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Die unverbrüchliche Verbindung zwischen Schweif und Bewusstsein ist das Fundament, auf dem die Welt ruht, wie wir sie kennen. Nichts kann diesen Kausalring sprengen. Mit einer Ausnahme: der Liebe.

Wir Werwesen sind den Menschen in jeder Beziehung weit voraus. Doch gleich ihnen erfahren wir höchst selten die wahre Liebe. Deshalb entzieht sich der verborgene Pfad, dieser Welt zu entkommen, unseren Blicken. Und dabei ist er so einsichtig, dass man es nicht glauben mag: Die Kette der Selbsthypnose lässt sich mit einer einzigen Regung des Geistes zerreißen.

Ich gebe diese unübertreffliche Lehre nun weiter in der Hoffnung, dass sie die Grundlage bilden möge für die endgültige Befreiung all derer mit Herz und Schweif. Diese vor undenklichen Zeiten verlorengegangene Technik ward von mir, dem Werfuchs A Huli, unter den in diesem Buch beschriebenen Umständen zum Wohle aller Wesenheiten wiederentdeckt. Hier nun die vollständige Darlegung der im Altertum einmal als Schweif der Leere bekannt gewesenen Geheimtechnik.

1. Zuerst muss ein Werwesen erfahren haben, was Liebe ist. Die Welt, die wir tagtäglich erschaffen, wie es unsere Gewohnheit ist, steckt voller Übel. Doch wir vermögen aus dem Teufelskreis nicht auszubrechen, weil wir uns auf eine andere Art Schöpfung nicht verstehen. Liebe hingegen ist von grundsätzlich anderer Natur, darum haben wir davon im Leben wenig. Besser gesagt, unser Leben ist, wie es ist, weil in ihm keine Liebe ist. Das, was die Menschen für Liebe halten, ist in den meisten Fällen nur schnöder Trieb und Fortpflanzungsinstinkt, multipliziert mit sozialem Durchsetzungsdrang. Du, Werwesen, mögest dich dem schwanzlosen Affen nur ja nicht anpassen! Gedenke, wer du bist!

2. Hat ein Werwesen einmal erfahren, was Liebe ist, so kann es diese Sphäre verlassen. Doch muss es zuvor noch seine Rechnungen begleichen: denen danken, die ihm bis hierher geholfen haben, und denen helfen, die der Hilfe bedürftig sind. Sodann muss das Werwesen zehn Tage fasten, dabei drehen sich seine Gedanken um das unergründliche Mysterium der Welt und ihre grenzenlose Schönheit. Außerdem muss das Werwesen seiner dunklen Punkte gedenken und sie bereuen. Mindestens zehn der schwärzesten Punkte im Leben sollten ihm einfallen und jeder Einzelne seine Reue finden. Dabei sollten dem Werwesen wenigstens dreimal aufrichtig die Tränen kommen. Das hat nichts mit billigem Sentiment zu tun – Tränen reinigen die psychischen Kanäle, die in der dritten Etappe gebraucht werden.

3. Sind die vorbereitenden Exerzitien abgeschlossen, wird das Werwesen den nächsten Tag nach Vollmond erwarten. An diesem Tag wird es früh aufstehen, eine Waschung vollziehen und sich an einen entlegenen Ort begeben, wo es von keinem Menschen gesehen werden kann. Dort wird es den Schweif lösen und den Lotossitz einnehmen. Wer am Lotossitz scheitert, kann genauso gut auf einem Stuhl oder einem Stubben Platz nehmen. Wichtig nur, dass der Rücken gerade und der Schweif entspannt ist. Dann wird das Werwesen ein paarmal tief ein- und ausatmen, in seinem Herzen ein Maximum an wahrer Liebe erwecken und diese unter Ausrufung des eigenen Namens in seinen Schweif versenken, so weit und so tief es geht.

Jedes Werwesen wird sofort wissen, was das heißt: die Liebe in den Schweif versenken. Doch es muss ihm so unsinnig, undenkbar und über den Rahmen jeder Konvention hinausgehend erscheinen, dass ich fürchte, man könnte mich für verrückt erklären. Nichtsdestoweniger verhält sich alles ganz genau so: Hier entlang führt der verborgene Pfad in die Freiheit. Der Vorgang lässt sich mit dem vergleichen, was geschieht, wenn ein Luftbläschen in ein zum Herzen führendes Blutgefäß gerät. Es genügt, um den Motor des sich selbst reproduzierenden Alptraums lahmzulegen, in dem wir seit Anbeginn der Zeiten herumirren.

