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«Das kommt vor«, sagte der eine Feldpolizist.

«Ihre saudummen Bemerkungen können Sie unterlassen. «Dr. Körner war wütend. Zu Enttäuschung und Angst kam das Wissen, daß seine Zeit in Warschau bald abgelaufen war. Man sollte mit dem Leiter der Lazarettplanungsstelle sprechen, dachte er. Vielleicht kann er mich nach Köln beurlauben. Hier in Warschau sitzt man ja doch nur herum… nominell für die Beratungen aufgeführt, aber völlig ohne Meinung in dem Kreis der Planungsexperten. Was kümmert einen planenden Beamten die Erfahrung eines Frontoffiziers? Alles schon einkalkuliert, hatte man ihm gleich zu Anfang gesagt. Wir leben doch nicht hinter dem Mond, mein Bester. Bei der Truppe denkt man anscheinend, wir im Hinterland fressen und saufen und huren bloß. Auch wir arbeiten, zerbrechen uns die Köpfe zum Wohle der kämpfenden Truppe und leisten unseren Beitrag zum glorreichen Endsieg. Wer trägt denn die ganze Last des Nachschubs für Stalingrad? An wem liegt es, daß alles so vorzüglich klappt? Na also… überlassen Sie also alles uns, junger Mann… Und so war man froh, daß sich Dr. Körner mehr um das Kommen seiner Frau kümmerte als um den Aufbau eines großen Lazarettbereiches bei Kalatsch.

Die Stimme des Feldpolizisten riß ihn aus seinen Gedanken.

«Ihre Papiere«, sagte er zu dem weinenden Mädchen. Dr. Körner fuhr herum.

«Sie könnten auch höflicher sein.«

«Ich bin im Dienst, Herr Assistenzarzt.«

«Ach so. Das ändert allerdings vieles.«

Der Feldpolizist lief rot an, aber es war keine Scham, sondern offener Unwillen. In seinem Blick lag deutliche Wut. So etwas haben wir gern, sagten diese Augen. Junge Schlipse mit großer Fresse. Wollen den Weibern durch Forschheit imponieren. Heute abend haste sie im Bett, und wir schieben wieder Wache an der Sperre. Ein Scheißleben ist das.

«Gouvernement«, sagte der Feldpolizist.»Das ist eine private Dienststelle. Da sind wir nicht zuständig.«

«Aber das Fräulein kann doch nicht auf dem Bahnsteig übernachten«, rief Körner.

«Wenn der Herr Assistenzarzt helfen würden, ein Hotelzimmer zu suchen?«Der Feldpolizist grinste unverhohlen. Das will-ste doch bloß, mein Junge, sagte dieses Grinsen. Ein bißchen Theater, wie anständig du bist, ist immer gut und hebt das Vertrauen der jungen Dinger. In Wirklichkeit juckt dir schon die Hose. Junge, das kennen wir. Geh mit ihr ins Hotel, und morgen ist noch immer Zeit, die zuständige Dienststelle zu suchen. Sieh, das Gute ist so nah…

«Es muß doch festzustellen sein…«Dr. Körner sah auf das hilflose, weinende Mädchen inmitten der Koffer.»Kommen Sie«, sagte er mit einem tröstenden Unterton.»Wir werden schon Ihr Domizil finden, ich helfe Ihnen weiter.«

«Danke, Herr Doktor. «Das Mädchen nahm den Koffer wieder auf. Dr. Körner packte die anderen. Die Feldpolizisten grinsten wieder.

«Einen schönen guten Abend«, sagte der eine noch. Dr. Körner verhielt den Schritt und überlegte, ob er sich umdrehen und losbrüllen sollte. Aber dann ging er doch weiter. Es hat keinen Sinn, dachte er. Sie schütteln es ab wie ein Hund das Wasser aus dem Fell. Es hat alles keinen Sinn. Warum ist Marianne nicht gekommen? Warum schickt sie kein Telegramm? Ist in Köln etwas geschehen? Die Angst stieg wieder in ihm hoch und preßte sein Herz zusammen.

«Wohin gehen wir?«fragte das Mädchen neben ihm.

«In mein Hotel«, sagte Dr. Körner.

«Ich heiße Monika Baltus.«

Dr. Körner nickte. Ein Name, den er morgen schon vergessen haben würde.

«Ich bin nach Warschau dienstverpflichtet worden«, sagte Monika Baltus, als sie aus dem Bahnhof kamen und auf dem Vorplatz stehenblieben.»Mein Vater hat sich dagegen gewehrt, er ist von Stelle zu Stelle gerannt, aber es war nichts zu machen. Im Gegenteil, sie haben zu ihm gesagt: Wollen Sie als Nationalsozialist den Aufbau des Ostens sabotieren? Da wußten wir, daß es keinen Sinn hat, die Verpflichtung rückgängig zu machen…«

Mit einem alten, klapprigen Auto, das als Taxi für Offiziere mit Gepäck diente, fuhren sie zum Hotel >Ostland<. Hinter der Theke der Rezeption machte der Chefportier einen tiefen Diener vor dem deutschen Offizier.

