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Das waren die Gedanken, welche die Besatzungsmitglieder während der Zeit des Wartens auf ein abermaliges Zusammentreffen mit dem fremden Raumschiff bewegten. Das Bewußtsein, daß ihnen ein Erlebnis bevorstehe, das zu einem Markstein in der Geschichte der Menschheit werden könne und daher der Besatzung der „Tellur“ höchste Verantwortung auferlege, hatte sogar die sonst so übermütige Taina ernst gestimmt. Würden sie, diese Handvoll Vertreter einer nach Milliarden zählenden Menschheit, sich der Heldentaten und Opfer, der Anstrengungen und Mühen, die die Menschen der Erde in ihrer langen Geschichte aufzuweisen hatten, würdig erweisen? Würden sie es in bezug auf körperliche Vollkommenheit, Klugheit und Charakterfestigkeit mit den Abgesandten einer anderen Welt aufnehmen können?

Wie konnte man sich aber am besten auf das bevorstehende große Ereignis vorbereiten? Es gab nur eines: Man mußte sich unaufhörlich den blutigen und großartigen Kampf, den Menschen aller Zeiten um die körperliche und geistige Freiheit geführt hatten, ins Gedächtnis zurückrufen, sich an ihm stärken und durch ihn wachsen!

Eine der wichtigsten, spannendsten und zugleich geheimnisvollsten Fragen war diese: Wie werden jene Unbekannten, die uns jetzt zum zweitenmal entgegenfliegen, aussehen? Ob sie wohl furchtbar und grauenerregend für das menschliche Auge anzuschauen sind oder aber schön und angenehm? Afra Dewi, die Biologin, gab ihren Gedanken hierüber Ausdruck.

Die junge Frau, deren Schönheit unter der Nervenanspannung der letzten Zeit noch gewonnen hatte, hob oft den Blick zu einem über der Tür hängenden Bild empor. Es war in Perspektivfarben ausgeführt und stellte ein Panorama des Mondgebirges in Äquatorialafrika dar. Per Kontrast zwischen den düsteren bewaldeten Höhen und den lichtüberfluteten felsigen Gebirgskämmen war außerordentlich eindrucksvoll und kam Afra wie eine Parallele zu ihren Gedanken vor, die ebenfalls licht und hoffnungsvoll, dach von banger Ungewißheit überschattet waren.

Afra legte dar, daß sich die Menschheit schon seit langem von der früher sehr verbreiteten Auffassung losgesagt habe, wonach denkende Wesen von beliebigem Aussehen und von ganz verschiedenartigem Körperbau sein könnten. In einer Art von religiösem Aberglauben befangen, hätten eine Zeitlang selbst ernsthafte Wissenschaftler ohne weitere Überlegung die Ansicht vertreten, daß sich ein die Denktätigkeit ausübendes Hirn in einem irgendwie gestalteten Körper entwickeln könne. In Wirklichkeit hat sich jedoch die Gestalt des Menschen als des einzigen Wesens auf der Erde, das ein Gehirn mit Denkvermögen besitzt, nicht zufällig so entwickelt. Sie hängt vielmehr zusammen mit der überaus vielseitigen Tätigkeit eines solchen Lebewesens, dem Erfordernis der besten Gewichtsverteilung im Hinblick auf die große Last des Hirns und schließlich der außerordentlichen Aktivität des Nervensystems.

Unser Begriff von der menschlichen Schönheit und der Schönheit überhaupt hat sich aus einer tausendjährigen Erfahrung herausgebildet. Er gründet sich auf die unbewußte Wahrnehmung der konstruktiven Zweckmäßigkeit und der Tauglichkeit für diese oder jene Tätigkeit. Nur so ist es zu erklären, daß wir zum Beispiel auch gewaltige Maschinen, die Wellen des Meeres, Bäume, edle Pferde usw. als schön empfinden, obwohl dies alles nichts mit der menschlichen Gestalt zu tun hat. Dem Menschen selbst ist es dank der Entwicklung des Gehirns bereits im Übergangszustand vom Tier zum Menschen möglich gewesen, die Notwendigkeit einer einschränkenden Spezialisierung von sich abzuschütteln und sich von der Anpassung an nur eine Lebensform, wie sie für die überwiegende Mehrzahl der Lebewesen charakteristisch ist, zu lösen.

Die menschliche Hand zum Beispiel ist ein Organ, wie es sich vielseitiger nicht denken läßt. Sie kann Millionen verschiedene Tätigkeiten verrichten. Eigentlich ist sie es gewesen, die aus dem Tier der Vorzeit den Menschen gemacht hat.

