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«Ich tippe auf Munition«, sagte Dr. Portner.»Die Kiste ist zu gut gesichert.«

Knösel stemmte den Deckel ab. In der Kiste stak eine andere Kiste aus Leichtmetall. Der Deckel war verschraubt.

«Tropenpackung!«sagte Dr. Körner.»Es muß sich um verderbliche Ware handeln.«

«Det is Butter!«Knösel pochte mit dem Knöchel gegen den Metalldeckel. Die Spannung stieg. Knösel klopfte noch einmal an die Kiste. Es klang ziemlich hohl.

«Nun machen Sie schon!«sagte Dr. Portner ungeduldig.

Der Aluminiumdeckel klappte hoch. Ein Karton wurde sichtbar. Ein großes blaues Kreuz war ihm aufgedruckt. Dr. Körner klatschte in die Hände wie ein beschenktes Kind.

«Sanitätsmaterial! Wenn das Ampullen mit Morphium sind… ich gehe vor Freude die Wand hoch!«

Dr. Portner wölbte die Unterlippe vor.»Im allgemeinen ist das Sanitätskreuz rot, nicht blau.«

«Die hatten jerade blaue Farbe, Herr Stabsarzt«, sagte Knösel.

«Quatsch. Da liegt ja der Transportschein.«

Dr. Portner nahm einen Packzettel aus der Kiste und faltete ihn auf. Er überflog ihn, stutzte, las noch einmal und sah Dr. Körner ratlos an.

«Hören Sie sich das an«, sagte er mit belegter Stimme.»Inhalt zweimal geprüfte Präservativs, gepackt in Dreierschachteln zu 90er Paketen. Gesamt 9000 Stück. Bitte — «Er reichte Dr. Körner den Packzettel hin.»Nun wissen Sie es!«

«Wat ist des?«fragte Knösel und starrte auf die Kiste.

«Suppenwürze, Sie Idiot!«Dr. Portner winkte.»Kommen Sie, Körner… denen werde ich etwas sagen!«

Er setzte sich selbst an das Feldtelefon und rief die Division an. Am anderen Ende war ein Hauptmann.

«Geben Sie bitte an das Armee-Oberkommando durch mit der Bitte, es per Funkspruch ans Führerhauptquartier zu melden: 21. Januar 1943, Feldlazarett III, Stalingrad-Stadt, Kinokeller: Haben Abwurf der Nachschubbombe empfangen. Bestätigen dankend den Empfang von 9000 Präservativs zur Verwendung für zur Zeit 3267 Verwundete und Sterbende. Bitten um Nachricht, wann die nötigen Frauen dazu abgeworfen werden. Dr. Portner, Stabsarzt — Haben Sie?«

Am anderen Ende, bei der Division, war es einen Augenblick still. Dann sagte eine völlig konsternierte Stimme:

«Wer spricht da?«

«Dr. Portner.«

«Verzeihung, aber sind Sie verrückt?«

«Ich nicht. Aber anscheinend die Transportstaffel unserer Luftwaffe.«

«Ich gebe Ihnen den Herrn General.«

General Gebhardt sprach sofort, er hatte anscheinend mit einem zweiten Hörer am Gespräch teilgenommen.

«Portner — «, sagte er jovial.»Ich kenne Ihren Sarkasmus, aber — «

«Bitte Herrn General versichern zu dürfen, daß wir seit einer Stunde wirklich im Besitz einer solchen Kiste sind. Sogar tropenverpackt!«Die Stimme Dr. Portners flimmerte vor Erregung.»Ich habe immer geglaubt, daß es für uns wichtig ist, Brot, Büchsen,

Hülsenfrüchte, Verbandmaterial, Anästhesiemittel und Munition zu empfangen, denn schließlich befinden wir uns laut Wehrmachtsbericht im heldenmütigen Abwehrkampf.. aber was soll ich mit 9000 Kondoms? Selbst Suppe kann ich daraus nicht kochen.«

General Gebhardt schwieg. Dann sagte er leise:»Portner… vergessen Sie es.«

«Es ist eine Sauerei! Seit fünf Tagen haben wir kaum etwas zu essen… die Leute sterben mir unter den Händen wie Eintagsfliegen — «

«Ich weiß… überall ist es so. «General Gebhardt räusperte sich, seine Stimme wurde wieder klar.»Ich werde Ihre Meldung an die Armee durchgeben! Man scheint sich dort immer noch zu wundern, warum wir vor die Hunde gehen — «

Dr. Portner legte auf. Er blickte zur Seite auf Dr. Körner. Er sah bleich und eingefallen aus, ein Totenschädel mit Haut darüber.

