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«Wir?«

«Ja, wir zwei! Meine Division — «

In Oberst von der Haagen explodierte das Herz. Er begriff, was in wenigen Sekunden geschehen würde, er begriff die Ausweglosigkeit, er sah seinen Tod auf sich zurollen. Ein Koloß aus Stahl, 34 Tonnen schwer, mit einem langen Geschützrohr.

«Herr General!«schrie er.»Das dürfen Sie nicht tun! Herr General… ich habe eine Frau und zwei Kinder «

«Ich habe drei, von der Haagen. Ich hatte drei. Mein ältester Sohn fiel bei Minsk. «Er ruckte an dem Sturmriemen seines Stahlhelms.»Laden Sie Ihre MP durch, von der Haagen. Ein deutscher Offizier stirbt nicht kampflos…«

«Herr General…«Von der Haagen lehnte an der Hauswand. Tränen rannen ihm über das eingefallene Gesicht und froren sofort zu kleinen, hellen Kugeln.»Ich flehe Sie an…«

«Lassen Sie uns jetzt nicht über Schuld und Sühne diskutieren, von der Haagen. «General Gebhardt machte einen Schritt auf die Straße. Noch sah ihn der Panzer nicht.»Kommen Sie… oder bringen Sie es fertig, mich allein gehen zu lassen? Oberst… was haben Sie als Kadett schon gelernt?«

«Ich… ich…«Von der Haagen entsicherte seine Maschinenpistole.»Lassen Sie mich meine Fehler anders sühnen!«brüllte er heiser.

«Nein! Kommen Sie!«Gebhardt winkte.»Die Schuldigen vergessen zu leicht, wenn sie in Sicherheit sind. Zielen Sie auf den rechten Sehschlitz — ich nehme die Turmluke…«

Durch die Trümmer hetzte eine dritte Gestalt auf sie zu. Eine Leuchtkugel erhellte plötzlich die Straße, den Panzer, den deutschen General, der seine MP gegen den stählernen Koloß hob, den deutschen Oberst, der aus der Deckung einer Mauer schwankte wie ein Betrunkener.

«Zurück!«schrie Dr. Portner und rannte wie besessen.»Zurück…«

Ihm folgten Knösel, Dr. Körner und zwei Sanitäter. Als der Lichtschirm der Leuchtkugel sie ergriff, warfen sie sich in die Ruinen, auf Steinhaufen, in Kellerlöcher.

General Gebhardt hob seine Waffe. Hoch aufgerichtet stand er mitten auf der leeren Straße. Der Panzer rollte auf ihn zu.

Dr. Portner drückte den Kopf auf den rechten Unterarm und schloß die Augen. Er konnte nicht mehr hinsehen.

Kapitel 15

General Gebhardt sah sich um. Neben ihm stand Oberst von der Haagen mit leeren, verquollenen Augen. Seine Mundwinkel hingen herab, die Lippen waren halb geöffnet, die dicke Zunge preßte sich durch die Zähne. Es war kein schöner Anblick mehr. Gebhardt zeigte mit dem Lauf seiner Maschinenpistole auf den rumpelnden Panzer.

«Brav, von der Haagen!«schrie er.»Ich den Sehschlitz, Sie die Luke…«

«Ich dachte… ich den Sehschlitz…«Der Oberst würgte. Der General winkte ab.

«Ihre Hand zittert, Oberst! Den Turm treffen Sie leichter als den Schlitz. Also denn — Feuer frei! Es lebe Deutschland!«

«Es lebe…«Von der Haagen hob mit einem Ruck die Waffe. Dann feuerte er… breitbeinig stand er neben dem General auf der Straße, mitten auf dem Asphalt, ohne Deckung, er schoß auf den Turm, von dem seine Kugeln abprallten und wegsurrten in die Trümmer. Und plötzlich war er ganz ruhig… er sah, wie das schwere MG aus dem Panzerturm zu ihnen hinschwenkte, sah, wie der schwarze Lauf zu zittern begann, hörte das tackende Hämmern der Abschüsse… Er stand neben dem General und schoß zurück, irgendwohin, nicht mehr gezielt.

General Gebhardt sank in die Knie. Die Maschinenpistole fiel ihm aus den Händen, schepperte über die Straße… aus den Knien fiel er nach vorn auf das Gesicht, seine Beine zuckten unter seinem Leib, sie streckten sich… dann lag er still. Im gleichen Augenblick spürte auch von der Haagen, wie sechs glühende Stiche durch seinen Körper jagten. Die Welt wurde plötzlich federleicht… er fühlte sich hinfallen, er hörte das Dröhnen der Panzermotoren, aber er empfand keinerlei Schmerzen, nur wundervolle Leichtigkeit und das Hereinbrechen einer sich immer mehr verstärkenden Dämmerung.

