? Bin ich nicht mehr«, sagte ich und errötete noch tiefer.

»Sag bloß!« Vor Verblüffung ließ I Huli sich nach hinten gegen die Sofalehne fallen. »Los, erzähle!«

Endlich konnte ich dem Drang nachgeben, die Story jemandem anzuvertrauen – die nächste halbe Stunde ging dafür drauf, mein übervolles Herz auszuschütten.

Während ich die prickelnden Details meiner affaire hererzählte, runzelte I Huli die Stirn, lächelte, nickte, hob manchmal gar den Zeigefinger, als wie: Hab ich es dir nicht oft genug gesagt! Und als ich fertig war, sprach sie: »Na siehst du. Nun ist es dir also auch passiert. Ob tausend Jahre früher oder später, was macht das schon … Gratuliere!«

Ich nahm eine Serviette vom Beistelltisch und knüllte sie zu einem Papierball, den ich nach meiner Schwester warf. Geschickt wich sie aus.

»Lebenserfahrung ist doch eine großartige Sache«, fuhr sie fort. »Sag selbst: Wäre so etwas in den Tagen unserer zarten Jugend vorstellbar gewesen? Du hast ihn so profimäßig provoziert, man kann gar nicht genau sagen, wer da wen vergewaltigt hat.«

»Wie bitte?« Vor Verblüffung blieb mir der Mund offen stehen.

I Huli grinste.

»Vor den eigenen Leuten musst du nicht die gekränkte Unschuld spielen.«

»Was redest du da? Wann soll ich ihn provoziert haben?«

»Nackt aus dem Badezimmer springen und ihm den Hintern entgegenrecken – ist das etwa keine Provokation?«

»Meinst du das im Ernst?«

»Aber ja. Warum sonst hast du ihm den Rücken zugedreht, frage ich mich.«

Ich zuckte die Achseln.

»Sicherheitshalber.«

»Was soll daran sicher sein?«

»Der Schweif ist so näher dem Ziel«, sagte ich, selbst nicht ganz überzeugt von meiner Idee.

»Na schön. Aber dabei sollte man doch immerhin den Kopf nach hinten drehen. Sag ehrlich: Hast du dich jemals zuvor sicherheitshalber so aufgebaut?«

»Nein.«

»Wie bist du dann diesmal drauf gekommen?«

»Ich … ich dachte einfach, das ist ein sehr heikler Fall. Und ich darf mich auf gar keinen Fall anschmieren lassen. Blamieren, meine ich.«

I HuIi brach in lautes Lachen aus.

»Hör mal«, sagte sie. »Du willst mir doch nicht wirklich erzählen, du hättest das alles unbewusst inszeniert?«

Die Richtung, in die unser Gespräch ging, behagte mir ganz und gar nicht.

»Ich weiß, du hältst nichts davon«, fuhr sie fort, »aber würdest du mal einen guten Psychoanalytiker konsultieren, lägen deine wahren Motive schnell auf der Hand. Mit einem Analytiker lässt es sich übrigens ganz ungehemmt reden, über alles, was du willst – dafür kriegt er sein Geld. Gut, den Schweif muss man nicht unbedingt ausplaudern. Oder man stellt ihn als Phantasiespiel hin. Aber dann vergiss alles, was er dir über Penisneid erzählt …«

Da schüttet man nun einer Freundin sein Herz aus und muss sich so was anhören!, dachte ich.

»Sag mal, findest du nicht auch, dass es längst an der Zeit wäre, diesen ganzen psychoanalytischen Diskurs mit einem Pfahl aus Espenholz in den verkoksten und zugepeppten Arsch zurückzutreiben, der ihn ausgeschissen hat?«, fasste ich meinen Groll in Worte. I Huli riss die Augen auf.

»Zugepeppt, na gut, das kann ich noch verstehen. Immerhin war ich zwei Jahre lang mit Jean-Paul Sartre befreundet, falls du das noch nicht weißt. Auch mit dem Arsch komme ich gut klar. Aber verkokst, wieso verkokst?«

»Das kann ich dir erklären«, sagte ich, hocherfreut, dass das Gespräch von dem heiklen Thema abkam.