Wenn die im Herzen gekeimte Liebe die wahre Liebe war, so hört der Schweif nach dem Schrei des Werwesens für eine Sekunde auf, Welt zu produzieren. Diese Sekunde ist der Augenblick der Freiheit – lange genug während, um das Martyrium für immer zu verlassen. Wenn diese Sekunde eintritt, wird das Werwesen unfehlbar wissen, was zu tun ist.

Nebenher habe ich auch erfahren, wie ein schwanzloser Affe dieser Welt entrinnen kann. Ursprünglich hatte ich vor, auch für ihn eine ausführliche Instruktion zu verfassen, doch dazu reicht nun die Zeit nicht mehr. Darum hier das Wichtigste in aller Kürze: Die Knackpunkte der Lehre sind die gleichen wie oben. Zunächst muss der schwanzlose Affe die Liebe in seiner Seele keimen lassen, beginnend bei ihren einfachsten Formen, allmählich aufsteigend bis zur wahren Liebe, die weder Subjekt noch Objekt kennt. Alsdann muss er sein Leben überdenken, die Nichtswürdigkeit seiner Ziele und die Infamie seiner Wege erkennen. Und da seine Anstalten, Buße zu tun, meist nur geheuchelt und von kurzer Dauer sind, soll er nicht weniger als dreißig Mal für seine Untaten Tränen vergießen. Zuletzt hat der Affe eine magische Handlung analog zu der unter Punkt 3 beschriebenen zu vollziehen, die nur insofern abweicht, als er keinen Schweif besitzt (er besitzt ja nicht einmal einen Schwanz). Darum muss der schwanzlose Affe sich zuerst einmal vergegenwärtigen, wie er seine Welt erschafft, woher er die entsprechenden Halluzinationen bezieht. Die Dinge liegen hier sehr einfach, aber mir fehlt die Zeit, darauf einzugehen.

Etwas Wichtigeres sei noch gesagt. Geht ein Werwesen den Weg, findet es den Pfad zur Wahrheit, so soll es ihn tunlichst nicht gleich wieder mit allerlei wirren Symbolen und Ritualen verstellen, wie das die schwanzlosen Affen tun. Es soll vielmehr unverzüglich seine Entdeckung den anderen Werwesen mitteilen, und dies so einfach und klar wie nur möglich. Und dabei stets an eines denken: Auf die Frage »Was ist die Wahrheit?« gibt es nur eine richtige Antwort – zu schweigen. Wer zu sprechen anhebt, zeigt, dass er nichts weiß.

So. Dies war es wohl nun. Nat King Cole hat sein Lied gleich zu Ende gesungen. Auf den letzten zahnlosen Dias wird das Folgende zu sehen sein: Ich tippe die Seite zu Ende, speichere ab, schiebe das Notebook in meinen Rucksack und schwinge mich aufs Fahrrad. Um diese frühe Zeit liegt die Rampe am Rand des Bitza-Parks verwaist. Es hat mich immer gereizt, einmal den Sprung zu wagen, doch die Zweifel, was die Landung betraf, hatten überwogen. Nun aber weiß ich, wie ich es machen muss.

Ich fahre genau in die Mitte der menschenleeren Brache im Morgenlicht, nehme alle in meinem Herzen wohnende Liebe zusammen, trete an und flitze den Hang hinab, auf die Rampe zu. In dem Moment, da sich die Räder vom Boden lösen, brülle ich laut meinen Namen und höre auf, diese Welt zu erschaffen. Ein Moment wird eintreten, über den ich staunen werde, so unvergleichlich wird er sein. Darauf wird diese Welt verschwinden. Und dann, endlich, werde ich erfahren, wer ich wirklich bin.

1 Rasti Nail (russ.) kann gelesen werden als: Werd erst mal groß, Nail!

2 drel (russ.): Bohrer

3 von kosjol (russ.): Bock

4 sery (russ.): grau

5 bely (russ.): weiß

6 duchovnost (russ.): Geistigkeit, Spiritualität

7 Kokni (russ.): Transkription zu Cockney, bedeutet außerdem: Schlag zu!

8 tschorny (russ.): schwarz