«Tja, so ist das, mein Junge«, sagte Dr. Portner leise.»Es ist ein schreckliches Gefühl, ohne jede Hoffnung zu sein —«

Kapitel 13

Die Pannarewskaja blieb verschwunden. Dr. Körner verstand es nicht und wurde wortkarg und apathisch. Dr. Sukow schwieg. Nur ab und zu sah man ihn unruhig auf der Kellertreppe stehen und hinüber zu den sowjetischen Stellungen starren. Seit dem Weggang der Pannarewskaja wurde er bewacht. Es ließ ihn gleichgültig, ob immer ein deutscher Soldat hinter ihm stand. Er hatte nicht die Absicht, zu flüchten. Im Keller lag Oberst Sabotkin, ein >Held der Nation<. Bei ihm mußte er bleiben. Daß es nur noch kurze Zeit sein würde, war ihm klar; er sah, wie sich eine Armee auflöste, wie sie Stück um Stück verfaulte. Es war selbst für einen Mann wie Sukow ein grauenhafter Anblick.

Der Kessel war weiter eingedrückt worden. Noch gab es den Flugplatz Gumrak, aber die sowjetischen Panzer standen nahe davor. Es war eine Frist von Stunden, bis auch dieser letzte Flugplatz verlorenging. Mit ihm ging das letzte Auge des Himmels verloren. Von da ab würde selbst Gott blind sein.

170 000 deutsche Soldaten, der Rest von 330 000, krallten sich in die Eissteppe, in die Trümmer der Dörfer und Vororte, in die Hänge des Tatarenwalles, in die Bahnschwellen bei Stalingrazkij. Sie taumelten in ihren Löchern, sie starrten mit hohlen, fiebernden Augen auf die Kolosse der sowjetischen Panzer, hinter denen die dunklen Menschenwellen der Rotarmisten heranrollten. Und sie Schossen immer noch, sie starben um einen Meter Land, um ein Schneeloch, einen Wall aus Eisklumpen… Warum, das wußten sie nicht. Sie konnten nicht mehr denken. Alles in ihnen war leer… der Magen, der Darm, der Kopf, die Seele… Sie lagen oder standen da in Schnee und Eis und schossen, solange sie Munition hatten… dann krochen sie zurück, wurden niedergewalzt, wie Hasen abgeknallt, verbrannten im zischenden Ölstrahl der Flammenwerfer oder wurden von Stalinorgeln zerfetzt. Und sie schrien nicht einmal dabei… sie starben lautlos, es war ihnen völlig gleichgültig, sie sahen den Tod, sie krochen oder liefen noch ein wenig, aber ihr Inneres war leer, und wenn sie in den Schnee kippten, kam endlich die große, die ewige Ruhe über sie. Durst macht irrsinnig… sie hatten nie Durst gelitten, denn es gab Schnee genug, den man im Munde auftauen konnte… Hunger macht apathisch, und das waren sie, beim Schießen, beim Weglaufen, beim Sterben. So wurde der Hunger zum Freund der Opfer.

Bei einem Inspektionsgang zu seinem Markierungstuch stieß Knösel auf einen anderen deutschen Landser. Er saß an der Mauer des Fabrikhofes und schien zu warten. Die Mütze hatte er wie alle deutschen Soldaten über die Ohren gezogen, die Arme wärmend gegen den Körper gepreßt. Es hatte geschneit, und der Mann hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, den Schnee von sich abzuklopfen.

Knösel blieb vorsichtig am Eingang des Hofes stehen. In Stalingrad gab es nichts, was unmöglich war, und ein Mann, der sich einschneien läßt und doch lebt, ist eine merkwürdige Sache. Knösel entsicherte seine Maschinenpistole und hob sie hoch.

«He, Kumpel!«schrie er aus seiner Deckung heraus.»Ick würd’ mir ’nen wärmeren Platz zum Pennen aussuchen!«

Der deutsche Soldat schreckte auf und hob den Kopf. Er wischte den Schnee von seinem Gesicht und grinste zu Knösel hinüber. Dann stand er auf und kam auf ihn zu. Erst, als er zwei Meter vor Knösel war, erkannte ihn dieser.

«Meine Fresse!«sagte er laut.»Du? In deutscher Uniform?! Biste überjeschnappt?!«

Iwan Iwanowitsch Kaljonin streckte beide Hände aus.

«Isch habbe gewartet. Briederchen… verrat mich nicht.«

Knösel zog Kaljonin hinter seine Deckung. Er war so verblüfft, daß er nach Worten suchte und keine fand. Er sah sich die Uniform an. Sie war im Rücken zerfetzt und blutig. Die Uniform eines Toten.