«Willkommen, gnädige Frau«, sagte er und holte den Schlüssel vom Schlüsselbrett.»Werden der Herr Mediziner und Gattin heute bei uns speisen? Ich kann Ihnen anbieten etwas Erlesenes. Gefüllte Täubchen. Jung, zart…«

«Es ist ein Irrtum. «Dr. Körner stellte die Koffer ab.»Meine Frau ist nicht mitgekommen. Ich möchte für Fräulein Baltus ein Einzelzimmer.«

«Oh, das ist schade. «Der Chefportier sah Dr. Körner mit einer Mischung von Verständnis und Tadel an.»Ein Einzelzimmer. Nummer fünfundvierzig. Neben dem Herrn Mediziner. Nur das Bad liegt dazwischen, aber es hat zwei Türen…«Er reichte den Schlüssel zu Monika Baltus und lächelte süffisant.»Also ein Tisch mit zwei Gedecken im kleinen Saal. Darf ich notieren?«

«Bitte.«

Ein älterer Hausdiener brachte die Koffer weg. Monika Baltus gab Körner beide Hände.»Ich danke Ihnen vielmals, Herr Doktor«, sagte sie leise.»Ich hatte solche Angst… allein, in einer fremden großen Stadt…«

«Wir werden morgen alles für Sie regeln. Ich schlage vor, wir treffen uns um zwanzig Uhr hier wieder in der Halle.«

Er winkte ihr nach, als sie mit dem Lift nach oben fuhr. Aber es war ein mechanisches Winken. Was ist mit Marianne, dachte er immer wieder. In den Wehrmachtsberichten steht nur immer etwas von Störangriffen und geringem Sachschaden. Vielleicht ist das Telegramm gar nicht angekommen? Die Leitung könnte gestört sein, die Empfangsstation der Kölner Post, oder das ausgeschriebene Telegramm war bei einem Angriff verlorengegangen… es gab so viele Möglichkeiten.

Er ging zur Rezeption zurück. Der Chefportier nickte mehrmals.

«Ein schönes Fräulein, Herr Mediziner. Ich habe Vertrauen zu Ihnen, Sie sagen es nicht weiter… ich habe noch einen Posten französischen Sekt. Ich lasse eine Flasche aufs Zimmer stellen, wenn’s recht ist…«

«Zunächst ein neues Telegramm. Mit Rückantwort.«

«An die Frau Gemahlin?«Das Gesicht des Chefportiers wurde lang vor Erstaunen. Man wird aus den Deutschen nicht klug, dachte er. Sie haben eine eigenartige Moral. Sie legen sich mit jungen Mädchen ins Bett und telegrafieren der eigenen Frau, sie solle kommen. Es muß eine besondere Art von Perversität sein…

Mit geneigtem Kopf nahm der Chefportier den Text auf, den er telefonisch zur Warschauer Hauptpost durchgeben sollte.

Bitte sofort Rückantwort, wann Eintreffen in Warschau. Nimm den nächsten Zug. Hans.

«Es kommt noch ein Zug aus Berlin heute nacht um drei Uhr«, sagte der Chefportier mit einer leisen Warnung in der Stimme.»Es kann ja sein, daß die gnädige Frau — «

«Um drei Uhr?«Körner sah eine neue Hoffnung.»Das ist gut«, rief er.»Das ist sehr gut. Schönen Dank.«

«O bitte. Es erschien mir wichtig…«Der Chefportier lächelte voll männlichem Verständnis.

Die beiden Männer merkten nicht, daß sie verschiedene Gedanken hatten.

Plötzlich, erwartet und doch, als es eintrat, unerwartet, fiel am 16. November der erste Schnee. Er wurde begleitet von einem eisigen Wind, der aus den Steppen Kasachstans herüberwehte. Das Thermometer sank auf minus zehn Grad; in den Gräben und Erdlöchern, Bunkern und Höhlen standen und lagen die Soldaten, schlugen die Arme gegen den Körper und fluchten. Der kalte Wind aus der Steppe blies durch die Kleidung und strich wie eine eisige Hand über die Haut

«Da haben wir den Mist«, sagte Stabsarzt Dr. Portner und sah in den fahlgrauen Himmel, aus dem es weiß herunterrieselte, als bestände das unendliche All nur noch aus Schnee.»Winter an der Wolga. Von jetzt ab wird es hier gemütlich wie mit ’nem nackten Arsch auf einer Eisscholle. Haben wir genug Holz im Keller, Wallritz?«