»Na, da bin ich aber gespannt!«

»Nicht genug damit, dass Doktor Freud selber auf Kokain war, er hat es seinen Patienten verordnet. Um dann seine Theorien daraus abzuleiten. Kokain ist ein ernstzunehmendes sexuelles Stimulans. Darum hat alles, was Freud sich so ausgedacht hat, diese ganzen Ödipusse, Sphinxe und Sphinktere, nur für den geistigen Raum seiner Patienten Gültigkeit, ihre vom Kokain zu Spiegeleiern verbratenen Gehirne. In so einem Zustand hat der Mensch wirklich keine anderen Sorgen mehr, als sich entscheiden zu müssen, ob er lieber zuerst die Mama fickt oder den Papa killt. Alles sehr einleuchtend, solange genug Kokain da ist. Und mit dem Nachschub scheint es damals keine Probleme gegeben zu haben.«

»Ich rede doch gar nicht von …«

»Aber solange du deine Dosis von drei Gramm pro Tag nicht überschreitest«, sprach ich einfach weiter, »hast du weder Ödipuskomplexe noch irgendeine andere von seinen vielen Entdeckungen zu befürchten. Wenn ich damit anfange, mich bei der Analyse meines Verhaltens auf die freudschen Theorien zu stützen, kann ich auch gleich in die Kaktustrips von Carlos Castaneda einsteigen. Bei dem ist wenigstens Herz dabei und Poesie. Dieser Freud hingegen hat nur seinen Kneifer, zwei Lines auf dem Büfett und das Zipperlein im Schließmuskel. Die Bourgeoisie liebt ihn gerade seiner Schweinigeleien wegen. Für sein Talent, die ganze Welt aus Arschhöhe zu sehen.«

»Ich verstehe nicht: Warum sollte die Bourgeoisie ihn gerade deswegen lieben?«

»Weil die Portfolio-Manager Propheten brauchen, die ihnen die Welt in ihren eigenen Begriffen erklären. Und sie ein ums andere Mal beruhigen, dass der objektiven Realität, in die sie so viel Geld investiert haben, keine Gefahr droht.«

I Huli sah mich an – ein wenig spöttisch, wie mir schien.

»Und was meinst du«, fragte sie, »liegt der Tendenz, die objektive Realität zu ignorieren, eine sexuelle Deprivation zugrunde oder nicht?«

»Hä?«, machte ich.

»Anders gesagt: Bist du auch der Meinung, dass vor allem solche Leute die Welt als Illusion betrachten, die mit ihrem Sexleben nicht klarkommen?«

Dies war eine Weltsicht, der man hier im National häufig begegnen konnte. Nach dem Motto: Nur Loser mit sexuellen Komplexen flüchten sich vor dem fröhlichen Treiben des Marktes in Mystik und Obskurantismus. Solches von einsam auf dem Bett herumkrauchenden Kunden zu hören war besonders lustig. Vor allem wenn man bedachte, dass sie es all die anderen Tage genauso trieben – nur dass statt eines Fuchsschweifes die Financial Times für die Anschubanimation sorgte und die Einsamkeit nicht wie in meiner Gegenwart relativ, sondern absolut war … Dass aber nun ausgerechnet mein Schwesterlein solchen Theorien das Wort redete, war stark. Ein Beispiel dafür, was die Konsumgesellschaft aus uns macht.

»Die Sache verhält sich gerade umgekehrt«, entgegnete ich. »In Wirklichkeit lässt die Neigung, zwischen geistigem Streben und sexuellen Problemen einen Zusammenhang zu konstruieren, auf die Frustration des analen Libidovektors schließen.«

»Wie das?«, fragte I Huli und hob verwundert die Brauen.

»Na eben so. Die so reden, gehören in den Arsch gefickt. Weil sie es sich nicht selber machen können, was insgeheim schon immer ihr Wunsch war.«

»Und was soll das bringen?«

»Wenn sie sich auf das konzentrieren, wovon sie was verstehen, hören sie auf, über Dinge zu reden, von denen sie keine Ahnung haben. Den Schweinen hat der liebe Gott keinen Hals gegeben, mit dem es sich in den Himmel gucken lässt. Was noch lange nicht heißt, dass der Himmel eine sexuelle Neurose ist.«

»Aha … Hast du das von deinem Wolf?«

Ich schwieg.

»Verstehe«, sagte Schwesterlein I. »Darf man ihn sich denn mal ansehen?«

»Woher so plötzlich das Interesse?«, fragte ich argwöhnisch.

»Bloß keine Eifersucht!«, sagte sie lachend. »Ich bin einfach neugierig, an wem dein Wohlgefallen sich entzündet hat. Außerdem bin ich noch nie einem Werwolf begegnet, weiß nur vom Hörensagen, dass sie im Norden vorkommen sollen. Das Überwertier, zu dem du mir ständig Vorträge hältst, ist übrigens auch eher Wolf als Fuchs. Meint jedenfalls mein Mann. Und in seiner Loge Rosa Abendlohe sehen das alle so.«