Der Mensch formte sich bereits in frühen Stadien seiner Entwicklung zu einem umfassenden Organismus, der es ausgezeichnet versteht, sich den jeweiligen Lebensbedingungen seiner Umwelt anzupassen. Mit dem weiteren Übergang zum Leben in der Gemeinschaft nahm die Vielseitigkeit des menschlichen Organismus noch zu, damit wuchs aber gleichzeitig die Einsatzfähigkeit des Menschen. Die Schönheit des Menschen beruht darauf, daß er aus dem Kreis der nur unter dem Gesichtspunkt des zweckmäßigen Körperbaues gestalteten Lebewesen heraustritt. Seine Vollkommenheit, seine Universalität, seine gesteigerte und geschärfte Geistestätigkeit sowie seine geistige Erziehung erheben ihn hoch über jegliche Kreatur und verleihen ihm den Glanz echter Schönheit.

Denkende Wesen aus einer anderen Welt, die es geschafft haben, den Kosmos zu bezwingen, werden ebenso vollkommen in der Gestalt, vielseitig in der Bildung und von großer Klugheit sein und damit alle Voraussetzungen des Begriffs Schönheit erfüllen.

„Es ist ganz unwahrscheinlich, daß vernunftbegabte Wesen die Gestalt von Ungeheuern, Pilzen und dergleichen haben oder vielbeinig oder vielarmig sein können. Wie sie in Wirklichkeit aussehen, weiß bisher noch niemand. Aber ich bin fest überzeugt, daß die Fremden angenehm anzuschauen sein werden. Dabei ist es ja völlig gleichgültig, ob ihre Schönheit in der uns Erdmenschen geläufigen Form und Gestalt oder in anderer Weise zum Ausdruck kommt!“ schloß Afra Dewi ihre Ausführungen.

„Diese Theorie gefällt mir zwar“, stimmte Tei Eron der Biologin zu, „aber…“

„Ich weiß schon, worauf Sie hinauswollen“, fiel ihm Afra ins Wort. „Schon unbedeutende Abweichungen vom Normalen lassen bei uns den Eindruck des Häßlichen entstehen. In diesem Fall ist die Wahrscheinlichkeit solcher Abweichungen natürlich besonders groß. Völlig belanglose Veränderungen der üblichen Form, wie beispielsweise Mängel an Nase, Augenlidern, Lippen und so weiter im menschlichen Antlitz, etwa durch Verletzungen hervorgerufen, empfinden wir bereits als häßlich und abstoßend. Das beruht darauf, daß hier die in vollendeter Weise zum Ausdruck gelangende Zweckdienlichkeit bei uns den Eindruck der Schönheit auslöst, während wir bei einem durch Wunden oder Narben entstellten menschlichen Antlitz unbewußt das Gefühl einer gestörten Harmonie haben.“

„Mit anderen Worten, je unähnlicher andere Lebewesen dem Menschen sind, um so weniger empfinden wir sie als häßlich? Wie wäre es dann, wenn die Fremden uns zwar äußerlich ähneln, aber Hörner trügen und Rüssel hätten?“ gab sich Tei Eron noch immer nicht geschlagen.

„Ein denkendes Wesen braucht keine Hörner und wird deshalb auch keine haben. Die Nase kann allerdings etwas in die Länge gezogen sein und dadurch eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Rüssel haben — obwohl ein Rüssel beim Vorhandensein von Händen, ohne welche ein vernünftiges Wesen nicht denkbar ist, ebenfalls überflüssig ist. Das wäre dann ein Sonderfall, der zwar theoretisch möglich, aber durchaus nicht wahrscheinlich ist, weil der Körperbau eines über Denkvermögen verfügenden Wesens eine so ,unnatürlich‘ lange Nase nicht erfordert. Alles, was sich im Laufe einer langen Entwicklung gestaltet hat, geht auf eine natürliche Auslese zurück. Damit aber unterliegt es einer bestimmten Gesetzmäßigkeit, die stets dem Mittel aus einer Vielzahl von möglichen Abweichungen entspricht. Auch hierbei bildet sich wiederum aus der größtmöglichen Zweckdienlichkeit der Begriff der höchsten Schönheit heraus. Ich bin sicher, in jenem Raumschiff, das sich jetzt uns wieder nähert, werden sich keine Ungetüme mit Hörnern und Rüsseln befinden, nein, bestimmt nicht! Nur die niederen Lebensformen sind vielgestaltet, je höher die Entwicklungsstufe, um so ähnlicher werden sich ihre Vertreter!“