Und davor habe ich Angst gehabt, dachte er noch. Es war sein letzter Gedanke. Den letzten Einschuß, der seine Schädeldecke aufriß, spürte er nicht mehr… er war schon tot, als sein Körper neben den des Generals Gebhardt rollte.

Dr. Portner lag noch immer zwischen den Ruinen, den Kopf auf den Unterarmen. Als die Feuerstöße verstummten, blickte er auf.

Er sah die beiden Körper auf der Straße liegen, der Panzer war stehengeblieben und tastete das Trümmerfeld ab. Sein Turm drehte sich langsam von links nach rechts.

«Er lebt ja noch …«, stammelte Dr. Portner.»Mein Gott… er lebt ja noch…«Er hob etwas den Kopf und starrte zu General Gebhardt. Der Rücken des Liegenden zuckte, ein Arm glitt über den Asphalt der Straße, als suche er Halt.»Er lebt ja noch!«schrie Dr. Portner. Mit einem Satz sprang er auf und riß sein Taschentuch aus der Manteltasche. In Ermangelung einer Roten-Kreuz-Fahne schwenkte er das weiße Taschentuch hoch über seinen Kopf, stieg aus den Ruinen und ging aufrecht auf die beiden Liegenden und den Panzer zu. Dr. Körner umklammerte die Steine, hinter denen er Deckung gesucht hatte.»Herr Stabsarzt!«brüllte er. Seine Stimme gellte in die plötzliche Stille hinein.»Herr Stabsarzt!!«

Dr. Portner ging unbeirrt weiter. Er schwenkte den kleinen weißen Fetzen und sah den Panzer gar nicht an, dessen Turm wieder zur Straße glitt. Er hatte General Gebhardt erreicht und drehte den Körper auf den Rücken. Der General war noch nicht gestorben, aber die Augen besaßen schon die Starrheit der Ewigkeit.

Der Stabsarzt knöpfte den Mantel und den Rock des Generals auf. Aus sieben Brustwunden tropfte ihm das Blut über die Hände. Es war sinnlos, was Dr. Portner tat, aber seine Erschütterung war so groß, sein Kopf so völlig entfernt von aller Logik, sein Herz so unbeschreiblich leer und einsam, daß er drei der russischen Verbandpäckchen, die die Pannarewskaja mitgebracht hatte, aus der Tasche zog und sie aufriß.

Weiter kam er nicht. Ein einzelner Schuß aus der Panzerluke traf ihn genau zwischen die Augen. Er warf die Arme hoch, die Verbandpäckchen flogen durch die eisige Luft, dann fiel er über General Gebhardt, als könne er ihn noch im Tode schützen.

Dr. Körner zitterte am ganzen Körper. Als er Dr. Portner fallen sah, war es ihm, als habe auch sein Leben aufgehört. Er wußte nicht mehr, daß er hinter seinen Steinen lag und wie ein junger Wolf heulte. Er hatte nur den Drang, zu Dr. Portner zu laufen, bei ihm zu sein, es war eine Verbundenheit, die stärker schien als zwischen Vater und Sohn… aber als er aufspringen wollte, warfen sich Knösel und ein Sanitäter über ihn und drückten ihn in die Deckung zurück.

Verbissen, stumm, aber mit unwahrscheinlicher Härte rangen sie miteinander. Es war rätselhaft, welche Kräfte noch in Dr. Körners ausgezehrtem Körper steckten… er stemmte sich gegen den bulligen Knösel und den Sanitäter, trat um sich, wälzte sich unter ihnen weg, hieb mit den Fäusten auf sie ein. Keuchend, aber ohne Worte, denn hier gab es nichts mehr zu sagen, schlugen sie auf sich ein, bis ebenso plötzlich, wie die Kraft gekommen war, in Körner eine völlige Schlaffheit eintrat… er lag auf dem Rücken, starrte in den grauen Winterhimmel, mit einer Apathie, die wie lähmend wirkte. Knösel, der sich von ihm löste, wartete ab, ob er sich wieder rührte. Aber Dr. Körner regte sich nicht. Es war, als habe man eine ausgebrannte Schlacke in Gestalt eines Menschen in die Trümmer geworfen.

Eine Stunde lang kurvte der Panzer auf der Straße… dann fuhr er zurück zum Roten Platz, wo in den riesigen Kaufhauskellern das Armee-Oberkommando hauste. Unter ihnen Offiziere, die in diesem Augenblick überlegten, ob man auf der Kaufhausruine die Hakenkreuzfahne hissen sollte, um unter diesem Zeichen zu sterben. Und ein Generaloberst, der stumpf und zerbrochen in seinem Kellerraum hockte und mit dem Gedanken spielte, sich am nächsten Tag mit einer Ladung Pioniersprengstoff in die Luft zu jagen.